Graue En­er­gie: Holz- ver­sus Mas­siv­bau

Benötigt ein Massiv- oder ein Holzbau mehr graue Energie? Ein Vergleich

Schneidet ein Holzbau punkto graue Energie und Treibhausgas-emissionen tatsächlich besser ab als ein Massivbau? Am Beispiel des Wohn- und Geschäftshauses an der Badenerstrasse 380 in Zürich, geplant im Sinne der 2000-Watt-Gesellschaft, wurde dies nachgerechnet.

Publikationsdatum
15-01-2012
Revision
25-08-2015

In der Nachhaltigkeitsdiskussion im Baubereich spielt der Werkstoff Holz eine wichtige Rolle. Allgemein wird davon ausgegangen, dass durch einen vermehrten Einsatz von Holz als Baumaterial die graue Energie und die Treibhausgasemissionen von Gebäuden deutlich reduziert werden können. Bis anhin gibt es jedoch nur wenige quantitative Vergleiche zwischen Leicht- und Massivbau. Aus diesem Anlass wurden die graue Energie und die Treibhausgasemissionen des Gebäudes an der Badenerstrasse 380 in Zürich (vgl. TEC21, 23/2010) berechnet und mit einer rechnerischen Massivbauvariante verglichen. Der Holzbau der Baugenossenschaft Zurlinden wurde von den Zürcher pool Architekten geplant und 2010 fertiggestellt. Das Gebäude mit einer Migros-Filiale im Erdgeschoss und 54 Wohnungen in den sechs Obergeschossen besteht aus sechs versetzten Baukörpern. Diese sind aus lärm-schutztechnischen Gründen nur mässig kompakt. Um den materiellen Mehraufwand, der durch die Gebäudeform entstand, zu kompensieren, wurden die Wohngeschosse in Leichtbauweise erstellt. Die Treppenhäuser sind aus brandschutztechnischen Gründen in Beton konzipiert. Für die Aussenwände wurde eine Massivholz­konstruktion mit einer äusseren Bekleidung aus 15 mm dicken Glasfaserbetonelementen gewählt. Bei der Berechnung der grauen Energie und der Treibhausgasemissionen wurden aufgrund der Vergleichbarkeit der Resultate mit anderen Wohngebäuden nur die sechs Wohngeschosse und ein Untergeschoss berücksichtigt. Das Erdgeschoss mit dem Grossverteiler und das öffentliche Parkgeschoss wurden ausgenommen. Durchgeführt hat die Berechnungen das am Bau selbst nicht beteiligte Büro für Umweltchemie mit der Software Grisli1. Diese enthält 842 Standardbauteile und Haustechniksysteme. Die Bauteile wurden nach der im SIA-Merkblatt 2032 «Graue Energie von Gebäuden» beschriebenen Methodik mit Datensätzen aus ecoinvent v2.2 berechnet.2 Gemäss SIA 2032 wurden die Transporte zur Baustelle, der Baustellenbetrieb sowie die Baustellenabfälle vernachlässigt. Um das Gebäude an der Badenerstrasse mit einer Massivbau-variante vergleichen zu können, wurden die Decken, Dach-, Aussen- und Innenwandkonstruktionen durch entsprechende Konstruktionen in Beton oder Backstein ersetzt, wobei die U-Werte der Aussenwand- und Dachkonstruktionen in beiden Varianten identisch sind. Ebenfalls identisch sind die Fenster, die Haustechnik sowie das Gebäude unter Terrain.

Holzbau schneidet besser ab

Die Ergebnisse zeigen einen relativ geringen Unterschied in der grauen Energie zwischen beiden Varianten: Die im Holzbau enthaltene graue Energie beträgt 106 MJ pro m2 EBF und Jahr, diejenige des Massivbaus 113 MJ/m2a. Der unverbindliche Richtwert für die graue Energie von Effizienzpfad-kompatiblen Wohnbauten liegt bei 110 MJ/m2a.3 Beim Holzbau weisen Decken, Innenwände, Aussenwände und Balkone weniger graue Energie auf als in der Massivbauvariante. Jedoch ist die graue Energie des Innenausbaus aufgrund der notwendigen Verkleidungen mit Gipskarton- und Gipsfaserplatten etwas höher als beim Massivbau. Der Anteil der Haustechnik an der grauen Energie des gesamten Gebäudes ist bei beiden Bauweisen mit rund 20 bis 25 % am bedeutendsten. Die Resultate bei den Treibhausgasemissionen sind vergleichbar mit jenen der grauen Energie, jedoch ist der Unterschied zwischen Holz- und Massivbau grösser.4 Die Treibhausgasemissionen bei der Holzbauweise liegen bei tiefen 7.4 kg/m2a, jene der Massivbauvariante bei 8.5 kg/m2a. Die Massivbauvariante erreicht damit genau den ­unverbindlichen Richtwert für die grauen Treibhausgasemissionen von Effizienzpfad-kompatiblen Wohnbauten. Im Detail lassen sich die Unterschiede zwischen Holz- und Massivbau bezüglich ­grauer Energie und Treibhausgasemissionen anhand eines Vergleichs der Aussenwandkonstruktionen exemplarisch zeigen. Die niedrigeren Werte der Aussenwandkonstruktion im Holzbau sind vor allem auf die Unterschiede zwischen der Tragwand aus Kantholz und der Backsteinwand zurückzuführen.5 Der Unterschied bei der Tragkonstruktion wird aber durch einen erhöhten Aufwand an Verkleidungen der Holzbohlen im Innenbereich (Brandschutz) etwas kompensiert. Auch hier sind die Einsparungen durch die Holzbauweise bei den Treibhausgasen bedeutender als bei der grauen Energie. Geringer ist beim Holzbau zudem der Aufwand für die Befestigung der Glasfaserbetonelemente mit einer Aluminium-unterkonstruktion. Da bei der Holzbauvariante 16 cm Aussenwärmedämmung mit 8 cm Innenwärmedämmung kombiniert werden, sind die Auskragung und die Masse der Alutragprofile geringer als beim Massivbau, wo die gesamte Dämmung auf der Aussen-wand angebracht ist. Bei der Massivbauvariante könnten die Treibhausgasemissionen durch eine verputzte Aussenwärme-dämmung um ca. 16 % reduziert werden. Dann wären die Varianten jedoch aufgrund der anderen Fassadengestaltung nicht mehr vergleichbar.

Graue Energie deutlich höher als Heizenergie

Das Gebäude an der Badenerstrasse verfügt über eine gut gedämmte Gebäudehülle. Der entsprechend geringe Heizwärmebedarf wird durch eine Grundwasser-Wärmepumpe gedeckt, die im Vergleich zu einer konventionellen Öl- oder Gasheizung nur wenig nicht erneuerbare Primärenergie benötigt und wenig Treibhausgasemissionen generiert. Ein Vergleich des Anteils nicht erneuerbarer Primärenergie an der Heizenergie mit der ­grauen Energie zeigt, dass dadurch die Belastungen, die die Erstellung des Gebäudes verursacht, im Verhältnis bedeutender werden: Die graue Energie für die Erstellung des Gebäudes ist mit 106 MJ/m2a mehr als 3 Mal so hoch wie die nicht erneuerbare Primärenergie zum Heizen. Bei den Treibhausgasemissionen ist die Herstellung des Gebäudes fast 15 Mal intensiver.

Anmerkungen
1 Grisli ist ein Instrument zur Berechnung der grauen Energie und der grauen Treibhaus­gas­emissionen von ganzen Gebäuden oder Bauteilen. Es ist für Planerinnen und Planer konzipiert und durchlässig von der Vorprojektphase bis in die Ausführung (www.grisli.net)
2 www.ecoinvent.org
3 SIA-Effizienzpfad Energie, SIA-Merkblatt 2040
4 Nur ein Teil der Treibhausgasemissionen beim Beton stammt aus den Energieträgern, die bei der Herstellung verwendet werden. Der andere Teil fällt bei der Herstellung von Zement aus Kalkstein durch die Freisetzung des darin enthaltenen Kohlenstoffs an
5 Bei einer Aussenwand aus Beton statt Backstein wären sowohl graue Energie als auch Treibhausgasemissionen des Massivbaus noch etwas höher

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