Fo­rum mit wür­di­ger Ku­lis­se

In den Gemäuern einer der besterhaltenen Johanniterkomtureien Europas fand die vierte Ausgabe der «Bauplattform Denkmalpflege» statt; ein Anlass im kleinen Rahmen, der interessante Inhalte bietet und den niederschwelligen Austausch fördert.

 

Publikationsdatum
11-10-2023

Der älteste Teil des Ritterhauses in Bubikon ZH datiert zurück ins 12. Jahrhundert. Die Gebäude der ehemaligen Johanniterkomturei gehören seit 1938 der Ritterhausgesellschaft Bubikon, einem Verein, der die Anlage unterhält und darin ein Museum betreibt. Für eine Austauschplattform zum Thema Denkmalpflege bietet der seit 1959 unter Denkmalschutz stehende Gebäudekomplex also eine ideale Kulisse. Sich dessen wohl bewusst organisierte das IABP (Institut für angewandte Bauphysik AG) dort die «Bauplattform Denkmalpflege» und stellte ein abwechslungsreiches Programm zusammen.

Denkmäler – Orte im erlebten Raum

Zunächst erläuterte der Architektur- und Kunsthistoriker Dieter Schnell, warum uns historische Bauwerke wichtig sind und nahm dabei die rund 60 Veranstaltungsteilnehmer mit auf eine Gedankenreise. Ausgehend von einer kurzen Einführung in die von Otto Friedrich Bollnow (1903–1991) naturwissenschaftlich-philosophisch formulierte Definition des «erlebten Raums» kam er auf die einstige Bedeutung des Bauens zu sprechen. Denn bis zum Buchdruck waren Bauwerke eine entscheidende Form, um entweder sich selbst oder seine Gedanken zu verewigen und Geschichten zu erzählen – Bauten schaffen einen Ort im Raum und machen diesen überhaupt erst erlebbar, so der Referent.

Aber was hat das alles mit Denkmalschutz und Denkmalpflege zu tun? Nun: Die Architektur schafft seit jeher solche Orte, die als konkretes Gebäude eine Geschichte über die erlebte Zeit erzählen. Zum Beispiel die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin: Wäre das Bauwerk im Zweiten Weltkrieg nicht stark beschädigt worden, wäre es heute als Baudenkmal wesentlich unbedeutender.

Holzrestaurierung als Spagat

Im Folgereferat berichteten zwei Restauratoren über ihren Berufsalltag im Spannungsfeld zwischen Dokument- und Gebrauchscharakter historischer Gegenstände. Zum Verständnis zeigten sie zwei Holzrestaurierungsobjekte: eine Schublade, die zwar keinen Gebrauchswert mehr hat, aber historisch sehr bedeutend ist und einen Tisch, der ebenfalls historisch wertvoll ist, dessen Gebrauchswert für die Besitzer im Alltag aber eine bedeutendere Rolle spielt.

Ein Konflikt entsteht dann, wenn der Dokumentcharakter die freie Verfügbarkeit oder Nutzung eines Gegenstands einschränkt. Die beiden Referenten sehen sich in ihrer Tätigkeit als Anwälte der betroffenen Objekte. Sie versuchen, das Spannungsfeld ihrem Berufsethos folgend zur Zufriedenheit aller als Handlungsfeld zu nutzen, respektive mit Fachwissen, Mediation und Austausch eine Brücke zu schlagen zwischen den Bedürfnissen des Besitzers und den Dokumentansprüchen des Objekts.

Zum Schluss ein bisschen Bauphysik

Im zweiten Teil des Nachmittags gab es zuerst eine nicht nur im Kontext von denkmalpflegerischen Randbedingungen zu verstehende Aufdatierung über die Anwendungsmöglichkeiten und ökologischen Vorteile von Lehmbaustoffen und Lehmplattensystemen. Anschliessend gab Thomas Stahl, einer der beiden Firmengründer des IABP, einen Crashkurs über die physikalischen Eigenschaften von Beschichtungen – also Stoffen, die beispielsweise zur Farbgebung, zum Schutz oder zur Konservierung von Bauteilen und Bauwerken dienen.

→ Ein Interview zum Thema Bauforensik mit Thomas Stahl finden Sie hier.

Er resümierte seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass ebendiese Eigenschaften stets mit den denkmalpflegerischen Anforderungen der jeweiligen Objekte in Einklang zu bringen seien und es dafür Abklärungen zwischen allen Beteiligten brauche.  Ausserdem erinnerte er daran, dass historisch ausgeführte Handwerkstechniken eine andere Nutzungsdauer haben als moderne Anstrichsysteme.

Somit bot die «Bauplattform» vier kurzweilige Referate von der Relevanz der Architektur für die Definition des Orts in Zeit und Raum über einen Beitrag zur Gratwanderung bei der Holzrestaurierung  und die aktuellen Einsatzmöglichkeiten von Lehmbaustoffen bis hin zu einer «Vorlesung» in Sachen Bauphysik. Die Veranstaltung zeigte einmal mehr, wie vielfältig, interdisziplinär und herausfordernd denkmalpflegerische Aufgaben sind und lieferte damit viel Gesprächsstoff für den abschliessenden, kulinarisch begleiteten Austausch unter den Teilnehmenden, den Referenten und den Veranstaltern.

Präsentationen und Impressionen der «Bauplattform Denkmalpflege» 2023 gibts hier.

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