Andere Räume: Lopes Brenna Architekten
Architekten unter 40
In unserer Serie präsentieren wir junge Architektinnen und Architekten mit Verbindung zum Tessin. Lopes Brenna Architekten realisieren Räume, die unsere Gewohnheiten infrage stellen.
Lopes Brenna Architetti ist ein von Cristiana Lopes und Giacomo Brenna 2009 in Como gegründetes Studio, das in Zusammenarbeit mit den beiden Architekten Francisco und Manuel Aires Mateus in Lissabon entstand. Cristiana Lopes (geboren in Espinho, Portugal 1978) absolvierte die Escola Superior Artística do Porto, Giacomo Brenna (geboren in Como, 1979) die Akademie für Architektur in Mendrisio. Das Studio gewann 2015 den Maestri-Comacini-Preis in der Kategorie Innenarchitektur (2015) und wurde für die Teilnahme an der Ausstellung «Stanze – Altre filosofie dell'abitare» auf der XXI Triennale di Milano (2016) ausgewählt. Parallel dazu lehren Lopes und Brenna an der Akademie von Mendrisio als Projektassistenten bzw. im Atelier Anne Holtrop und im Atelier João Nunes / João Gomes.
Erfolg mit Haltung
Die Architekten haben zahlreiche Preise bei internationalen Designwettbewerben gewonnen, insbesondere in der Schweiz und in Italien: für die Erweiterung und energetische Sanierung der Tenero-Contra-Schule (2018), das Kantinen- und Konferenzgebäude Agroscope in Posieux, das Nationale Schwimmsportzentrum in Tenero (2017), die Erweiterung des Museums für zeitgenössische Kunst in Lima, Peru (2016), die Instandsetzung der Piazza della Scala in Mailand (2015), die neuen Räumlichkeiten der Tenero-Kinderschule (2014) und für das Multifunktionszentrum Ciosso Soldati in Bioggio (2013).
Gleichzeitig führten Lopes und Brenna verschiedene Interventionen zur Umnutzung und Wiederverwendung bereits vorhandener Strukturen zum Thema Privatwohnung durch. Die ständige Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Massstäben und Programmen, wie z.B. Projekte für internationale Wettbewerbe und Renovierungsprojekte mit begrenzten wirtschaftlichen Mitteln, ist für die Arbeit junger Architekten Alltag. Es ist oft schwierig, Mittelmässigkeit und Verharmlosung abzulehnen und eine konzeptionelle Vision aufrechtzuerhalten. Lopes und Brenna hingegen gelingt es, Projekte zu schaffen, bei denen die Anordnung der Häuser auf der räumlichen Beziehung zwischen diesen verschiedenen Ansätzen basiert.
Extern-intern
Den Projekten liegt eine pragmatische Strategie zugrunde, die darin besteht, die tragende Struktur des Gebäudes intakt zu lassen und das interne System neu zu definieren. Der Eingriff in die Wohnung VM in Cantù (2013) besteht aus einem neuen, komplett schwarz gestrichenen Raum. Er intensiviert die Beziehung zwischen den benachbarten Räumen und verändert die räumliche Wahrnehmung der gesamten Wohnung.
In der EG-Wohnung in Como (2013) wird der quadratische Raum des Wohnzimmers zum Mittelpunkt des Hauses; von hier aus lässt sich jedes andere Zimmer erreichen: Küche und Esszimmer über einen Rundweg, die Räume in einer räumlichen Abfolge entlang der Fassade. Die Räume sind komplett schwarz oder weiß gestrichen – Abstraktion und Reduktion sind keine Selbstverständlichkeit, sondern Werkzeuge, um das Vorhandene klarer zu machen.
In São Paio de Oleiros (Portugal, 2015) behandeln Lopes und Brenna den gesamten Grundriss als eine grosse Einheit, die durch gleich hohe Wände unterteilt ist, um die sechs Räume des Hauses zu bilden: ein Wohnzimmer, eine Küche, zwei Schlafzimmer und zwei Badezimmer. Das auf den neuen Wänden aufliegende Dach wird auf den erforderlichen Abstand zur Grundstücksgrenze zurückgesetzt und signalisiert die Abmessungen der wärmegedämmten Räume. Jeder Raum zeichnet sich also durch einen inneren und einen äusseren Bereich aus.
Für das Gästehaus in Porto (2017) teilen Lopes und Brenna den bestehenden Einzelraum mit drei neuen Wänden, die mit der Struktur des Gebäudes verschmelzen und so viele Räume definieren: einen Hauptraum (Wohnzimmer) und zwei Nebenräume (Küche und Schlafzimmer). Die Geometrie bietet jedem Raum eine mögliche Beziehung zu den Fenstern an der Fassade. Jeder Raum hat seine eigene Autonomie und gehört zu einem kreisförmigen Verteilersystem.
Idee trifft Realität
«Rooms», das für eine Ausstellung in der Galerie Prinzip Architecture in München (2017) konzipierte Modell, scheint die gestalterischen Anliegen von Lopes und Brenna zu einem einzigen Objekt zu verdichten: Das keramische Gipsmodell stellt eine Komposition von 35 Räumen im Massstab 1 : 20 dar. Jeder Raum wurde aus einem Projekt, einem Gebäude, aus einem anderen und grösseren Gebiet extrapoliert. Jede Einheit hat ihre eigene formale Identität und ist gleichzeitig mit den anderen verwandt.
Wie das Gebäude in einer Stadt bezieht sich der Raum, das Atom und die Zelle auf das Ganze, zu dem es gehört, und stellt das Elementarteilchen dar. Im Begleittext zum Modell stellen die Autoren fest, dass es keine grössere oder kleinere Architektur gibt, sondern Zeichen, die zu Strassen, Städten, Gebäuden und Räumen werden, in denen wir leben. In der heutigen Situation, mit dem Rückgang der Investitionen in die Architektur, zeigen Lopes und Brenna vielversprechende Antworten im täglichen Balanceakt zwischen Ehrgeiz und Realismus.
Junge Architekten
In einer neuen Reihe stellen wir in loser Folge Architektinnen und Architekten unter 40 Jahren vor, die in der Schweiz oder im Ausland tätig sind. Wir starten im Tessin. Weitere Beiträge dieser Serie finden Sie hier.