Qua­li­tä­ts­si­chern­de Pro­zes­se im Fo­kus

Der SIA revidiert die Ordnungen SIA 142 für Wettbewerbe und SIA 143 für Studienaufträge. Im Rahmen der Vernehmlassung sind zahlreiche
Kommentare zu verschiedenen Fragestellungen eingegangen. Diese muss die Kommission klären, bevor sie die Schlussentwürfe vorbereiten kann.

Data di pubblicazione
07-09-2023
Monika Jauch-Stolz
Presidente della commissione SIA 142/143 per concorsi e mandati di studio paralleli

Im Sinne einer hohen Baukultur trägt eine gebaute Umwelt von hoher Qualität wesentlich zur Bildung einer nachhaltigen Gesellschaft bei», formulierte 2018 die Erklärung von Davos. Daran knüpft der SIA mit seiner Vision «Gemeinsam wirkungsvoll für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum» an. Die Vergabeordnungen des SIA tragen entscheidend zur Umsetzung dieser Vision bei, denn faire und transparente Prozesse bei der ­Beschaffung von intellektuellen Dienstleistungen sind wichtige Faktoren für die nachhaltige Reali­sierung hochwertiger Bauprojekte. Die beiden revidierten Ordnungen SIA 142 und SIA 143 sollen diese qualitätssichernden Prozesse bei der Durchführung von Wettbewerben und Studienaufträgen auch in Zukunft sicherstellen.

Auslöser für die Revision

Alle fünf Jahre ist eine Kommission laut SIA-Reglementen dazu angehalten, die Ordnungen auf ihren Revisionsbedarf zu überprüfen. 2020 stellte die Kommission für Wettbewerbe und Studienaufträge einen Revisionsbedarf für ihre beiden Vergabeordnungen SIA 142 und SIA 143 fest. Dabei trugen folgende Entwicklungen zum Entscheid der Kommission bei: 2017 intervenierte die Weko aus kartellrechtlichen Gründen bei den SIA-Leistungs- und Honorarordnungen und bei zwei SIA-Wegleitungen zu Wettbewerben und Studienaufträgen. 2018 verabschiedeten die Kulturministerinnen und Kulturminister Europas die Erklärung von Davos und der Bund bereitete ein revidiertes öffentliches Beschaffungsrecht vor, mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit und die Durchsetzung des Qualitätswett­bewerbs zu stärken. Zu guter Letzt gewann die Kommission durch ihre Begutachtung von Wettbewerbs- und Studienauftragsprogrammen in den vergangenen zehn Jahren ­Erkenntnisse, die ebenfalls in die Weiterentwicklung der Ordnungstexte einfliessen sollten. Beispielhaft seien hier der Umgang mit Nutzungs- und Änderungsrechten genannt und die in der Praxis oft unbefriedigenden Gesamtleistungsverfahren. 2021 begann die Kommission mit der Arbeit an der Revision. Sie führte dafür eine breit angelegte Umfrage zu ­möglichen Themen unter den SIA-Mitgliedern und den wichtigsten Stakeholdern durch. Die Erkenntnisse aus dieser Umfrage flossen in die Überarbeitung ebenso ein wie die langjährigen Erfahrungen der Kommissionsmitglieder aus ihrem Engagement in Preisgerichten sowie bei der Organisation, Teilnahme und Ausschreibung von Konkurrenzverfahren.

Faire Verfahrensregeln zum Ziel

Die Kommission verfolgte mit der Revision das Ziel, faire und transparente Verfahrensregeln für alle Beteiligten festzulegen sowie effi­ziente, gut vorbereitete, schlanke und offene Verfahren zu fördern. Darüber hinaus definierte die Kommission übergeordnete Themen und Begriffe wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung und fasste gleich zu Beginn der Ordnungstexte unter «Grundsätze» die für sie wichtigsten Prinzipien fairer Verfahren zusammen. Die Kommission stützte sich bei den Inhalten ihrer Ordnungen stets auf die 1877 vom SIA veröffentlichten «Grundsätze über das Verfahren bei öffentlichen Concurrenzen». Diese thematisierten bereits das Urheberrecht, die Zusammensetzung des Preisgerichts und selbst die schlanken Verfahren. Nachfolgende Ordnungstexte – zuletzt diejenigen aus dem Jahr 2009 – bezogen sich deshalb ebenfalls auf diese Grundsätze.

Vernehmlassung bringt neue Erkenntnisse

Die öffentliche Vernehmlassung fand von Anfang Dezember 2022 bis Ende Februar 2023 statt. Es gingen zahlreiche Kommentare von über fünfzig Absenderinnen und Absendern ein. Das zeigt, dass die beiden Ordnungen für die Arbeit aller am Wettbewerbswesen Beteiligten von besonderer Bedeutung sind. Viele Kommentare mahnten dabei eine gendergerechte und inklusive Sprache an. Ebenso wurde deutlich, dass die an der Vernehmlassung teilnehmenden Planerinnen und Planer den Anpassungen, die aus kartellrechtlichen Gründen vorgenommen wurden, äusserst kritisch gegenüberstehen. Ein Schwerpunkt bei den Rückmeldungen zeichnet sich insbesondere bei Artikel 27 «Ansprüche» ab. Die Definition des Folge­auftrags mit einer Festschreibung von Mindestanforderungen wurde hier mehrfach kommentiert. Was ebenfalls erstaunte, waren die zahlreichen Kommentare zur Unabhängigkeit der Jury respektive deren Zusammensetzung. Gerade hier setzte die Kommission auf Bewährtes und sah lediglich kleinere Anpassungen im sprachlichen Bereich vor.

Ausblick

Dass man sich mit einer öffentlichen Vernehmlassung exponiert, erfuhr die Kommission in teilweise äusserst kritisch formulierten Ein­gaben. Auch das gehört bei basisdemokratischen Prozessen dazu. Die Kommission wird selbstverständlich alle Rückmeldungen dazu intensiv diskutieren. In der weiteren Überarbeitung profitiert die Kommission auch von sehr konstruktiven Beiträgen, oder wie es ein Kommissionsmitglied formulierte: «Der Fundus an grossem und nützlichem Wissen, aus dem man durch eine Vernehmlassung schöpft, ist unglaublich.»

Aktuell prüft die Kommission sorgfältig alle Kommentare und wird diese mit einer Collage beantworten. Sie hat die Arbeitsgruppe, die sich intensiv mit der Revision beschäftigt, verstärkt und wird im Zuge dessen die Schlussentwürfe zuhanden der vernehmlassenden Parteien erarbeiten. Da in diversen Punkten noch Klärungsbedarf besteht, möchte sich die Kommission die dafür notwendige Zeit nehmen. Mit der Zustellung der Schlussentwürfe besteht die Möglichkeit zur Einsprache. Nach Ablauf des Einspracheverfahrens entscheidet zuerst die Zentralkommission für Ordnungen (ZO) über die Freigabe des konsolidierten Schlussentwurfs der beiden revidierten Ordnungen. Anschliessend werden die SIA-Delegierten an ihrer jährlichen Versammlung über die revidierten Ordnungen entscheiden. Ob über die Publikationsfreigabe bereits an der Delegiertenversammlung 2024 abgestimmt werden kann oder erst 2025, wird sich im Laufe dieses Herbstes zeigen.

Das SIA-Ordnungswerk


Zu den Publikationen des SIA-Normenwerks gehören Normen, Ordnungen und Merkblätter. Ordnungen sind normative Publikationen, die von einem Gremium des SIA nach einem anerkannten Prozess gemäss internationalen Vorgaben erarbeitet werden. Ordnungen können Vertragsnormen oder Verständigungsnormen sein.

 

Um sicherzustellen, dass das SIA-Normenwerk dem aktuellen Stand entspricht, sind Ordnungen periodisch, mindestens jedoch alle fünf Jahre, durch die verantwortlichen Kommissionen zu überprüfen. Die Ordnungen SIA 142 für Wettbewerbe und SIA 143 für Studienaufträge gehören zu den Vertragsnormen. Sie beschreiben zum einen den Beschaffungsprozess und erhalten zum anderen mit der auf ihnen beru­henden Ausschreibung die Geltung von allgemeinen Vertragsbedingungen. Sie können bei der Projektrealisierung zu Vertragsinhalten werden wie andere Vertragsnormen des SIA. Sie regeln somit auch Vertragsverhältnisse und können deshalb unverändert in Aufträge und/oder in Werkverträge übernommen werden.

 

Wie bei allgemeinen Vertragsbedingungen üblich, bedarf es die Bereitschaft zweier oder mehrerer Parteien, diese als rechtsverbindlich anzuerkennen und zum Vertragsinhalt zu machen. Auch aus diesem Grund ist die Zusammensetzung der Ordnungskommissionen stets paritätisch und ausgewogen. Denn nur so ist gewährleistet, dass alle Beteiligten – vom Teilnehmenden bis zur Auftraggeberin – zu Wort kommen. Die Wahrung der Interessen aller ist notwendig, damit das SIA-Ordnungswerk in der Praxis akzeptiert und breit angewendet wird. (sia)

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