Landschaft: Atelier de Molfetta Strode
Architekten unter 40
Das schweizerisch-amerikanische Atelier de Molfetta Strode will die Natur in die Städte holen. Die ersten Arbeiten sind vielversprechend. – In den ersten Folgen unserer neuen Serie präsentieren wir junge Architektinnen und Architekten mit Verbindung zum Tessin.
Federico de Molfetta (geb. 1980 in Mailand) schloss 2006 die Accademia di Architettura in Mendrisio ab. Anschliessend zog es ihn nach Lissabon, wo er bei seiner Arbeit im Architekturbüro PROAP und als Gärtner im Botanischen Garten die Landschaftsarchitektur entdeckte. Im Arboretum des Botanischen Gartens schuf er die permanente Installation Uma Eira na Clareira. Sie besteht aus kurzen Rundhölzern, die aus den massiven Aststücken eines riesigen umgestürzten Baums stammen. Als Stützwand bilden sie im geneigten Gelände eine horizontale Ebene als Ruheort für die Besucher.
Nach der ersten Berufserfahrung vertiefte de Molfetta die theoretischen Grundlagen seines Fachs in einem Masterstudium an der Harvard Graduate School of Design im US-amerikanischen Cambridge. Dort traf er auf Hope Strode (geb. 1980 in Louisville), die einen ganz ähnlichen Werdegang hat: Nach ihrem Abschluss in Architektur an der University of Oregon arbeitete sie im Architekturbüro Maryann Thompson Architects in Watertown (Massachusetts), wo sie an ökologischen und nachhaltigen Architekturprojekten beteiligt war.
Nach dem Masterabschluss gründeten die beiden Architekten gemeinsam das Atelier de Molfetta Strode mit Sitz in Lugano und Mailand. Das Ziel des Duos ist, die erworbenen Kenntnisse in einen aufs Tessin abgestimmten Entwurfs- und Planungsprozess zu übertragen. Daneben sind beide in der Forschung und Lehre tätig: De Molfetta arbeitet an der Accademia di Architettura in Mendrisio mit den Professoren João Ferreira Nunes und João Gomes da Silva zusammen, Strode leitet am Polytechnikum Mailand einen Kurs für nachhaltige Architektur und Landschaftsentwurf.
Die Neuen kommen
De Molfetta und Strode gehören zu einer neuen Generation von Landschaftsgestaltern. Sie sind die jüngsten der acht Tessiner Mitglieder im Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen (BSLA). Ihre Erfahrung basiert unter anderem auf nordamerikanischen Modellen, die für die Renaturierung von Naturgebieten seit mehreren Jahren auf das Rewilding-Prinzip setzen. Dabei werden ursprüngliche Lebensräume wiederhergestellt und gleichzeitig Entdeckungs- und Erkundungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit geschaffen. Teile dieses Prinzips lassen sich auch im Tessin realisieren. So könnten zum Beispiel Randzonen und Freiräume rund um Wälder, Weinberge, Fluss- und Seeufer eine neue Identität als gemeinsam genutzte Räume erhalten.
Zwischen wildem Grün und bebautem Raum
Die Tessiner Städte sind geprägt von einer Gartenkultur, die der Natur im urbanen Raum klar abgegrenzte Bereiche etwa in Form eines Parks zuweist. Dieses Konzept folgt in erster Linie einem «postkartentauglichen», ästhetischen Aspekt und der Vorstellung, das urbane Grün sei lediglich ein dem Bau untergeordnetes Dekorationselement. Die heutige Gesellschaft verlangt jedoch nach flexiblem und nur teilweise organisiertem Raum, der vernetzt verwaltet wird, um eine möglichst breite und umweltverträgliche öffentliche Nutzung zu ermöglichen.
Einige dieser Konzepte konnten de Molfetta und Strode bereits umsetzen. So schufen sie etwa Privatgärten mit auf den Rhythmus der Natur abgestimmten Landschaftsfragmenten und brachten ihre Ideen in interdisziplinären Arbeitsgruppen für die Quartierplanentwicklung ein.
Im Giardino del Tempo, einem Garten rund um ein vom Architekten Attilio Panzeri entworfenes Einfamilienhaus in der Region Lugano, konstruierten die Planer eine wilde Landschaft, die im Kontrast zur Linearität des Gebäudes steht und diese dadurch hervorhebt. Der Garten ist in drei Abschnitte geteilt und erzählt von der Topografie, der Sonnenexposition und der Vegetation geprägte Geschichten. Der verborgene Rundweg am Rand einer mit mediterraner Macchia bepflanzten Böschung, der breite Gräser- und Staudenstreifen und die von einer Naturwiese umgebenen Obstbäume folgen nicht nur den Erkenntnissen der Biodiversitätsforschung, sie sind auch äusserst unterhaltsarm.
Das Projekt, das die Philosophie von de Molfetta und Strode am deutlichsten wiedergibt, ist die Aussenraumgestaltung für das ebenfalls von Attilio Panzeri entworfene neue Wohnquartier Parco Casarico, das derzeit in Sorengo entsteht. Die Gestaltung dieser Landschaft basiert auf der ökologischen Durchgängigkeit des Grünraums. Wasserläufe werden in das coupierte Gelände integriert, öffentliche Wegenetz verbindet das Quartier mit der umliegenden Infrastruktur und Natur. Die verschiedenen Elemente sind in einem harmonischen und in die Umgebung integrierten Programm vereint.
Die ersten Arbeiten des Ateliers de Molfetta Strode rücken den dynamischen Charakter der Landschaftselemente ins Zentrum, indem sie zeitliche Veränderungen, Lebenszyklen und den jahreszeitlichen Wandel bewusst nutzen. Ihre Vorstellungen könnten in unseren Städten auch in grösserem Massstab umgesetzt werden und neue, gemeinschaftliche urbane Erfahrungswelten schaffen. Die Botschaft ist klar: Die Natur soll in der gebauten Umwelt Einzug halten.
Junge Architekten
In einer neuen Reihe stellen wir in loser Folge Architektinnen und Architekten unter 40 Jahren vor, die in der Schweiz oder im Ausland tätig sind. Wir starten im Tessin. Weitere Beiträge dieser Serie finden Sie hier.