Ar­chi­tek­tur un­ter Strom

Unterwerk Oerlikon

Was genau ist Energie, wo kommt sie her, und wie sieht das aus? Eine Antwort geben die ewz und die Architektinnen von illiz architektur mit dem neuen Unterwerk in Oerlikon. Hier wird Energie öffentlich in Szene gesetzt.

Publikationsdatum
19-11-2015
Revision
27-11-2015

Elektrische Energie wird heutzutage immer neuen Herausforderungen ausgesetzt. Steigender Verbrauch, dezentrale Einspeisungen oder zunehmende Verbrauchsschwankungen sind nur einige davon. Zusätzlich beschäftigt sich der Nutzer aufgrund der Debatten zu Klimawandel, Nachhaltigkeit und Energiereduktion immer stärker mit diesen Themen.

In Zürich Oerlikon beim neuen Umspannwerk der ewz kann der interessierte Nutzer nun das Innenleben einer elektrischen Verteilzentrale besichtigen. Über einen «Guckkasten» in der Fassade haben illiz architektur, die für den Bau verantwortlich zeichnen, den Passanten einen Blick in das Innere der Anlage ermöglicht. Durch ein Kunst-am-Bau-Projekt von Yves Netzhammer wurde der Innenraum zusätzlich inszeniert. 

Die vor dem Neubau stehende alte Freiluftschaltanlage an der Binzmühlestrasse entspricht nicht mehr den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. 1949 wurde sie zwischen Fabriken und Maschinenhallen errichtet. Da das Areal in Oerlikon heute zu einem der grössten innerstädtischen Umbaugebiete der Schweiz gehört, befindet sich die Anlage nun mitten im urbanen Zentrum. Mit dem neuen Unterwerk kann die alte Anlage für die Zukunft vom Netz genommen und abgebaut werden.

Neue Technik

Das neue Unterwerk wurde platzsparend in den Untergrund verlegt. Bis zu 13 Meter unter dem Grundwasserspiegel befinden sich nun Transformatoren, Schaltanlagen und die dazugehörige Infrastruktur. Gemeinsam mit ABB hat die ewz eine neue Schaltanlage entwickelt, die mit einem umweltfreundlichen Isoliergasgemisch betrieben wird, das die CO2-Bilanz über den Lebenszyklus der Anlage um 50 % senkt.

Um von der Strasse aus einen Blick in das Innere der Anlage werfen zu können, haben illiz architektur einen «Guckkasten» auf Fussgängerniveau realisiert. Der 12 Meter hohe unterirdische Schaltanlagenraum erhebt sich als erleuchteter Kasten um einige Meter über die Oberfläche, sodass Passanten in der Tiefe des Gebäudes dessen Herzstück, die 150-kV-Hochspannungsschaltanlage, erblicken können. 

Kunst am Bau

Im Inneren des Raumes inszenierte der Schweizer Künstler Yves Netzhammer eine multimediale Installation: «Der gefangene Floh». Hierfür überzog er die begrenzenden Wände mit Spiegeln, wodurch sich der Raum und die Schaltanlage ins scheinbar Unendliche erweitern. Klebefolien in Form von Flöhen und Leuchtpunkte ergänzen das unwirkliche Szenario, das durch eine zweistündlich stattfindende Tonspur komplettiert wird. Die Schaltanlage und der Haupteingang sind durch einen grün gestrichenen Ausstellungsgang verbunden, auf dem Besucher durch «Guck­löcher» einen Blick auf die weitere Technik hinter massiven Betonwänden werfen können.

Herausforderung

Durch den Bau in den Untergrund wurde die architektonische Aufgabe eine noch grössere Herausforderung. Neben der Absicherung der Nachbarbauten kam noch die Problematik des Wasserdrucks hinzu. Das Gebäude liegt unterhalb des Grundwasserspiegels und «schwimmt» sozusagen im Erdreich. Damit die empfindliche Technik und Elek­tronik nicht mit dem Wasser in Berührung kommt, wurde der Bau mit einer zweiten Schale aus wasser­festem Beton umschlossen.

Ein spezielles Erdungssystem macht aus dem Bau einen Faraday-Käfig. So konnten alle sicherheits­technischen Anforderungen erfüllt werden. Über dem Unterwerk wurde der Netzstützpunkt der ewz mit Geschäfts- und Arbeitsräumen, Sanitäranlagen, einer Küche und einem Schulungszimmer realisiert. Die Verbindung der beiden Nutzungen war auch gestalterisch eine Herausforderung. Unzählige Kabelstränge und Lüftungsschächte verlaufen durch das Gebäude und müssen teilweise über die Erd­oberfläche hinausragen. Da das Unterwerk Vorrang hat, haben illiz architektur bei der Gestaltung des oberirdischen Baukörpers die zweitrangigen Räume und Verkehrswege um die Volumen des Unterwerks herum geplant. 

Der fertiggestellte Netzwerkstützpunkt gleicht nachts im geschlossenen Zustand einem Monolith. Tagsüber öffnet sich das graue Gebäude mit grossen Toren und Fensterläden nach aussen. Grosse Teile der schiefergrauen Zinkfassade sind als Faltläden ausgeführt, die geöffnet aus der Gebäudehülle herausragen. Über die gesamte Fassade verläuft ein Muster von Löchern, die der Belüftung der Fahrzeugeinstellhalle im Erdgeschoss und der Belichtung der Räume im Obergeschoss dienen.

Hinter den perforierten, patinierten Zinkblechkassetten liegen noch weitere Funktionen, wie lüftungstechnische Einbauten und Schutzeinrichtungen, die aus dem Unterwerk an die Oberfläche dringen. Im geschlossenen Zustand heben sich nur der Haupt­eingang und der «Guckkasten» mit ihren grossflächigen Glasfas­saden und den massiven, grün eingefärbten Betonrahmen von der grauen Fassade ab. Durch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte mit dem Unterwerk Oerlikon ein nicht nur funktionaler, sondern auch interessanter Neubau für Elektri­zität und Versorgung realisiert werden.

Zahlen und Fakten 


Nutzung
Unterwerk und Netzstützpunkt mit Einstellhalle und Büro


Wettbewerbszeitraum
Juli 2010


Planungsbeginn
Februar 2011


Baubeginn
Mai 2012


Baufertigstellung
August 2015


Grundstücksfläche
8495 m2


Gebäudegrundfläche
870 m²


Geschossfläche
4568 m²


Nutzfläche
3620 m² (Unterwerk: 2245 m², Netzstützpunkt: 1375 m²)


Gebäudevolumen
22 060 m³ (Unterwerk: 15 400 m³, Netzstützpunkt: 6660 m3)


Baukosten
Unterwerk: 20.5 Mio. Fr. (ohne BKP 23 Elektro ewz)


Netzstützpunkt
4.6 Mio. Fr. (ohne BKP 23 Elektro ewz)

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
EWZ Stadt Zürich


Generalplanung/Gesamtleitung
Pöyry Schweiz AG


Architektur
illiz Architektur


Bauleitung
Feo A. Bugno


Bauphysik und Akustik
Ragonesi Strobel & Partner


HLK-Planung
Grisoni Klima Lüftung GmbH


Geologie
Dr. Heinrich Jäckli AG


Signaletik
Typejockeys


Kunst am Bau
Yves Netzhammer


HLKS-Planung
Pöyry Schweiz AG


Bauingenieur
Pöyry Schweiz AG 

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