Re-use am Bau

Für eine zirkuläre Bauwirtschaft ist die Wiederverwendung von ganzen Bauten, Bauteilen und ­Materialien zentral. Eine Kategorisierung von Beispielen erleichtert den Überblick über aktuelle Umsetzungen in der Praxis und zeigt zukünftige Strategien im Umgang mit Re-use auf. 

Publikationsdatum
29-08-2019

Sei es aus funktionalen, ästhetischen oder energetischen Gründen – Gebäude haben heute eine immer kürzere Halbwertszeit. Oft wird die Anpassung eines nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprechenden Baus als zu aufwendig und ökonomisch nicht vertretbar erachtet – deshalb kommen nur Abbruch und Ersatz infrage. Teile des Abbruchmaterials werden dann einem mehr oder weniger aufwendigen Recycling unterzogen und der Rest auf der Deponie entsorgt.

Dazu sind grosse Mengen an Energie notwendig, und zusätzlich wird die graue Energie des Materials vernichtet. Es erstaunt also nicht, dass Planende sich wieder vermehrt mit der jahr­tausende­alten und bis ins 20. Jahrhundert selbstverständlich verbreiteten Praxis auseinandersetzen, Materialien, Bauteile oder ganze Gebäudeteile wiederzuverwenden.

Grundlage des nachhaltigen Bauens ist das Modell der zirkulären Wirtschaft. Es beruht darauf, Ressourcen so lang wie möglich im Umlauf zu halten. Vier Prozesse können für den Baubereich definiert werden:

  • Reduce ist der Verzicht – gemeint sind die effiziente Material­nutzung und die Abfallvermeidung.
     
  • Remanufacture bedeutet, Produkte wiederverwendbar zu machen und sie in einen so gut wie neuen Zustand zu überführen, indem Komponenten repariert bzw. ersetzt werden. Dies bedingt einen Schichtenaufbau nach der erwartbaren Lebensdauer.
     
  • Beim Recycling hat das neue Material nach dem Aufbereitungsprozess dieselben Qualitäten wie das Ausgangsmaterial (v. a. monomaterielle Baustoffe). Baustoffe wie Flachglas oder Beton hingegen sind nur unter Qualitätsverlust weiterverwertbar, es findet ein Downcycling statt. Durch Upcycling kann ein Produkt – z. B. aufbereiter Stahlaltschrott – die Qualität des Ausgangsproduktes sogar übertreffen.
     
  • Re-use sollte in der Logik der Abfallverwertung an erster Stelle, direkt nach Reduce, stehen und wird im Folgenden genauer betrachtet. Im Baubereich lassen sich grob vier Kategorien der Wiederverwendung unterscheiden. Sie sind oft nicht streng voneinander trennbar und überschneiden sich teilweise, da fast jede Wiederverwendung einen Spezialfall darstellt. Struktur vor Ort wiederverwenden

Aufstockungen und Nachverdichtungen schonen auf städtebaulicher Ebene Ressourcen und verhindern einen Abbruch. Renovationen und Umbauten mit oder ohne Funktionsänderungen sind Wiederverwendungen vor Ort. Dabei kann auch ein Rückbau bis auf die Struktur (beispielsweise aus energetischen Gründen) sinnvoller sein als ein Neubau.

Eine massive Struktur aus Backstein, Beton oder Naturstein ist nur vor Ort wiederverwendbar. Ein historisches Beispiel ist der antike Diokletianspalast in Split. Seit Jahrhunderten bildet er die Grundstruktur für Häuser und Gassen, die die Bewohner laufend ergänzen und transformieren. Aber auch aktuelle Beispiele loten die Grenzen der Wiederverwendung von Massivbauten aus und machen diese durch minimale Eingriffe zum Entwurfsthema.

Der Stahlbau eignet sich ebenfalls für die Wiederverwendung vor Ort: Einerseits ermöglichen die serielle Bauweise und die Filigranität von Stahlskelettbauten die einfache Anpassung dieser Gebäude an neue Bedürfnisse. Andererseits können Gebäude unterschiedlicher Konstruktionsarten mithilfe von Stahl ertüchtigt werden. Holzgebäude in ländlichen Gegenden wie Scheunen, Ställe und Wohnbauten werden wegen ihrer Patina und Geschichte geschätzt und häufig umgebaut.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 35/2019 «Gebrauchte Teile für neue Bauten»

In der steeldoc-Ausgabe 2/19 werden Projekte zur Thematik Re-use vorgestellt:

  • Wiederverwendung eines ganzen Gebäudes: Belvedere 21, Wien
  • Wiederverwendung von Gebäudeteilen: Wohnatelier auf dem Kesselhaus, St. Gallen
  • Wiederverwendung von Komponenten: Aufstockung Kopfbau Halle 118, Winterthur/ La Cuisine, Winnipeg (CDN) Design for Disassembly
  • Design für Demontage: Zwei Beispiele aus den Niederlanden: Green House, Utrecht, Temporary Courthouse Amsterdam

Weitere Infos: www.szs.ch/steeldoc

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