Boden unter Druck
Die immer häufiger im Wald eingesetzten schweren Forstmaschinen stellen ein Risiko für die Waldböden dar. Der Klimawandel könnte das Problem verschärfen.
Zur rationellen Bewirtschaftung des Waldes sind Maschinen unentbehrlich. Seit einigen Jahren kommen im Schweizer Wald zunehmend schwere Forstmaschinen für die Holzernte zum Einsatz. Damit steigt das Risiko von Bodenschäden, insbesondere einer Bodenverdichtung.
In verdichteten Böden sind das Volumen und die Vernetzung der Porenräume verringert. Dadurch wird der Luft- und Wassertransport, der für das Leben im Boden und das Wachstum der Bäume essenziell ist, eingeschränkt. Als Folge davon nimmt die Bodenfruchtbarkeit ab. Ein Waldbesitzer, der seine Böden verdichtet, gefährdet seine Produktionsgrundlage.
Spurtypen als Gradmesser
Der Sturm «Lothar» brachte im Dezember 1999 etwa 13 Mio. m3 Holz zu Boden, was etwa der dreifachen Menge einer normalen Jahresnutzung entspricht. Bei der Räumung der Flächen kamen erstmals Forstmaschinen von bis zu 30 t in grossem Stil zum Einsatz, was zu gravierenden, teilweise flächigen Bodenschäden führte. Das Problem der Bodenverdichtung gelangte allmählich ins Bewusstsein der Förster und führte unter anderem zum Projekt «Physikalischer Bodenschutz im Wald» der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und dem Bundesamt für Umwelt (20052013).
Ein für die forstliche Praxis wichtiges Ergebnis sind die drei definierten Spurtypen. «Mit den Spurtypen haben die Bodenschäden ein Gesicht bekommen», sagt Peter Lüscher von der WSL. Sind wie beim Spurtyp 1 lediglich Reifenabdrücke sichtbar, sind keine Schäden zu erwarten. Beim Spurtyp 2 beginnt sich der Boden zwar zu verformen, die Auswirkungen sind aber auf die oberste Schicht beschränkt. Der Spurtyp 3 reicht hingegen tiefer in den Boden und zeichnet sich durch seitliche Aufwölbungen von herausgequetschtem Bodenmaterial aus.1
Nicht alle Böden reagieren gleich empfindlich auf Druck. Zudem spielt die Bodenfeuchte eine entscheidende Rolle: je höher der Wassergehalt im Boden, desto geringer die Reibungskräfte zwischen den Bodenteilchen, was zu einer verminderten Tragfähigkeit führt. Normal durchlässige Böden, etwa Braunerden, können in der Regel drei bis fünf Tage nach einem Niederschlagereignis wieder befahren werden.
Veränderung der Mikrobiologie
Wie aktuelle Untersuchungen zeigen, reagieren auch Pilze und Bakterien auf die Verdichtung. Als die mengenmässig wichtigsten Organismen in Böden spielen sie beim Ab- und Umbau von organischen Substanzen eine wichtige Rolle. Beat Frey und Martin Hartmann von der WSL nutzen genetische Methoden, um die mikrobiellen Lebensgemeinschaften zu untersuchen. Das aus Bodenproben extrahierte Erbgut wird im Labor analysiert.
Um ein präziseres Bild von den Auswirkungen der Bodenverdichtung auf die mikrobielle Artenzusammensetzung zu bekommen, führten die Wissenschaftler im thurgauischen Ermatingen und in Heiteren bei Bern je ein Befahrungsexperiment durch. Dabei legten sie Fahrspuren entsprechend den drei Spurtypen an. Insgesamt habe man anhand von Gensequenzen auf den beiden Untersuchungsflächen rund 7000 Arten identifiziert, sagt Frey. Die Ergebnisse zeigen, dass mechanische Belastungen den Wasser- und Gashaushalt im Boden verändern.
An sauerstoffarme Verhältnisse angepasste Bakterienarten werden begünstigt, was zur Bildung von Lachgas und Methan führt. Bei sehr starker Verdichtung verschwinden nicht nur die auf Sauerstoff angewiesenen Bakterien, sondern auch die für das Baumwachstum wichtigen Mykorrhizapilze. Stattdessen breiten sich Fäulnispilze aus.
Ökonomische Relevanz
Es ist somit ein Gebot der Stunde, Bodenverdichtungen bei der Holzernte möglichst zu vermeiden. Und es gibt Möglichkeiten, den Boden zu schützen. Eine einfache, aber äusserst wirksame Massnahme besteht beispielsweise darin, den Reifeninnendruck der Pneus zu senken. Die Frage, wie viel die Massnahmen zum Schutz des Bodens wirklich kosten und was dies für die Wettbewerbsfähigkeit der Holznutzung bedeutet, ist hingegen erst wenig untersucht.
Unter günstigen Verhältnissen verteuerten Bodenschutzmassnahmen den Holzernteaufwand lediglich um etwa 1 %, sagt Oliver Thees von der WSL. Bei schwierigen Verhältnissen steige dieser Anteil aber auf 10 % oder mehr an. Ein Problem aus Sicht des Waldeigentümers bestehe darin, dass er unter starkem Kostendruck stehe und die Kosten der Bodenschutzmassnahmen infolge zu geringer Marktmacht nicht auf die Holzkäufer abwälzen könne, so Thees. Dennoch würden in der Regel Massnahmen ergriffen. Zum einen müssten die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Und zum anderen reagiere die Bevölkerung bei Schäden an Bäumen und am Boden im Wald sehr sensibel.
Der Klimawandel könnte das Problem verschärfen. Wärmere Temperaturen und feuchtere Bodenverhältnisse in den Wintermonaten, der Hauptschlagzeit des Holzes, bedeuten ungünstigere Rahmenbedingungen für die mechanisierte Holzernte. Einen Vorgeschmack dafür lieferte das Frühjahr 2013, als aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse der Holzeinschlag über Wochen praktisch zum Stillstand gekommen war.
Und so wie es im Moment aussieht, könnte sich in den nächsten Wochen die Situation wiederholen. Waldböden im Aargau Der Kanton Aargau geht beim Bodenschutz im Wald mit positivem Beispiel voran. Seit 2009 liegt eine flächendeckende Verdichtungsrisikokarte als Grundlage für die Planung der Holzschläge vor. Demnach gilt knapp ein Drittel der Aargauer Waldbodenfläche als empfindlich.
Für die Umsetzung des Bodenschutzes im forstlichen Alltag ist das Verhalten des Forstpersonals entscheidend. «Es geht in erster Linie darum, die Maschinisten für die Sache zu gewinnen», ist Kantonsförster Alain Morier überzeugt. Aus diesem Grund investierte man im Aargau in die Weiterbildung. Das Kernstück für die praktische Umsetzung des Bodenschutzes bilden die Aargauer Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald. Diese halten einen fachlich breit abgestützten Standard fest. Die Empfehlungen wurden vom Aargauischen Försterverband, vom Forstunternehmerverband der Region Aargau, vom Aargauischen Waldwirtschaftsverband und von der Abteilung Wald des Kantons Aargau gemeinsam erarbeitet und verabschiedet.2
Vor einigen Jahren startete der Fachverein Wald des SIA ein Projekt mit dem Ziel, Standards für die Waldbewirtschaftung auszuarbeiten. Der Bodenschutz bei der Holzernte ist eines der Themen, das aufgegriffen werden sollte. Weil man sich mit den Trägerverbänden der Waldwirtschaft bisher aber nicht über die Inhalte einigen konnte, kommt das Projekt kaum vom Fleck. Der Druck für verbindliche Standards ist offenbar noch nicht gross genug. Ein aktives Vorgehen der Branche könnte aber sehr wohl in ihrem eigenen Interesse liegen. Im Rahmen der Waldpolitik 2020 ist der Bodenschutz nämlich explizit erwähnt (vgl. Kasten). Hapert es mit dessen Umsetzung, ist es Aufgabe des Forstdienstes, das Gesetz durchzusetzen.
Der Schutz der Ressource Boden
Fruchtbare Böden sind eine wertvolle Ressource. Die Bodenbildung ist ein langsamer Prozess, und die Böden, die wir nutzen, sind über viele Jahrhunderte entstanden. Sind Böden einmal verdichtet oder mit Schadstoffen angereichert, kann es sehr lange dauern, bis sie sich wieder regeneriert haben. Ihrem Schutz als Lebensgrundlage für künftige Generationen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Der Bodenschutz ist primär im Umweltschutzgesetz sowie der Verordnung über die Belastungen des Bodens verankert. Aber auch die kürzlich vom Bundesrat verabschiedete Waldpolitik 2020 trägt dem Schutz der Waldböden Rechnung. So lautet eines der Ziele, dass Waldböden, Trinkwasser und Vitalität der Bäume nicht durch Stoffeinträge, unsachgemässe Bewirtschaftung und entsprechende physikalische Einwirkungen gefährdet werden.
Anmerkungen
- Merkblatt für die Praxis: Physikalischer Bodenschutz im Wald, Nr. 45, August 2010, WSL
- Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald, 29.06.2011