Einmal BIM, bitte!
Die meisten Unternehmen der Baubranche sind fit für Building Information Modelling. Die Nachfrage und die Bereitschaft der Auftraggeber stehen aber teilweise noch in den Sternen.
Hört man sich in der Planungsbranche um, wandelt sich BIM langsam, aber sicher von der Glaubensfrage zur alltäglichen Methode. Das gilt zumindest aus Sicht der Auftragnehmenden: Zahlreiche Dienstleister haben sich im Thema weitergebildet und gar eigens in diesem Feld tätige Unternehmensbereiche aufgebaut. Dies unterstreicht ein virtueller Streifzug durch die Websites mittlerer und grosser Planungsbüros.
Wenn auch Ingenieurbüros ihre digitalen Kompetenzen deutlich offensiver anpreisen als Architekturbüros: Die Planenden – und die Bau-, General- und Totalunternehmungen sowieso – scheinen insgesamt fit für die Digitalisierung. Diese Beobachtung stützen zudem gezielte Online-Umfragen zur schweizweiten Anwendung der BIM-Methode (vgl. «Umfragen: BIM in der Praxis»).
Nicht ganz so offenkundig ist die Bereitschaft der Bauherren und Auftraggebenden, Infrastruktureigentümer und -betreiber oder Behörden. Zwar gelten viele unter ihnen als treibende Kraft hinter BIM und der Digitalisierung allgemein, allerdings ist hier eine Unterscheidung notwendig. Während im Immobiliensektor sowohl private als auch öffentliche Bauherren und Auftraggeber zunehmend die erforderlichen digitalen Kompetenzen aufbauen oder als «early adopters» bereits aufgebaut haben (z. B. Zug Estates, Wincasa, Pensimo), entwickeln sich ihre Kollegen im Infrastrukturbereich nur zögerlich in dieselbe Richtung. Ein Blick in die Verwaltung zeigt ausserdem, dass viele Behörden – beispielsweise in der Abwicklung von Baubewilligungsverfahren – zwar im elektronischen (PDF-Verarbeitung), damit aber noch nicht im digitalen Zeitalter (komplett papierlose Verarbeitung) angekommen sind.
Wie fit ist also die Branche gesamthaft im Thema Digitalisierung? Und wie steht es um die Nachfrage nach BIM-Dienstleistungen?
Strategische Digitalisierung
Die Schweizerische Eidgenossenschaft beschäftigt sich schon länger mit Informations- und Kommunikationstechnologien und als Entwicklung daraus mit der Digitalisierung. So setzt sich der Bundesrat mit verschiedenen Mitteln dafür ein, dass die entsprechenden Chancen optimal genutzt werden. Die Inhalte dieses Bestrebens betreffen selbstredend auch sämtliche Bereiche der Baubranche.
Mit der Strategie «Digitale Schweiz» gibt der Bundesrat beispielsweise die Leitlinien für das staatliche Handeln im Zuge der digitalen Transformation vor. Der zugehörige Aktionsplan «Digitale Schweiz» konkretisiert die einzelnen bundesexternen Umsetzungsaktivitäten mit Projekten in insgesamt zehn Entwicklungsbereichen. In Bezug auf BIM wurde das Projekt «Digitaler Gebäudestandard» lanciert. Es sieht vor, dass in Zukunft alle Gebäude und Infrastrukturanlagen des Bundes und der bundesnahen Betriebe über ein digitales Abbild, d. h. ein dreidimensionales Modell, verfügen. Ziel des von den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) initiierten Projekts ist, dass der Bund und alle bundesnahen Betriebe im Immobiliensektor bis 2021 und im Infrastruktursektor bis 2025 die BIM-Methode verpflichtend anwenden (vgl. «Macht des Modells»).
Daneben organisieren sich der Bund, die Kantone und die Gemeinden mit «E-Government Schweiz» für die Ausbreitung und Etablierung elektronischer Behördenleistungen. Mit dem Anspruch, technische und gesellschaftliche Entwicklungen in der Verwaltungstätigkeit zu verankern, wurde vor Kurzem die E-Government-Strategie der dritten Generation (Periode 2020 bis 2023) zur Konsultation freigegeben. Eines der darin entwurfsweise festgelegten Ziele ist, Behördenleistungen schweizweit zu digitalisieren.
Vor dem Hintergrund dieser Absichten ist also die öffentliche Hand in der Pflicht, in der Planung und Verwaltung ihrer Infrastrukturen einen digitalen Wandel zu vollziehen. Aktuell tun sich jedoch nur wenige Akteure mit konkreten Absichten hervor. Besonders im Infrastrukturbereich hört man nur ab und an von einzelnen Pilotprojekten – eine wirkliche digitale Revolution bleibt bislang aus. Eine Ausnahme davon bildet zumindest das Programm «BIM@SBB» der SBB.
Auf Behördenseite stehen zwar zwischenzeitlich viele Abläufe als elektronische Prozesse zur Verfügung – eine vollständige Digitalisierung und damit ein Schritthalten mit den Entwicklungen aus der Planungsbranche ist jedoch noch Zukunftsmusik. Ein Beispiel hierfür sind Baubewilligungsverfahren. Während mehrdimensionale BIM-Modelle technisch problemlos möglich sind, stehen digitale Abläufe teilweise noch vor Hürden. Grund dafür ist mitunter die Rechtslage, die gewissermassen immer noch an der letzten Industrialisierungsstufe festhängt und für eine Legalität durchgehend digitaler Verfahren angepasst werden müsste.
Der Weg vom Pilot zum Standard …
Ähnliche Vorwände kann der Infrastruktursektor allerdings nicht vorbringen. Verweigert er sich demnach der Digitalisierung? Nein – oder zumindest nicht direkt. Beispielsweise wickeln Auftraggeber in zahlreichen Kantonen ihre Infrastrukturvorhaben als BIM-Pilotprojekte ab. Auch das Bundesamt für Strassen setzt auf diese Herangehensweise. Hierbei werden Erfahrungen meist im Umfeld herkömmlicher Organisationsformen gesammelt. Oft werden die erforderlichen Kompetenzen bestellt und von einem externen Planer eingebracht.
Das erarbeitete Wissen in die Auftraggeberorganisation zu überführen erfordert entsprechende Konsolidierungs- und Zwischenschritte. Kurzum: Der Weg zur Standardisierung kann lang sein und folgt einem Bottom-up-Ansatz. Demgegenüber können Programme wie beispielsweise «BIM@SBB» als Top-down-Ansatz verstanden werden. Von oberster Führungsebene initiiert und unterstützt, bieten solche Programme die Möglichkeit, die eigene Organisation mit entsprechenden Kompetenzen zu bestücken, vorweg die wesentlichen Anforderungen an Instrumente und Prozesse zu definieren und den Weg zum Standard trotz auch hier erforderlichen Versuchsanwendungen allenfalls zu verkürzen.
… und zur Norm
Diese Betrachtungen sind deshalb relevant, weil die Digitalisierung der Bauwirtschaft letztlich nur mit einer Standardisierung gelingen wird. Ob dabei ein allgemeingültiger Standard für die öffentliche Hand entsteht oder nicht, ist vermutlich zweitrangig.
Unbestritten wird die Digitalisierung aber Auswirkungen auf bekannte Abläufe und damit auf das existierende Normen- und Regelwerk haben. Auftraggeber werden parallel zur eigenen Methodenkompetenz ein Bedürfnis zur normativen Formulierung ihrer digitalen Ansprüche entwickeln. Indessen ist es wichtig, dass Auftraggeber in aktuellen Vorhaben ihre Anforderungen an die BIM-Methode zumindest gegenüber den Auftragnehmern definieren können und so ihre Bestellerkompetenzen auf Augenhöhe mit dem Digitalisierungs-Know-how der Planenden und Ausführenden bringen.
Eine Frage der Definition
Standardisierung bedeutet aber vor allem auch, ein gemeinsames Verständnis der BIM-Methode an sich zu haben. Laut Umfrage der Kammer unabhängiger Bauherrenberater ist jedoch nur knapp ein Drittel der Befragten in der Lage, eine markt- und normenkonforme Definition von BIM zu nennen. Im Kontext der eingangs geschilderten Marktbeurteilung wirkt das merkwürdig. Das Umfrageergebnis relativiert zwar nicht die Einschätzung, dass Planende und Ausführende wohl fit für die digitale Transformation sind.
Doch vermutlich ist die Branche gesamthaft noch weiter von der Standardisierung der BIM-Methode entfernt, als ihr bewusst ist. Umso wichtiger scheint, dass sich Auftraggebende und Auftragnehmende eingehend verständigen, wenn es um die Bestellung und Anwendung der BIM-Methode geht. Genauso wenig, wie aus Sicht eines Auftraggebenden eine undifferenzierte BIM-Bestellung zielführend ist, macht das Anbieten pauschaler BIM-Dienstleistungen aus Sicht eines Auftragnehmenden Sinn.
Immerhin haben sich das Merkblatt SIA 2051 oder die Arbeitshilfen von bauen digital Schweiz mittlerweile als praxisorientierte Verständigungsinstrumente in die digitale Planung einbringen können und damit eine erste Grundlage zur Standardisierung geschaffen.
Alles BIM oder was?
Insgesamt also sind die planende und die ausführende Branche methodisch mit einzelnen Ausnahmen bereit für eine digitale Transformation. Auch sind die Auftraggeberkompetenzen im Immobiliensektor spürbar im Aufbau, derweil der Infrastrukturbereich noch gewisse Zurückhaltung übt. Generell steigt aber die Nachfrage nach BIM-Dienstleistungen an. Bleiben schliesslich die Behörden, die teils durch die bestehende Gesetzgebung gebremst werden. Die Digitalisierung und BIM schreiten also grosso modo nach eidgenössischem Plan voran, und die wesentlichen Herausforderungen sind bekannt.
Strategie «Digitale Schweiz»
www.bakom.admin.ch
E-Government-Strategie Schweiz 2020–2023
www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-75563.html
SIA-Merkblatt 2051: Grundlagen zur Anwendung der BIM-Methode (SIA-Shop)
www.shop.sia.ch/normenwerk
Arbeitshilfen von bauen digital Schweiz
www.bauen-digital.ch/de/produkte/downloads
Umfragen: BIM in der Praxis
Die BIM-Umfrage 2018 der Schweizerischen Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen (usic) stellte fest, dass mittlerweile mehr als die Hälfte der insgesamt 175 umfrageteilnehmenden Mitglieder BIM anwenden. Damit hat gegenüber der Vorjahresumfrage eine Trendwende stattgefunden. Bei grösseren Unternehmen (mit mehr als 49 Mitarbeitenden) sind es gar nur rund 3 %, die noch nie die BIM-Methode angewendet haben. Die gleiche Tendenz zeigt sich in einer Selbsteinschätzung der Teilnehmenden bezüglich ihrer BIM-Kompetenzen; beinahe 70 % der Befragten geben an, über mittlere oder hohe Kompetenzen im Bereich BIM zu verfügen. Als Treiber der BIM-Methode werden von einer knappen Mehrheit private Auftraggeber genannt.
Ein ähnliches Bild liefert eine Umfrage der Beratungsfirma pom+ im Auftrag der Kammer unabhängiger Bauherrenberater (KUB) aus demselben Jahr. Ihre Situationsanalyse (349 Teilnehmende) zu BIM in der Schweizer Immobilienwirtschaft kommt zum Schluss, dass die BIM-Methode vermehrt und hauptsächlich bei grösseren Neubauprojekten angewendet wird. Mit eindeutiger Mehrheit (60 %) werden von den Umfrageteilnehmenden Bauherren, Bauherrenberater und Bauherrenvertreter als Treiber von BIM identifiziert. Eine Aufschlüsselung, ob es sich um private oder öffentliche Bauherren handelt, liegt nicht vor.
Neben diesen Umfrageergebnissen ist insbesondere interessant, wie die Befragten BIM definieren und welche Relevanz sie der Methode zuschreiben. Laut KUB-Umfrage waren lediglich 32 % der Befragten in der Lage, aus einer Auswahl verschiedener Formulierungen eine markt- und normenkonforme Definition von BIM zu nennen. Auch zeigte sich gewisse Skepsis hinsichtlich der Einführung und der Konsequenzen von BIM.
Eine ähnliche Zurückhaltung zeigt sich auch im Kreis der kleineren Unternehmen (mit weniger als 10 Mitarbeitenden), die an der usic-Umfrage teilgenommen haben: Mehr als die Hälfte von ihnen erachten den aktuellen Trend zur Nutzung von BIM als unwichtig oder eher unwichtig.
BIM-Umfrage der usic: www.usic.ch
BIM-Umfrage von pom+: www.pom.ch