Viel­sei­tig und re­le­vant: zwan­zig Jah­re Netz­werk Frau und SIA

Das Netzwerk Frau und SIA wurde 2004 von Fachfrauen in der Deutschschweiz und der Romandie mit dem Ziel gegründet, die Sichtbarkeit, Repräsentation und Kompetenzen von Frauen in der Planungs- und Baubranche zu stärken. Die Bilanz nach zwanzig Jahren Aktivitäten ist vielseitig, durchwachsen und vorzeigbar zugleich.

Publikationsdatum
08-07-2024
Rebekka Habegger
MSc ETH Bauingenieurwissenschaften, Vorstand Netzwerk Frau und SIA
Alexa Bodammer
dipl.-Ing. MA, Architektur und Raumentwicklung, Dozentin und Projektleiterin, Co-Präsidentin Netzwerk Frau und SIA
Paola di Romano
dipl. Architektin, Büroinhaberin von PdR architectes, Co-Präsidentin Netzwerk Frau und SIA; frau@sia.ch.

Das Netzwerk Frau und SIA ist seit seiner Gründung vor zwanzig Jahren im SIA-Universum ein Solitär: lose eingebunden in die Organisationsstruktur des SIA mit viel Bewegungsfreiheit. Das Netzwerk ist die Denkwerkstatt für Genderfragen und Diversität des SIA mit dem obersten Ziel die Frauen im SIA und in der Bau- und Planungsbranche zu fördern. Ein weiteres Ziel ist die Vernetzung der berufstätigen Frauen untereinander und die Vertretung ihrer Interessen.

Das Netzwerk setzt sich gegen Diskriminierung ein

Dass der Arbeitsalltag von Frauen in der Branche herausfordernd ist, zeigt eine kürzlich innerhalb des Netzwerks durchgeführte Umfrage über Diskriminierungserfahrungen in der Baubranche. Das Echo war erheblich und der Befund alarmierend: Ingenieurinnen und Architektinnen erleben regelmässig Diskriminierungen in verschiedenen Bereichen wie Kommunikation, Karrierechancen oder sexuelle Belästigungen. 

Das ist nicht tragbar, weder für Frauen wie auch für die Branche, die dringend auf Fachkräfte angewiesen ist, noch für die Gesellschaft. Darum arbeiten das Netzwerk Frau und SIA sowie der SIA gemeinsam daran, diesem Problem entgegenzuwirken, indem sie Beratungs-, Mentoring- oder Bildungsangebote bereitstellen. Zudem ist die zukünftige, regelmässige Datenerhebung ein wichtiges Instrument, um so evidenzbasierte Aussagen zu Gleichstellung und Diversität im Verein und seinen Mitgliedern zu erhalten.

Frauen treten häufiger in verantwortungsvolle Positionen

Zwanzig Jahre Engagement und nichts hat sich verändert? Mitnichten. Die gesellschaftliche Veränderung ist sicht- und spürbar: Immer öfters wollen Menschen – nicht nur in den Planungsbüros – ihre wertvolle Lebenszeit dem Beruf nur dann unterstellen, wenn Anerkennung, Gesundheit und persönliche, wie kollektive Mehrwerte gesichert sind. 

Leidenschaft für sich genommen genügt nicht (mehr). Gefragt ist ein Arbeitsethos, der von den Planerinnen und Planern als Menschen ausgeht, die ihre Umwelt gestalten. Ausbeuterische oder gar gefährdende Bedingungen vom Handwerk bis zur Vermarktung werden nicht mehr toleriert. Bewegung in dieser Sache ist gesellschaftlich spürbar, aber fragil in politisch unruhigen Zeiten. Und nach wie vor besteht noch viel Luft nach oben.

Aber auch die Strukturen des SIA und die Aufgabenstellungen der Baubranche sind im Wandel. Im SIA, wie auch in anderen Institutionen, ist ein Kulturwandel zu bemerken. Frauen treten an verantwortungsvolle Positionen, in Organisationen oder Amtsleitungen: Im SIA sind neu neben dem Präsidium auch der Vorstand und die Geschäftsführung mehrheitlich mit Frauen besetzt. Auch der BSA hat ein weibliches Co-Präsidium gewählt. Von Frauen geleitete Büros erhalten mehr Sichtbarkeit. In den Städten, Gemeinden und Kantonen werden in leitenden Positionen der Bau- und Umwelt oder Planungsdepartemente vermehrt Frauen eingesetzt. Das ist ein begrüssenswerter Fortschritt, auch wenn Parität noch lange nicht erreicht ist.

Das Engagement muss weitergehen

Zugleich muss sich die Bau- und Planungsbrache fragen, wie sozial nachhaltig, sinnhaft und gesellschaftlich tragbar ihre Arbeitsweise und Produkte sind. In den letzten Dekaden haben sich die Aufgabenstellungen in der Branche in vielerlei Hinsicht verändert. Prozesse sind heute anders organisiert, Zielesetzungen werden justiert, die Disziplinen arbeiten integral und technologiebasiert miteinander und Planungs- und Gebäudeprogramme sind komplexer geworden. Qualitätssichernde Verfahren, die auf Partizipation bauen, sind nicht mehr wegzudenken, wenn es gelingen soll die mannigfaltigen Interessen einzubinden. 

Das sind alles Errungenschaften, die es zu pflegen gilt. Ihre positiven Effekte auf Chancengleichheit und Diversität in der Branche werden aber immer noch in Frage gestellt und wirken noch nicht in die Breite. Frau und SIA möchte dieses Momentum der Errungenschaften nutzen, kritisch begleiten und dazu beitragen, sie nachhaltig zu verankern, denn das Engagement gegen Exklusion und Diskriminierung ist leider noch lange aktuell. 

Damit sind auch die Themen des Netzwerk Frau und SIA dringender denn je: Es ist essenziell, geschlechtsspezifische Diskriminierungen, seien sie direkt oder indirekt beispielsweise durch Arbeitsbedingungen, zu verhindern. Schluss mit gläsernen Decken, ungleichen Löhnen und fehlender Repräsentanz in entscheidenden Gremien und Organen. 

Will die Branche Frauen im Beruf halten, fördern und von ihren Kompetenzen profitieren, müssen sich diese Dinge verändern – oder in den Worten des Netzwerks: «Wir engagieren uns für Diversität und Gleichstellung, weil unsere Arbeits- und Lebenswelt davon profitiert. Das bleibt die Mission des Netzwerks Frau und SIA.»

Das Netzwerk Frau und SIA ist, gemäss Statuen, eine niederschwellige, basisdemokratisch organisierte Gruppe, die der Vernetzung der Frauen innerhalb des SIA dient. Gleichzeitig verfügt das Netzwerk über keine Delegiertenstimme und läuft innerhalb des SIA Gefahr, in wichtigen Fragen zu Gleichstellungs- und Diversitätsfragen nicht konsultiert zu werden. 

 

In diesem Umfeld pflegt das Netzwerk lokal in Regionalgruppen und übergeordnet im nationalen Vorstand ein vielseitiges Engagement und bietet ein Forum für Frauen, das einem aktuellen Bedürfnis entspricht. Das Netzwerk Frau und SIA ist in zwanzig Jahren von zehn Mitglieder auf 600 gewachsen, und ein Ende der Dynamik ist noch nicht absehbar.

 

 

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