Rio+20: «Ma­king it hap­pen»!

Uno-Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung

Vom 20. bis 22. Juni 2012 findet in Rio de Janeiro die Uno-Konferenz über nachhaltige Entwicklung statt. Hauptthemen sind, wie sich eine grüne Wirtschaft realisieren lässt und wie die internationale Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik verbessert werden kann. Doch die Vorbereitungen für Rio+20 verliefen bisher harzig.

Publikationsdatum
11-06-2012
Revision
01-09-2015

Vor 20 Jahren fand in Rio de Janeiro die Uno-Konferenz über Umwelt und Entwicklung statt. Besser bekannt als Erdgipfel, gilt sie als Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die bekanntesten Dokumente sind die rechtlich verbindlichen Konventionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität. Deren Umsetzung bereitet der Staatengemeinschaft jedoch Mühe.

Die Agenda 21

Die Länder verabschiedeten in Rio de Janeiro aber auch ein Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung für das 21. Jahrhundert, die Agenda 21.1 Diese umfasst detaillierte Handlungsaufträge, um eine nachhaltige ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung sicher zu stellen. Die Agenda 21 ist für die Länder zwar nicht rechtsverbindlich. Für den Schweizer Historiker Jon Mathieu, der sich mit der Konferenz in Rio von 1992 beschäftigte, handelt es sich dennoch um einen erstaunlichen Text: Die Agenda 21 könne man als ersten globalen Verfassungstext für die Natur und Umwelt bezeichnen, sagte er im letzten Herbst an einer Tagung der Akademien der Wissenschaften Schweiz.2 Das Dokument sei in den letzten 20 Jahren immer wieder zitiert worden und habe als Grundlage für zahlreiche kommunale Initiativen gedient (Lokale Agenda 21). Dass die Agenda 21 ein eigenes Kapitel über die Gebirge erhalten sollte, ist vor allem dem geschickten Agieren von Schweizer Wissenschaftlern und Diplomaten zu verdanken. Damit wurden die Berge als Ökosystem auf die gleiche Ebene gestellt wie die Regenwälder, die Wüsten und die Ozeane, um deren Schutz sich die Weltgemeinschaft schon länger kümmert. Den Erfolg der Agenda 21 erklärt sich Mathieu unter anderem mit dem partizipativen Prozess bei der Vorbereitung. Erstmals seien auch Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) bewusst in die Verhandlungen einbezogen worden. An der Konferenz vor Ort befanden sich einige tausend NGO's. Diese waren zum Teil in den offiziellen Kongressablauf integriert; sie belebten zudem den stark frequentierten Alternativgipfel, das sogenannte «Global Forum».
An den Erfolg von 1992 möchte man nun anknüpfen. Brasilien hat dafür geworben, dass die Konferenz erneut in Rio de Janeiro stattfindet. Die Vorbereitungskonferenzen verliefen jedoch harzig. Es fehlte eine gemeinsame Vision, und die Vorstellungen der Entwicklungs- und Industrieländer klafften weit auseinander. «Ein Scheitern der Konferenz, aber auch konkrete Erfolge sind möglich», sagte Franz Perrez, der Chef der Abteilung Internationales beim Bundesamt für Umwelt und Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation in Rio, an einem Mediengespräch Ende Mai.

Grüne Wirtschaft im Fokus

Die Schwerpunktthemen der Konferenz sind die grüne Wirtschaft im Kontext der nachhaltigen Entwicklung und der Armutsreduktion sowie die Reform der für Nachhaltigkeit und Umwelt zuständigen Uno-Institutionen. Für die grüne Wirtschaft hat die Schweiz einen internationalen Fahrplan vorgeschlagen. Diese Roadmap soll einen politischen Teil mit einer gemeinsamen Vision, gemeinsamen Zielen und konkreten Meilensteinen enthalten. Die Schweiz engagiert sich für die ausgewogene Berücksichtigung aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Die Entwicklungsländer möchten die Verhandlungen jedoch primär auf Armutsbekämpfung und Entwicklung konzentrieren. Gegenüber einer grünen Wirtschaft sind sie skeptisch, weil sie befürchten, dass dadurch ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu stark eingeschränkt werden.
Bei den institutionellen Fragen geht es unter anderem um eine Reform des Umweltprogramms der Uno (Unep). Frankreich und Deutschland möchten die nach der ersten Umweltkonferenz von Stockholm 1972 gegründete Unep aufwerten und in eine Sonderorganisation der Uno umwandeln. Die Schweiz schlägt vor, die nach der Rio-Konferenz 1992 eingesetzte Kommission für Nachhaltige Entwicklung in einen Rat für Nachhaltige Entwicklung umzuwandeln. Die Kommission ist dem Wirtschafts- und Sozialrat der Uno (ECOSOC) angeschlossen und hat die Erwartungen nicht erfüllt. Damit der Rat für nachhaltige Entwicklung innerhalb des Uno-Systems genügend Gewicht erhält, könnte er direkt der Generalversammlung unterstellt werden. Der Aufwertung der für Nachhaltigkeit und Umwelt zuständigen Uno-Institutionen stehen jedoch zahlreiche Länder ablehnend gegenüber.

Globale Nachhaltigkeitsziele

Gute Chancen werden hingegen dem Vorschlag Kolumbiens eingeräumt, globale Nachhaltigkeitsziele auszuarbeiten. Diese sollen mit den im Jahr 2000 beschlossenen Millenniumsentwicklungszielen verknüpft werden und könnten zu einem der wichtigsten Ergebnisse der Konferenz werden. «Making it happen» lautet das Motto des Newsletters der Konferenz. Hoffentlich lassen sich die Entscheidungsträger davon inspirieren. Nachdenklich stimmt der Umstand, dass auch 40 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz in Stockholm immer noch ein tiefer Graben zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern verläuft. Der vor 20 Jahren als Meilenstein bezeichnete Erdgipfel von Rio de Janeiro, der Umweltschutz mit Entwicklung zu verknüpfen versuchte und den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung ebnen sollte, scheint daran nicht viel verändert zu haben.

Die zentralen Konferenzen der Vereinten Nationen

Stockholm 1972 (Schwerpunkt Umwelt): Die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen gilt als Beginn des globalen Umweltschutzes, erstmals wurden Umweltfragen in einem globalen Rahmen diskutiert. Im selben Jahr wurde das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) mit Sitz in Nairobi gegründet.
Rio de Janeiro 1992 (Schwerpunkt nachhaltige Entwicklung): An der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung einigten sich die Länder auf ein Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung (Agenda 21). Andere wichtige Ergebnisse sind die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, die Klimarahmenkonvention, die Biodiversitätskonvention, die Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation sowie die «Forest Principles».
Johannesburg 2002 (Schwerpunkt Umsetzung): Am Weltgipfel in Johannesburg wurde die Bedeutung der Agenda 21 bekräftigt und die Notwendigkeit für deren konsequente weltweite Umsetzung unterstrichen. Konkrete Ergebnisse sind der Johannesburg Plan of Implementation sowie Partnerschaftsinitiativen zur Umsetzung.
Rio de Janeiro 2012 (Schwerpunkt grüne Wirtschaft und Gouvernanz): Das zentrale Ziel der Rio+20–Konferenz ist die Erneuerung des politischen Engagements für eine nachhaltige Entwicklung. Im Zentrum stehen die grüne Wirtschaft im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung sowie die Stärkung der internationalen Umweltgouvernanz. (Quelle: www.rio20.ch)

Anmerkungen

  1. Text der Agenda 21: http://www.un.org/esa/dsd/agenda21
  2. Referat Jon Mathieu: http://icas.akademien-schweiz.ch/d/aktuelles/tagung/luzern/
Webseiten zu Rio+20: www.uncsd2012.org, www.rio20.ch 
Positionen der Schweiz zu Rio+20: http://rio20.ch/faktenblatt-positionen-der-schweiz-zu-rio20
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