Area­le für die 2000-Watt-Ge­sell­schaft

Zahlreiche Schweizer Städte und Gemeinden sowie der Bund und mehrere Kantone haben die Grundsätze der 2000-Watt-Gesellschaft in ihre Entwicklungsleitbilder aufgenommen. Mit einem neuen Leitfaden und der zu­gehörigen Rechenhilfe wurde ein Instrumentarium geschaffen, das es ermöglicht, ganze Areale bereits in einer frühen Planungsphase nach den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft zu entwickeln und zu optimieren. Diese Werkzeuge bieten auch eine Grundlage für das Energiestadt-Zertifikat «2000-Watt-Areal».

Publikationsdatum
13-09-2012
Revision
25-08-2015

Der SIA hat mit dem SIA-Effizienzpfad Energie die Grundlagen für die Umsetzung der 2000-Watt-Gesellschaft für Einzelbauten gelegt. Dieses SIA-Merkblatt definiert die Berechnungsmethodik und die Anforderungen für Bauten der drei Nutzungen Wohnen, Büro und Schulen. Beurteilt werden dabei der Primärenergiebedarf und die Treibhausgasemissionen über den gesamten Gebäude­lebenszyklus, von der Erstellung über den Betrieb bis hin zur Mobilität.
Im Rahmen eines vom Bundesamt für Energie und der Stadt Zürich getragenen Forschungsprojektes wurde die Methodik des SIA-Effi­zienzpfades Energie auf die Anforderungen von Arealentwicklungen erweitert. Hauptprodukt des Projektes ist ein Leitfaden, der sich an Investorinnen und Investoren sowie an ­Projektentwickler richtet. Er enthält eine Zusammenfassung der Methodik sowie fünf Fallbeispiele. Ein zweites Produkt ist eine Rechenhilfe, mit der bereits in einer sehr frühen Planungsphase das Potenzial zur Erreichung der 2000-Watt-Vorgaben beurteilt und die massgebenden Einflussgrössen für die Optimierung einer Arealentwicklung erkannt werden können.

Methodik allgemein

Ein Areal ist ein klar definierter räumlicher Perimeter, der von einem Einzelunternehmen oder einer einheitlich organisierten Gemeinschaft entwickelt wird. Areale im Sinne des Projektes bestehen aus einem oder mehreren Baufeldern, Gebäuden und Nutzungen. Dabei können neben den Nutzungen Wohnen, Büro und Schulen zusätzlich Hotels, Verkauf (Lebensmittel, Fachgeschäft, Einkaufszentrum) und Restaurants behandelt werden. Da es sich bei Arealen, im Gegensatz zu Quartieren, mehrheitlich um Neubauten handelt, wurde die Methode für diesen Fall optimiert und sollte auch entsprechend angewendet werden. Die Bewertung basiert auf einem Vergleich der Projektwerte mit den Zielwerten. Die Zielwerte für das gesamte Areal entsprechen der Summe der Richtwerte der Bereiche Erstellung, Betrieb und Mobilität. Diese Richtwerte errechnen sich wiederum aus dem flächengewichteten Mittel der Richtwerte pro Nutzung. Diese Richtwerte sind wiederum abhängig von der Nutzungsverteilung. Der Zielwert muss nur gesamthaft eingehalten werden, sodass Richtwertüberschreitungen in einem Bereich in einem anderen kompensiert werden können.
Die auf dieser Methodik basierende Excel-Rechenhilfe dient dem Anwender in einer frühen Planungsphase zur Berechnung der Projekt-, Ziel- und Richtwerte. Mit der Eingabe von wenigen Grundlagendaten werden dank einer Vielzahl gut recherchierter Standardwerte die Projektwerte für die Bereiche Erstellung, Betrieb und Mobilität auf Arealebene berechnet. Falls in einem Projekt aber spezifische Werte bekannt sind, können diese eingegeben werden. Dabei kann es sich um neue Nutzungen (z. B. Kleingewerbe), spezifische Bauweisen (z. B. Betonelementdecke aus Hohlplatten) sowie weitere Informationen (z. B. Gebäudehüllzahl) handeln. Dadurch werden für ein Projekt präzisierte Resultate berechnet. Neben der arealbe­zogenen Resultatdarstellung liefert die Rechenhilfe auch detaillierte Einzelresultate.
Im Folgenden wird die Methodik anhand des Fallbeispiels Baufeld E des Zwicky-Areals bei Zürich erläutert. Da sich die 2000-Watt-Ziele für die Treibhausgasemissionen als am schwierigsten zu erreichende Anforderung herausstellte, beschränken sich die Erläuterungen darauf.

Baufeld E, Zwicky-Areal

Das Zwicky-Areal liegt im Grenzdreieck von Zürich, Dübendorf und Wallisellen. Es wurde bis 1993 als Industriestandort der Firma Zwicky zur Produktion von Nähfäden und Webgarnen genutzt. Die Genossenschaft KraftWerk1 ist auf Anfrage von Wüest & Partner seit Ende 2008 an der Entwicklung des Baufelds E beteiligt und wird mit «KraftWerk4» 140 Wohnungen für verschiedene Wohnformen sowie 3500 m2 günstige Gewerbeflächen erstellen. Weitere Wohnungen sind von der Pensimo Management AG sowie von der Senn BPM AG geplant. Das Projekt kommt demnächst in die Phase der Ausführungs-planung, der Baubeginn ist für Mitte 2013 vorgesehen. Folgende Merkmale des Projektes haben das Resultat für die Treibhausgasemissionen geprägt: Der vorgesehene Nutzungsmix besteht flächenmässig mehrheitlich aus Wohnen (79 %), Büros (7 %) und unterirdischen Parkierungsflächen (10 %). Eine kleine Gewerbefläche musste als neue arealspezifische Nutzung definiert und eingegeben werden. Die Geschossfläche beträgt total 55 000 m2. Der angestrebte Energiestandard der Gebäude der Genossenschaft KraftWerk1 ist Minergie-P, die Gebäudehüllzahl beträgt durchschnittlich etwa 1.1. Es sollen vorwiegend Massivbauten aus Beton und Backstein errichtet werden. Das Areal ist sehr gut mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen, wodurch die Anzahl der Parkplätze minimal gehalten werden kannn. Die Wärmeerzeugung soll mittels Wärmepumpen erfolgen, welche die Abwärme der nahe gelegenen Kläranlage nutzen. Der Strombedarf soll zu 33 % von der eigenen PV-Anlage und zu 67 % vom Netz gedeckt werden.
Der berechnete Projektwert für die Treibausgasemissionen zeigt, dass die Richtwerte in den Bereichen Betrieb und Mobilität eingehalten werden, jedoch nicht im Bereich Erstellung. Dadurch verfehlt auch der Projektwert insgesamt knapp den Zielwert.
Dieses Resultat liesse sich jedoch mit verschiedenen Massnahmen verbessern. So kann durch eine Veränderung der Gebäudegeometrie die Gebäudehüllzahl reduziert werden oder ein Teil der Konstruktion aus Holz erstellt werden. Ausserdem könnte statt des durchschnittlichen schweizerischen Strommixes, der aufgrund des importierten fossilen Anteils eher schlecht abschneidet, zertifizierter Ökostrom bezogen werden.

Zertifikat «2000-Watt-Areale»

Damit Arealentwickler, die ihre Areale nach den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft entwickelt haben, die Resultate öffentlichkeitswirksam nutzen können, hat der Trägerverein Energiestadt das Zertifikat «2000-Watt-Areal» ins Leben gerufen. Am 3. September 2012 konnte dieses zum ersten Mal vergeben werden an das Areal Sihl Manegg («Greencity») in Zürich. Das Zertifikat lehnt sich stark am bewährten Energiestadtlabel für Gemeinden an und umfasst die quantitative Bewertung auf der Basis des Leitfadens und der Rechenhilfe sowie qualitative, prozessbezogene Fragen. Die Zertifikatsvariante «Entwicklung» kann in einer frühen Projektphase beantragt werden und wird nach der Bewertung der Projektziele und der verpflichtenden Vereinbarung zur Einhaltung dieser Ziele erteilt. ­Sobald mehr als 50 % der Gebäudeflächen der bestimmungsgemässen neuen Nutzung übergeben wurden, muss die Zertifikats­variante «Betrieb» beantragt werden. Die Aufrechterhaltung des geforderten Managementsystems und der Zieleinhaltung werden mit einem jährlichen Review laufend überprüft. Die Anforderungen ändern sich dabei nicht. Unterschiedlich sind nur die Art der erforderlichen Nachweise sowie der Toleranzbereich bei der Zieleinhaltung.

Betrachtung ausweiten

Die quantitative Bewertung von messbaren Grössen wie Energie- und Klimaindikatoren in Form von Gebäude-, Areal- oder Quartierlabeln wird künftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Leitfaden «Arealentwicklung für die 2000-Watt-Gesellschaft» bildet zusammen mit der Rechenhilfe eine gute Grundlage dafür. Die 2000-Watt-Gesellschaft ist aber nur im Kontext der umfassenden Nachhaltigkeit umsetzbar, welche die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Dimension einbezieht und neben den quantitativen auch qualitative Kriterien berücksichtigt.

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