Be­weg­te Ge­schich­te

Das Kongresshaus der Architekten Haefeli Moser Steiger hat seit 1939 kleinere und in den 1980er-Jahren grössere Umbauten erlebt. Sogar der Abriss drohte. Seit 2017 wird das bestehende Ensemble instand gesetzt.

Publikationsdatum
06-12-2018
Revision
11-12-2018

Das Kongresshaus in Zürich wurde 1939 zur Landesausstellung eröffnet und gilt heute, da nahezu alle anderen baulichen Zeugnisse der Grossausstellung zerstört sind, als wichtigster Vertreter des «Landistils», also der moderaten Schweizer Moderne jener Zeit. Diese orientierte sich nicht an den radikalen Positionen der architektonischen Avantgarde, wie sie etwa die CIAM verfochten, sondern eher an Haltungen, wie sie in der zeitgenössischen Architektur Skandinaviens zu finden waren. Dabei wird anhand der Ornamente und einer Reihe von Ausstattungsdetails offensichtlich, in welchem Mass die Architekten die organisch-geschwungene Formensprache der 1950er-Jahre antizipierten.

Das Kongresshaus ist aber noch aus anderen Gründen als herausragender Bau einzustufen: weil die Architekten sich dafür entschieden, mit der Tonhalle und dem kleinen Ton­hallesaal Teile des sogenannten Trocadéro der Architekten Fellner & Helmer in ihr Projekt zu integrieren, und weil es das erste Projekt war, mit dem sich die zuvor einzeln oder in wechselnden Konstellationen tätigen Architekten Max Ernst Haefeli, Werner M. Moser und Rudolf Steiger zu einer Bürogemeinschaft for­mierten. Haefeli Moser Steiger: Dieses Label prägte die Schweizer Architektur in den ersten Nachkriegsdekaden.

Am Kongresshaus wurden immer wieder kleinere Umbauten vorgenommen, ein Eingriff mit grösserer Interventionstiefe erfolgte dann in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre mit der Eliminierung des Gartenhofs und der Aufstockung der seeseitigen Flachbauten mit einem Panoramasaal. In diesem Zustand verblieb das Kongresshaus bis in die Nullerjahre. Zürich verstand sich als Boomtown, «Downtown Switzerland» lautete der Slogan, mit dem sich die Stadt vermarktete. Luzern hatte gerade mit dem KKL ein spektakuläres Kongresszentrum in Premiumlage am See­ufer erhalten, und nun wollte Zürich nachziehen: Nicht konkurrenzfähig sei das bestehende Kongresshaus, für grosse internationale Kongresse schlicht zu klein.

So entstand der von politischen und wirtschaftlichen Kreisen sowie Touris­tikern forcierte Plan, das Kongresshaus bis auf die Tonhalle abzureissen und an seiner Stelle ein zeitgemässes Kongresszentrum samt Saal für 2500 Personen und auf dem benachbarten Grundstück der Baur-au-Lac-Erben ein Kongresshotel zu errichten.

Eilig wurde das bestehende Gebäude aus dem Schutz entlassen1 und ein internationaler Architekturwettbewerb durchgeführt. Das Siegerprojekt für den Neubau stammte von Rafael Moneo. Doch von Begeisterung wie in Luzern war wenig zu spüren. Es waren letztlich weniger die Argumente der Anhänger des Baus von Haefeli ­Moser Steiger als die geringe Strahlkraft des Neuen, das Finanzierungsmodell und die Fragwürdigkeit eines für Zürich übergrossen Kongresszentrums, die dazu führten, dass der Souverän das Moneo-Projekt mit der Volksabstimmung über einen Nebenschauplatz im Juni 2008 mit 57 % Nein-Stimmen an der Urne verwarf.

Ein bescheidener Neuanfang ereignete sich 2011. Während nach alternativen Bauplätzen für ein Kongresszentrum gesucht wurde, konnte sich die Arbeitsgemeinschaft von Elisabeth und Martin Boesch, Diener & Diener sowie Conzett Bronzini Partner in einem Planerwahlverfahren für die Teilinstandsetzung des Altbaus durchsetzen. Der Auftrag erweiterte sich, als 2013 seitens der Stadt die Entscheidung fiel, auf den Neubau eines Kongresszentrums zu verzichten und stattdessen die Kongress­infrastruktur im bestehenden Gebäude zu ertüchtigen und zu modernisieren (vgl. «Kongresse in Zürich», Kasten unten).

Im Juni 2016 sagte das Stimmvolk schliesslich Ja zu dem mit insgesamt 240 Millionen Franken taxierten Projekt. Eingeschlossen waren die 165 Millionen ­Baukosten sowie die Entschuldung der Tonhalle-Gesell­schaft, ausserdem ein Beitrag für die Errichtung des Provisoriums Tonhalle Maag.

Anmerkung

  1. Es handelte sich um eine bedingte Entlassung aus dem Inventar, die im Zusammenhang mit der Realisierung des Wettbewerbprojekts vollzogen worden wäre. Heute ist das Gebäude im Inventar enthalten und wird denkmalpflegerisch betreut.

Alle Beiträge dieser Ausgabe finden Sie hier.
Weitere Artikel zum Thema, z.B. aus Schweizerische Bauzeitung von 1895 finden Sie unter Pläne/Dokumente. Eine Slideshow mit historischem Bildmaterial findet sich hier.


Kongresse in Zürich

Nach dem Aus für das Moneo-Projekt Mitte 2008 war das Ende für die Idee eines neuen Kongresszentrums noch nicht gekommen. Daher wurden in den Folgejahren diverse Ausweichareale evaluiert. Zu den Favoriten zählten das Kasernengelände, ein gleisnahes Areal an der Geroldstrasse sowie der Carparkplatz hinter dem Landesmuseum. Doch aus unterschiedlichen Gründen kam keiner der Bauplätze schlussendlich wirklich in Betracht.

Was für ein Glück, dass in dieser verfahrenen Situation im Juni 2013 eine vom Präsidialdepartement in Auftrag gegebene Studie «Strategie Kongressstadt Zürich» veröffentlicht wurde, die weitere Standortplanungen letztlich obsolet machte. Es hatte sich nämlich einerseits gezeigt, dass der Höhenflug bei der Nachfrage nach Kongressräumlichkeiten insgesamt abflaute, während andererseits das Angebot an kleineren Kongressräumen im Kontext von Hotels oder Universitäten zugenommen hatte.

In der Studie wurden diverse Szenarien präsentiert, wobei die Variante «Kongresshaus +» zum Favoriten avancierte. Gemeint war die Instandsetzung des Kongresshauses (im Sinn der von der ARGE Boesch/Diener/Conzett geplanten Teilinstandsetzung) zusammen mit einer Verbesserung der Kon­gressinfrastruktur vor Ort, wie sie in einer Machbarkeitsstudie der ARGE entwickelt worden war: Durch Rückbau der Eingriffe aus den 1980er-Jahren liesse sich Platz schaffen, um die Kongressbereiche besser zu organisieren. Mit 1700 Plätzen im Kongresssaal und 1450 im – für Kongresse allerdings nur fallweise verfügbaren – Tonhallesaal und mit den neuen Kongressräumen im Erdgeschoss fasst das Gebäude maximal 4000 Besucherinnen und Besucher zeitgleich.

Manko für die Verfechter eines grundsätzlich neuen Kongresszentrums bleibt allerdings das Fehlen eines grossen Saals mit 2500 oder 3000 Plätzen. Auch das Kongresszentrum Circle am Flug­hafen, das Ende 2019 fertiggestellt sein soll, weist nur einen Saal mit 1500 Plätzen auf. Angesichts der Tatsache, dass an Kongresssälen mit einem Fassungsvermögen bis zu 1500 Plätzen kein Mangel besteht und auch die Anzahl von Hotelzimmern im kongressadäquaten Viersternesektor in den vergangenen Jahren in Zürich massiv angewachsen ist, dürfte sich das Thema Kongresszentrum eigentlich erledigt haben – auch wenn eine Initiative aus Wirtschaftskreisen weiterhin auf das Areal des Carparkplatzes spekuliert. Wie sich das Projekt tragen soll, bleibt ein Geheimnis; denn die öffentliche Hand muss sich diesem Ansinnen in jeder Hinsicht verweigern. (Hubertus Adam)

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