Neu­es Far­ben­spiel

Unter dem Motto «Schön viel Strom produzieren» arbeiten Schweizer ­Wissenschaftler an architektonisch ansprechenden Lösungen für die gebäudeintegrierte Photovoltaik. Ein PV-Experte der Hochschule Luzern stellt aktuelle Forschungsergebnisse vor.

Publikationsdatum
13-06-2018
Revision
19-06-2018

Photovoltaikfassaden und -dächer sind technisch herausfordernd, weil hier bisher unabhängige Disziplinen, Standards, Akteure und Entwicklungen zusammenkommen oder eher aufeinandertreffen. PV-Strom in der Gebäudehülle ist eher selten, den nötigen Platz für Kabel und Leistungs­elektronik einzuräumen erfordert höheren Planungsaufwand. Für Gebäudehüllen und PV-Module gibt es verschiedene, teils widersprüchliche Standards und Normen, die nur langsam zusammenfinden. Architekten müssen nicht nur mit Fassadenplanern, sondern auch mit PV-Modulherstellern und Energieversorgern reden, und die schnellen Entwicklungen in der PV-­Technologie machen es schwer, sich zu entscheiden.

Dennoch nehmen immer mehr Architekten diese Herausforderung an. Zum einen, weil es die Bauherren wollen, und zum anderen, weil sich innovative ­Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Das Raumplanungsgesetz erschwert den Bau von PV-Freiflächenanlagen, und so können die hohen Ziele der Energiestrategie 2050 nur erreicht werden, wenn die Photovoltaik in die Gebäude integriert wird. Doch auch dort ist es schwierig: Nachbarn blockieren Anträge, weil sie potenzielle Reflexionen oder den schwarz-blauen Einheitslook ablehnen. Bei schützenswerten Gebäuden kritisiert die Denkmalpflege zu Recht die geringen ­Gestaltungsmöglichkeiten.

Diese kritische schweizerische Haltung ist ­eigentlich ein Segen, denn sie hat die Photovoltaik weiterentwickelt, nicht nur effizienter und günstiger, sondern vor allem auch «schöner» zu werden. Graduelle Effizienzsteigerungen und Kostenreduktionen nützen nichts, wenn das PV-Dach oder die PV-Fassade aus gestalterischen Gründen abgelehnt wird. Deshalb werden PV-Module immer öfter hinter Farben und neuen Oberflächen «versteckt». Schweizer Spitzenforscher wie Michael Grätzel und Christophe Ballif von der EPFL haben innovative Technologien entwickelt, mit denen PV-Module ­farbig werden. Die Hochschule Luzern nutzt digitale Drucktechnologien, um mehrfarbige Frontgläser für jede Art von PV-Modulen zu produzieren.

Unter dem Motto «Schön viel Strom produzieren» werden Frontgläser mit individuellen farbigen Motiven energetisch optimiert hergestellt. Zusammen mit dem Technologietransferpartner ÜserHuus konnten mittlerweile verschiedene Pilot- und Demonstrationsprojekte mit ­farbigen PV-Modulen realisiert werden. Und mit Unterstützung ­der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (Supsi) werden ­farbige PV-Module nun zer­tifiziert. Nationale Forschungsprogramme wie das NFP 70 «Energiewende» des Schweizerischen Nationalfonds SNF1 sowie das Swiss Competence Center for Energy Research (SCCER)2 der InnoSuisse fördern ­diese Entwicklung durch natio­nale und interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Transparenz reduziert Leistung

Transparente PV-Module werden im Fensterbereich eingesetzt, wo Verschattung, Durchsicht und Strom­produktion gleichermassen erwünscht sind. PV-Zellen durchsichtig zu machen ist eigentlich ein Widerspruch, denn mit der Transparenz nimmt ihre Leistung ab. ­

Die Dünnschicht-PV-Technologie kann zwar so dünn auf Glas aufgetragen werden, dass sich eine Trans­parenz ergibt, bei näherer Betrachtung ist sie aber nur eine Semitransparenz aus kleinen grau transluzenten Zellen mit schmalen transparenten Zwischenräumen. Die ­störende Rasterung bei der Transparenz, die ge­ringe Leistung von 4 bis 6 W/m2 sowie der hohe Preis der Spezialanfertigung führten dazu, dass die Zahl der Anbieter abgenommen hat.

Auch bei den kristallinen PV-Modulen, d. h. solchen mit den typischen quadratischen Zellen in Einheitsgrösse, versuchten Hersteller in der Vergangenheit, in diese Zellen Löcher zu stanzen, um sie transparenter zu machen, oder sie in kleinere Quadrate zu zerlegen. Interessanter sind da die organischen (Grätzel-)PV-­Zellen, die schon transparent sind und farbig sein können, aber es ist nicht einfach, diese grundlegend neue Erfindung marktfähig zu machen. Kurzum, im heutigen PV-Modul-Markt dominieren die opaken kristallinen Zellen mit der quadratischen Einheitsgrös­se. Eine Semitransparenz kann man nur durch grössere Abstände zwischen den Zellen erreichen, wobei man nicht vergessen darf, dass die elektrischen Zellverbinder in diesen Zwischenräumen störend wirken können.

Farbe vermindert Effizienz

Es gibt vielerlei Ansätze, PV-Module farbig zu gestalten, aber bislang nur wenige gebaute Projekte und noch weniger dokumentierte Langzeiterfahrung. Man kann Zellen und Folien einfärben, was technisch recht anspruchsvoll ist. Durch die Dickenänderung der transparenten leitenden Schicht (TCO) auf der PV-Zelle lassen sich Farbeffekte erzielen, deren Vorhersehbarkeit aber kaum gegeben ist. Ein anderer Ansatz sieht das Einfärben der Schmelzfolien oder das Einbringen von farbigen Streu- und Reflexionsfolien vor. Sie reflektieren verhältnismässig viel sichtbares Licht in verschiedenen Farben und lassen umgekehrt viel infrarotes Licht durch, für das die Zellen folgerichtig optimiert sind. Diese Folien gibt es nur in wenigen Farben, und sie reduzieren die Leistung um 30 bis 50%. Einen ähnlichen spektral se­lektiven Ansatz gibt es auch für die Beschichtung des Frontglases. Damit ergeben sich PV-Module in den ty­pi­schen monochromatischen Farben, die mittlerweile in verschiedenen Projekten zum Einsatz kommen.

Parallel dazu hat sich der digitale keramische Farbdruck rasant entwickelt, der im Architekturglas bereits erfolgreich eingesetzt wird. Für den Einsatz mit PV-Glas ist das interessant, weil die digitale Ansteuerung kontrollierte dünne und transparente Farbschichten für Millionen von Farben ermöglicht. Daraus resultieren gleich mehrere Vorteile. Im Gegensatz zu den anderen Ansätzen können nun Bilder oder Muster mit mehreren Farben realisiert werden.

Ein anderer Vorteil liegt darin, dass die Verwendung des farbigen Glases nicht an eine bestimmte PV-Technologie gekoppelt ist. Bei jedem PV-Modul, das als Abdeckung ein Frontglas braucht, kann stattdessen ein farbiges Frontglas im Herstellungsprozess genommen werden. Das betrifft PV-Module mit kristallinen Zellen, die mehr als 80% des Markts ausmachen. Es schliesst aber auch zukünftige Module ein, die zwecks höherer Effizienz kristalline und Dünnschicht-­Technologien kombinieren.

Über die Transparenz können der Lichtdurchlass der Farbe und damit die Leistung der PV-Zelle genau kon­trolliert werden. Der Drucker kennt nämlich die unterschiedliche Dichte der verschiedenen keramischen ­Farben nicht, die beispielsweise bei Schwarz hoch ­und bei Blau niedrig ist. Würde man Schwarz also mit 50% Transparenzeinstellung drucken, käme viel weniger Licht durch, als wenn man Blau mit der gleichen Einstellung drucken würde. Das würde bei einem PV-Modul zu einem Kontrast führen, der das Modul leistungsmässig mindern oder sogar beschädigen kann. Dieser Effekt ist in der Branche als «Hot­spot» gefürchtet.

In der zum Patent und Marke angemeldeten Methode «Meta-C-Print», die auch vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wurde3, wurden Einstel­lungen für mehrfarbige Bilder entwickelt, mit denen man gezielt eine gewünschte Leistung ohne Hotspot-Effekt bekommt. Dies wurde mit dem Technologietransferunternehmen ÜserHuus in das Produkt «Swisspanel Solar» überführt, das über Glas Trösch kommerziell erhältlich ist. Für die PV-Module der Fassade «Swissness»4 wurde beispielweise die relative ­Effizienz gegenüber einem unbedruckten PV-Glasmodul auf 80% eingestellt, die sich auch im Feld bestätigt hat. Hier kam ein Modul bestehend aus polykristallinen Zellen zum Einsatz, das mit unbedrucktem bzw. bedrucktem Glas eine Leistung 160 W/m2 bzw. ca. 128 W/m2 aktiver Fläche hat.

Reflexion stört Farbwahrnehmung

Bei PV-Modulen aus Glas kann man Reflexionen nicht ausschliessen. Das stört die Farbwahrnehmung, denn bei flachem Betrachterwinkel sieht man eher die spiegelnde Umgebung als die Farbe des Glases. Insofern kann man bei farbigem Glas nicht die matte Farbe eines RAL- oder NCS-Farbstreifens einfordern oder sie damit vergleichen. Besonders bei glattem Floatglas ist dieser Effekt stark vorhanden, er kann aber auch im Sinn der %%gallerylink:41755:Entmaterialisierung der Oberfläche%% gewünscht sein. Bei strukturiertem Glas, d. h. solchem, das im weichen Zustand von einer ­Walze eine Struktur eingeprägt bekommen hat, ist die Spiegelung gebrochener. Am stabilsten wirkt die Glasfarbe bei satiniertem, mattem Glas. Dort ist der visuelle Eindruck über viele Betrachtungswinkel immer gleich. Wenn man zudem auch weniger störende Reflexionen für die Umgebung haben möchte, empfiehlt sich dieses Glas, wie man es an der PV-Brüstung am NEST-Gebäude der Empa nachvollziehen kann.5

Abmessungen für mehr Leistung

Im Gebäudebereich haben PV-Module aufgrund der verschiedenen Abmessungen in der Regel massgeschneiderte Grössen. Auch wenn grosse Flächen mit Standardgrössen gefüllt werden können, erfordert der Randabschluss individuell angepasste Masse. In jedes Modul möchte man dann möglichst viele Zellen packen, um viel Strom zu produzieren. Wenn man beispielsweise eine Fläche von 2.5 × 2.5 m mit PV-Modulen bedecken will, würde man sie der Einfachheit halber in vier gleichgrosse quadratische Module aufteilen. In diese Quadrate passen dann je 7 × 7 = 49 Zellen hinein, insgesamt also 196 Zellen. Man kann die Abmessungen aber leistungsmässig optimieren. Ein solches Quadrat mit 7 × 7 Zellen hat einen ca. 8 cm grossen Rand, zu wenig für eine neue Zellreihe. Den Rand könnte man dem benachbarten PV-Modul zuschlagen, weswegen dort nun eine Zellenreihe mehr passen würde. Damit könnte die gleiche Fläche statt 196 nun 225 Zellen enthalten. Das entspricht einer möglichen Leistungssteigerung von 15%.

Mehrkosten vs. öko­logische Gewinne

Ein individuell farbig bedrucktes PV-Frontglas, wie es für die PV-Fassade «Swissness» und für die PV-Brüstung am NEST-Gebäude verwendet wurde, kostet noch zwischen 100 und 150 Fr./m2, egal welche PV-Technologie eingesetzt wird. Die fertigen PV-Module für Dach und Fassade kosten dann zwischen 300 und 600 Fr./m2. Dazu kommt der Planungsaufwand zur einmaligen Aufbereitung der Druckdatei nach der «Meta-C-Print»-Methode. Die angegebenen Mehrkosten sind grobe Richtpreise, die je nach Anforderungen stark variieren können. Diesen Mehrkosten stehen jedoch ökonomische und öko­logische Gewinne durch die Produktion und Nutzung von sauberem Strom gegenüber.

Weiterbildung ist unerlässlich

Wer PV-Fassaden und -Dächer entwerfen und bauen möchte, dem bieten sich heute viele Möglichkeiten, architektonische Aspekte wie Farbe und Oberfläche individuell zu entwerfen und umzusetzen. Wie zum Beispiel beim Haus «Solaris» in Zürich von huggenbergerfries Architekten (vgl. «Seismograf des Himmels»), dessen reflektierende farbige Fassade an die Lichtbrechungen auf bewegtem Wasser erinnert.6 Viele Architektinnen und Architekten wissen aber nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn sie eine farbige PV-Fassade oder ein PV-Dach planen. Glashersteller, PV-Modulhersteller und Fassadenbauer können jeweils für ihren Bereich Auskunft geben, aber wie die einzelnen Komponenten dann im Projekt gestalterisch und elektrisch zusammenwirken, lässt sich oft nur über zeitraubende und kostspielige Versuche klären. Für Architek­turschaf­fende ist es daher unerlässlich, sich auf diesem Gebiet immer wieder weiterzubilden.7

Anmerkungen
1 www.activeinterfaces.ch
2www.sccer-feebd.ch
3www.nfp70.ch/de/News/Seiten/180205-news-nfp70-von-proof-of-concept-zum-marktreifen-produkt.aspx
4 www.hslu.ch/umweltarena
5 www.hslu.ch/nest-PV
6 vimeo.com/266097918
7 Die Hochschule Luzern, die EPF Lausanne und das CSEM waren bei allen Pilot- und Demonstrations­projekten in der Schweiz massgeblich beteiligt. Ihre Erfahrungen bieten sie nun in einem Weiter­bildungskurs «Farbige PV-Module» an. Dort kann jede/-r Teilnehmende unter Anleitung ein eigenes farbiges PV-Modul entwerfen, bauen und testen. Mehr Info auf www.hslu.ch/w142
 

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