Der gerechte Preis
Über Wohnbaupolitik, Genossenschaften und Architektur
Kostengünstiger und qualitätsvoller Wohnraum war das Thema an der Jahrestagung des Wohnforums der ETH Zürich. Die Veranstaltung im Zürcher Kongresshaus stiess auf grosse Resonanz – der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt.
Doch neben dem Thema gab es noch mindestens zwei weitere Gründe für die stattliche Teilnehmerzahl: Die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ), ein Hauptpartner der Jahrestagung, feierte ihr 100-jähriges Jubiläum und das Wohnforum selbst immerhin sein 25-jähriges Bestehen. Das Thema des Anlasses umriss Marie Glaser, die Forumsleiterin eingangs, indem sie erklärte, dass der gerechte Mietzins mit einem Drittel des Nettoeinkommens deklariert werde. Viele Haushalte bezahlen jedoch mehr. Was für gutverdienende tragbar sei, wäre für weniger gut Situierte ein Problem: Die Altbausubstanz in Städten werde abgerissen und durch Neubauten ersetzt, die sich in der Regel am oberen Preissegment orientieren.
Keine Abstriche zumutbar
Der erste Referent, Niko Paech schilderte eindrücklich was «Nachhaltige Bauwirtschaft im Fokus der Postwachstumsökonomie» bedeutet. In Zusammenhang mit dem Ziel, in Zukunft nur noch 2.7 t CO2 pro Person anstatt wie heute mehr als 10 t, zu produzieren, erläutert er den Mythos der erneuerbaren Energien: Diese gingen von der Hoffnung aus, man müsse den Menschen keine Abstriche zumuten. Er plädierte für den Umbau der vorhandenen Gebäudesubstanz und eine Gesellschaft mit 20 Stunden Woche und mehr Zeit für subsidiäre Leistungen.
Die weiteren Beiträge am Wohnforum gingen auf die interdisziplinären Aspekte des kostengünstigen Wohnungsbaus ein; im Fokus standen architektonische und städtebauliche Massnahmen aber auch ökonomische Überlegungen. Einzelne Referate gaben Einblick in Gepflogenheiten und Entwicklungen des genossenschaftlichen und sozialen Wohnungsbaus in der Schweiz und in anderen Ländern. Viviane Regout aus Holland erzählte über kostengünstiges Wohnen in Holland bei «Ymere Social Housing». Kathleen Scanlon aus London ging der Frage nach, ob Sozialwohnungen in teuren Städten eine Lösung für günstigen Wohnraum seien. Typenbauten waren unter anderem das Thema von Thomas Krebs, SAGA aus Hamburg. Er beschriebt sie als pragmatische Lösungen, bei denen zwar die kontextbezogene Architektur eine Nebenrolle spielt, dafür aber schnell grosse Wohnflächen, etwa für Flüchtlinge erstellt werden können. Peter Schmid, ABZ-Präsident, erläuterte die Bedeutung des gemeinnützigen Wohnbaus für die Gesellschaft und Volkswirtschaft der Schweiz. Er ging darauf ein, wie günstige Mieten entstehen und welche Rolle dabei die Wohnbauförderung spielt.
Kosten sparen, Raum gewinnen
Eine spannende Perspektive zeigte Jean-Philippe Vassal von Lacaton und Vassal Architekten auf. Das transformierte Wohnhaus «Jardins Nepperts» in Mulhouse, Elsass, veranschauliche, wie man durch Umbauten beachtliche Kosten spart und trotzdem 50 % mehr Wohnraum gewinnt.
Zum Schluss blieben neue Erkenntnisse, Inspirationen und Fragen. Sicher ist vor allem eines: Die Verhältnisse lassen sich nicht von einem Modell in ein anderes übertragen, weil jede Situation und jedes Land ihr eigene Ausgangslage hat. Wie Dietmar Eberle zusammenfasste – es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Werten.
Die Vorträge der Jahrestagung Wohnforum ETH Zürich 2016 zum Download