Der Ha­gneck­ka­nal in neu­em Kleid

Mit dem Hagneckkanal zwischen Aarberg und dem Bielersee ist das Herzstück der Juragewässerkorrektion in Rekordzeit erfolgreich saniert worden. Das breit abgestützte Projekt liess sich ohne eine einzige bauverzögernde Einsprache realisieren.

Publikationsdatum
07-09-2015
Revision
22-11-2015

Vor zehn Jahren - am 22. und 23. August 2005 – standen grosse Teile der Schweiz unter Wasser. Auch der Hagneckkanal, der das Wasser der Aare von Aarberg in den Bielersee leitet, war randvoll. Es fehlte nicht viel, und die Dämme hätten den Wassermassen nicht mehr standgehalten. In den Dammkronen bildeten sich Risse – ein Alarmzeichen höchster Stufe.

Zehn Jahre später präsentiert sich der Hagneckkanal in einem neuen Kleid. Das altersschwache Bauwerk ist in Rekordzeit erneuert worden. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 42 Mio. Franken.

Barbara Egger-Jenzer, die Vorsteherin der Direktion für Bau, Verkehr und Energie des Kantons Bern, zeigte sich an der offiziellen Eröffnungsfeier am 22. August 2015, die gleichzeitig auch ein Fest für die Bevölkerung war, sehr erfreut und lobte die Sanierung des Hagneckkanals als eine politisch aussergewöhnlich reife Leistung. Sie äusserte auch die Hoffnung, dass man sich doch bei anderen Sanierungsprojekten an den Hagneckkanal erinnern möge.

Womit klar ist: Nicht überall läuft es so rund wie im Berner Seeland. Die Realität ist vielmehr, dass bei solchen Projekten mit harten Bandagen gestritten wird - vor allem über das zusätzlich benötigte Land; zunehmend ergeben sich aber auch Konflikte mit der Nutzung des Grundwassers zur Trinkwassergewinnung.

Die Aorta des Aaresystems

Für das Fachpublikum fand bereits vor dem Eröffnungsfest eine Tagung statt. Dabei lag der Fokus auf den spannendsten Aspekten des Projektes sowie den Erfolgsfaktoren. Bernhard Schudel, Abteilungsleiter im Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern, rief die zentrale Bedeutung des Hagneckkanals für die Juragewässerkorrektion in Erinnerung und verglich diesen mit der Aorta.

Die Aare floss früher am Bielersee vorbei. Bei Hochwasser überschwemmte sie das flache Land und behinderte den Ausfluss des Bielersees. Abhilfe schuf erst die Juragewässerkorrektion.1 Ab 1878 wurde das Wasser der Aare in den Bielersee umgeleitet; dieser diente fortan zusammen mit dem Neuenburger- und Murtensee als Rückhaltebecken.

Damit wurde nicht nur die Hochwassergefahr vermindert. Aus 350 km2 ehemaligem Sumpfland entstand ertragreiches Agrarland – das Seeland gilt heute als der Gemüsegarten der Schweiz.

Bereits vor dem Hochwasser im August 2005 habe man mit der Überprüfung der Dämme begonnen, sagte Schudel. 2006 lagen die Ergebnisse vor. Im Falle eines Dammbruchs würden 1100 ha Kulturland, Infrastrukturen und Gebäude überschwemmt; die potenziellen Schäden wurden auf 90 Mio. Franken beziffert.

Anfang März 2007 ereignete sich im Hagneckeinschnitt eine Rutschung. Die Stelle, wo der Kanal den Seerücken durchquert, drohte zu verstopfen. Dieses Ereignis zeigte deutlich auf, dass keine Zeit zu verlieren war.

«Der Hangrutsch und das zweite Hochwasser im August 2007 führte dazu, dass nicht mehr über die Frage diskutiert wurde, ob der Kanal saniert werden muss, sondern wie lange es noch dauert, bis mit der Sanierung endlich begonnen werden kann», resümiert Schudel.

Diese Rahmenbedingungen beschleunigten das Sanierungsprojekt. Zusammen einigte man sich auf folgende Projektziele: Rasche Wiederherstellung der Hochwassersicherheit inklusive besserer Schutz vor extremen Hochwassern, ökologische Aufwertung und Vernetzung der Gewässer sowie Aufwertung des Naherholungsgebietes.

Partizipativer Prozess als Schlüssel

Entscheidend war aber vor allem auch der partizipative Ansatz. Laut Schudel waren die Fronten der Anspruchsgruppen am Anfang sehr verhärtet. Die Landwirtschaft hätte die sofortige Sanierung ohne einen Quadratmeter Land gefordert, während Vertreter des Naturschutzes dynamische Auen und Moorgebiete auf grosser Fläche realisieren wollten.

Dass der Prozess erfolgreich war, lässt sich daran ablesen, dass das Projekt durch keine einzige Einsprache verzögert wurde. Und weil es die Anforderungen des Bundes an das integrale Risikomanagement, eine partizipative Planung und an die Ökologie erfüllt, bewilligte dieser den höchst möglichen Subventionsansatz von 45 %.

Die technischen Grundzüge des Sanierungsprojektes erläuterte Peter Hutzli von der GeoplanTeam AG Hutzli + Kluser. Unter den verschiedenen Sanierungsvarianten schälte sich die gezielte Verstärkung und Erhöhung der Dämme als beste Lösung heraus.

Die Dämme setzen sich in den letzten Jahrzehnten teilweise um bis zu 2.5 m, weil sie auf torfigem Boden gebaut wurden. Für deren Sanierung wählte man ein zweistufiges Profil, bestehend aus den alten Dämmen und einem aussenseitig angesetzten Damm. Damit sich der neue Damm möglichst wenig setzt, trug man die Torfschicht ab und ersetzte diese durch überschüssiges Molasse-Material aus dem Hagneckeinschnitt.

Der Hagneckkanal kann nun 1500 m3 Wasser pro Sekunde sicher ableiten – dies entspricht einem Hochwasser mit einer Wiederkehrdauer von 100 Jahren. Dieser relativ hohe Schutzgrad – bedroht ist vorwiegend Landwirtschaftsland – begründen die Verantwortlichen mit der zentralen Bedeutung des Hagneckkanals für das gesamte Aaresystem.   

Erodierbare Dammkrone für den Überlastfall

Für den Fall, dass mehr als 1640 m3/s abfliessen, also mehr, als der Kanal sicher ableiten kann, ist ein Sicherheitsventil eingebaut. Das Entlastungsbauwerk ist als 300 m lange Überlastsektion konzipiert. Dieser Abschnitt ist mit einer erodierbaren Dammkrone ausgestattet.

Das ausgeleitete Wasser würde über das Grosse Moos in Richtung Broyekanal undd Murtensee abgeführt. Damit die Dammkrone im entscheidenden Moment auch wirklich erodiert, haben die Ingenieure vier Initialbreschen vorgesehen, die im Notfall manuell entfernt werden. Sollte der Überlastfall eintreten, würde der Kanton für die Überflutungsschäden haften. Die Schäden würden aber auf jeden Fall geringer ausfallen, als wenn ein Damm brechen würde.

Über die realisierten Massnahmen im Hagneckeinschnitt berichtete Hanspeter Ris von der GEOTEST AG. Der Durchfluss beim Seerücken in den Bielersee ist in jedem Fall zu gewährleisten. Aufgrund des Verlaufs der Sandstein- und Mergelschichten ergibt sich, dass vor allem die Böschung auf der rechten Seite rutschgefährdet ist.

Die Lösung bestand darin, 190 000 m3 Material abzutragen. Damit besteht nun ausreichend Sturzraum für künftige Abbrüche. Rutschungen finden statt, wenn Wasser in die Schichten eindringt. Elf 50 m lange horizontale Drainagebohrungen sollen das Wasser aus dem Fels möglichst abführen. Einige der Rohre liefern reichlich Wasser. Diese speisen die für Gelbbauchunken und andere Amphibien angelegten Tümpel.

Massnahmen zugunsten der Ökologie sind heute ein gesetzlich vorgeschriebener Bestandteil von Hochwasserschutzprojekten. Für ökologische Aufwertungen standen rund 6 ha Land ausserhalb des Kanalprofils zur Verfügung.

Nach Einschätzung von Christoph Iseli, der bis 2013 für die Planungen im Bereich Ökologie zuständig war, ist das eine eher bescheidene Fläche. Anders sehe es beim finanziellen Aufwand für die ökologischen Massnahmen aus, der sich auf knapp 10 % der Projektkosten beläuft.

Die Gründe für diesen eher hohen Anteil liegen im Umstand, dass es sich beim Hagneckkanal um ein künstliches Gewässer handelt und in der stark genutzten Landschaft; so musste beispielsweise ein Abschnitt einer Starkstromleitung in den Boden verlegt werden.

Ökologische Erfolge bereits sichtbar

Das Filetstück der ökologischen Massnahmen ist zweifellos die 5.5 ha grosse Aufweitung im Epsemoos. Ein neuer Seitenarm schafft vielfältige Lebensräume, unter anderem für Jungfische. Laut Felix Leiser kommen im Abschnitt der Aare von Aarberg bis zum Bielersee 28 Fischarten vor, also rund die Hälfte der in der Schweiz lebenden Fischarten.

Weniger erfreulich präsentierte sich bei der ökologischen Zustandsanalyse hingegen die Situation bei den Amphibien, Reptilien und Insekten. Neu angelegte Flächen mit stehendem Wasser, Magerwiesen, Lesesteinhaufen und naturnahe Ufer werten nun die Lebensräume für diese Arten auf. Erste Erfolge stellen sich ein. So ist etwa ein Brutversuch des Flussregenpfeiffers beobachtet worden. Diese seltene Vogelart legt ihre Eier in kiesige Uferbereiche. Laut Leiser steht der Nachweis einer erfolgreichen Aufzucht aber noch aus.

Für Hans Peter Willi, Chef der Abteilung Gefahrenprävention beim Bundesamt für Umwelt, ist die Sanierung des Hagneckkanals ein vorbildliches Projekt. Neben dem Einbezug der Betroffenen sind für ihn für das Gelingen eines solchen Projektes sorgfältig erarbeitete Grundlagen zentral, denn auf diesen basiere die Interessenabwägung.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Sanierung des Linthwerks vor zwei Jahren ist mit dem Hagneckkanal nun ein weiteres wichtiges Flussbauwerk der Schweiz für die Zukunft gerüstet. Mögen die beiden Projekte als gute Beispiele dienen für die bevorstehenden komplexen Projekte im Rhonetal und am Alpenrhein im Rheintal.

Weitere Informationen: www.be.ch/hagneckkanal

Alle Vorträge der Fachtagung stehen hier zur Verfügung.

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Amt für Wasser und Abfall (AWA)


Planung, Projektierung und Bauleitung
Geoplan Team Hutzli + Kluser, Nidau; Iseli & Bösiger, Biel; Geotest AG, Zollikofen; Niederer + Pozzi, Uznach; Alnus AG, Ins


Ausführung
ARGE SAHA Marti/Jetzer


Controlling/Qualitätsmanagement
ADWEMUE GmbH, Bern


Umweltbaubegleitung
Sigmaplan AG, Bern


Projektpartner
BAFU, Renaturierungsfonds Kanton Bern, BKW Ökofonds

Magazine

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