Zu­rück­hal­ten­des Schmuck­stück

Im Rosenfeldpark eröffnete die Stadt Basel kürzlich eine öffentliche WC-Anlage. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – aus statischer, ökologischer und gestalterischer Sicht. Interessant ist die Materialzusammensetzung der Aussenwände: Die Projektbeteiligten ersetzten Zement durch Trass. Ein Pilotprojekt, zur Nachahmung empfohlen.

Publikationsdatum
27-08-2024

Im eher unbekannten Basler Rosenfeldpark östlich des Bahnhofs Basel SBB entstand in den letzten Monaten eine öffentliche WC-Anlage, bei der altes Materialwissen zum Zug kam. Die Wände erstellte man aus einem Trass-Kalk-Gemisch. Da Trass ein natürliches Material vulkanischen Ursprungs ist, gilt Trassbeton als umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichem Beton beziehungsweise zur Verwendung von Zement.

Lebendige Fassade

Der 16 m2 grosse Ersatzneubau orientiert sich zur Lindenhofstrasse, um eine bessere Zugänglichkeit zu den beiden hindernisfreien Unisex-Toiletten zu erreichen. Die Form des Baukörpers und des Dachs fügen sich in das Bild des englischen Landschaftsparks ein. Dies gelingt insbesondere durch die Höhe und die Fassadengestaltung. 

«Wir haben zunächst versucht, mit unterschiedlichen organischen Formen den Bezug zum Baumbestand herzustellen», sagt Serafin Winkler, Projektleiter bei Caesar Zumthor Architekten. Durch Einlagen in der Schalung wollte man verschiedene Wirkungen erzielen. Die von der Bauunternehmung hergestellten Mock-ups zeigen die Ideenvielfalt.

Die heutige Fassade präsentiert sich schlicht, modern und doch lebendig. Dreieckige Schalungseinlagen in der Vertikalen und die durch den Herstellungsprozess bedingten, sichtbaren horizontalen Schichten verleihen der Oberfläche einen unverwechselbaren Charakter. Hierzu trägt auch der Trass-Kalk-Beton bei. Die poröse Oberfläche der Fassade wird sich weiterentwickeln, also auswaschen, bewachsen, verwittern oder bemoosen. Welche Pflanzen das alkalische Umfeld besonders schätzen, ist noch nicht abzusehen.

So kreativ und einzigartig wie die Fassadengestaltung, so einheitlich und klar ist das Innere. Denn die Ausstattung mit hochwertigen und dennoch widerstandsfähigen Materialien wie Fliesen und Chromstahl orientiert sich an der Vorgabe für öffentliche Toilettenanlagen, die robust, funktional und dauerhaft sein sollen.

Nachhaltiges Material

Dank der Offenheit und den hohen Anforderungen der Stadt Basel – sie bestellte ausdrücklich ein nachhaltiges Objekt – sowie dem Engagement und der Liebe zum Detail aller Projektbeteiligten entstand im Rosenfeldpark ein Pilotprojekt mit Forschungscharakter. Zunächst hatten die Planenden vorgeschlagen, einen an der EPFL entwickelten LC3-Beton zu verwenden, eine Kombination aus gebranntem Ton und gemahlenem Kalk (Limestone Calcined Clay Cement)

Dieser reduziert den CO2-Ausstoss im Herstellungsprozess gleich doppelt. Einerseits, weil der Ton nur auf 800 °C statt auf 1400 °C erhitzt werden muss. Und andererseits, weil er – anders als gebrannter Kalk – dabei kein CO2 abgibt. Der gemahlene Kalk im LC-Rezept ist ungebrannt und trägt somit kein CO2 zur Bilanz bei. Unter dem Strich verursacht Beton aus LC3-Zement also etwa 30 % weniger CO2 als herkömmlicher Beton.

Inspiriert von den Römern

«Die Suche war mit unserem Vorschlag jedoch nicht zu Ende. In enger Abstimmung mit allen Beteiligten entschieden wir uns schliesslich für die Verwendung von Trass, also getrocknetem und gemahlenem Tuffstein. Es zeigte sich, dass Trass, Kalk und Kies eine natürliche Bindung eingehen, die sehr gut aushärtet», erklärt Serafin Winkler. Würde man allerdings ausschliesslich Trass mit Wasser und Sand vermischen, ergäbe das keine geeignete Mörtelmischung, da Trass allein unter Wasserzugabe nicht erhärtet. 

Ganz neu ist die Idee nicht. Schon die Römer nutzten für ihre Wasserbauten vor über 2000 Jahren Betonmischungen, die neben Kalkmörtel auch Trass oder andere Puzzolane als Zusatzstoff enthielten. Die exakte Rezeptur des ausgeführten Werks bleibt internes Wissen der Bauunternehmung.

Grundprinzipien der Festigkeitslehre

Für die Ingenieure und Ingenieurinnen stand die Frage nach der Tragfähigkeit des «neuen» Materials im Raum. Es zeigte sich, dass die Konstruktion auf Druck sehr gute Werte aufweist, jedoch nur geringen Zugbeanspruchungen standhält. Der Standort in Basel sowie die Gebäudeform und -höhe verlangten zudem Massnahmen zur Erdbebensicherheit. Zur Aussteifung dient nun eine 20 cm starke Innenwand aus herkömmlichem Konstruktionsbeton.

Durch die Zugabe von Kalk reagiert der verwendete Beton alkalischer, das heisst, dass man sich auch hinsichtlich des Stahls nicht an geltenden Normen orientieren konnte. Die Planenden näherten sich deshalb über die chemische Zusammensetzung der Stoffe an.

Schliesslich wurden die konventionell erstellten Bauteile (Bodenplatte, Dach, Innenwände) stumpf an die Aussenwände angeschlossen. Dank der Mock-ups konnte das Ingenieurbüro die Übergänge zwischen den 27.5 cm dicken, unbewehrten Trass-Kalk-Wänden und den weiteren Bauteilen insbesondere hinsichtlich Abdichtung optimieren.

Schicht für Schicht

Der Bau der Wände glich dem Bauen mit Stampflehm. Das Einbringen ging etwas schneller und die Abbindezeit war kürzer als bei der Verwendung von Lehm. Die Bauunternehmung erstellte die Wände in mehreren Etappen in Handarbeit. Selbst für ein kleines Gebäude eine anstrengende Angelegenheit, die viel handwerkliches Geschick erfordert: Eine Stampfetappe umfasste 25 cm Höhe, eine Tagesetappe lag etwa bei einem Meter. Die Stärke der ausgeführten Wände von 27.5 cm ist vergleichbar mit Bauten aus Stampfbeton. Auf diese Art dünnere Wände zu bauen, ist technisch schwierig.

Doch das «neue» Material überzeugt vor allem durch seine besondere Optik. Nach Einschätzung von Lars Keim, Geschäftsführer der beteiligten wh-p Ingenieure, kann das Material vor allem bei Kleinbauten wie Stützmauern, Anbauten oder Ergänzungen eine interessante Alternative zu herkömmlichen Baumaterialien sein.

Ersatzneubau öffentliche WC-Anlage Rosenfeldpark, Basel

 

Bauherrschaft
Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Städtebau & Architektur, Basel

 

Architektur
Caesar Zumthor Architekten, Basel

 

Tragwerkkonstruktion
wh-p Ingenieure, Basel

 

Bauunternehmung
Huber Straub, Birsfelden

 

Planungszeit: 2020–2022

 

Bauzeit: 2023–Februar 2024

 

Baukosten: < 300 000 Franken

 

Eröffnung Park: Frühjahr 2024

Umgestaltung Rosenfeldpark

 

Der Rosenfeldpark ist eine historische Parkanlage im Gartenerbe der Stadt Basel. Ursprünglich als Privatgarten angelegt, wurde der Park um das Jahr 1950 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der prachtvolle Baumbestand, die grosse Spielwiese und die in die Natur eingebetteten Spazierwege verleihen ihm einen ganz besonderen Charakter. 

 

Die Grünanlage wird nun behutsam saniert und für die kommenden Generationen gesichert. Historische Gartenelemente sollen wieder stärker zur Geltung kommen, der Baumbestand wird mit Jungbäumen ergänzt und die Strauch- und Krautschicht ökologisch aufgewertet.

 

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Bäume stark gewachsen und erfordern eine sorgfältige Baumpflege. Anstelle des Efeus legt die Stadtgärtnerei in den Randzonen Naturflächen an, die vielen Kleintieren einen Lebensraum bieten. In den Baumkronen werden Fledermauskästen installiert, denn bereits heute leben verschiedene Fledermausarten in der Parkanlage. Um die gewaltige Baumkulisse auch in Zukunft zu erhalten, pflanzte die Stadtgärtnerei zwölf zusätzliche Bäume. Diese Bäume werden auch für Schatten und Hitzeminderung während heisser Sommertage sorgen.

 

In einer ersten Etappe beschränkten sich die Bauarbeiten auf den östlichen Parkteil. Dort finden die umfangreichsten Bauarbeiten statt, nämlich der Ersatz der behindertenkonformen Toilette, des Planschbeckens und der Umzäunung. Für die Kinder gibt es neben dem neuen Planschbecken auch einen neuen, attraktiven Spielplatz. Mitte August wurde der neu gestaltete Park offiziell eröffnet.

Quelle: Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt 

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