Biennale Venedig 2023: «Partecipazione» gegen die Vereinnahmung
Pavillon von Österreich
Der Versuch einer Rückgabe von Biennale-Gelände an die Bevölkerung von Venedig.
«Partecipacione / Beteiligung»
Pavillon von Österreich, Giardini
Auftraggeber
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und SportKuratorInnen
AKT & Hermann CzechProjektmanagement
Katharina Boech, Julia Bildstein, section.a, Wien
Es ist ein Experiment, dessen Ende bis zuletzt offengeblieben ist. Das österreichische Architekturkollektiv AKT und Hermann Czech haben die vorausgehenden Forschungen zu ihrem Beitrag an der Biennale sowohl zeitlich als auch räumlich weiter gefasst. Ziel war es, das Verhältnis zwischen den durch die Biennale belegten Räumen und den Orten, die der Einwohnerschaft Venedigs zur Verfügung stehen, zu untersuchen. Dafür war ein Blick in die Entwicklungsgeschichte der Biennale über die letzten Jahre nötig.
Unter Zuhilfenahme von Dokumenten der örtlichen Behörden und Archive sind Pläne entstanden, die die Vereinnahmung von immer mehr Stadtraum durch die Biennale dokumentieren. Seit der ersten Architekturbiennale 1980, an der Länder teilnahmen, die keine Pavillons in den Giardini besassen, wurde das Gelände des Arsenale restauriert und in die Biennale einbezogen. Es nimmt eine Fläche von fast 10 % der Altstadt Venedigs ein und bietet keine öffentliche Durchwegung.
Mit dem wachsenden Interesse der Architektenschaft an leerstehenden Gebäuden, deren räumliche Qualitäten gerade in Venedig fesselnd sind, weil ihre Fortdauer so deutlich bedroht ist, gerieten neben Industriegebäuden und Kirchen auch immer mehr Wohngebäude in die exklusive Nutzung durch die Biennale.
Nach Erkenntnissen des österreichischen Kuratorenteams ist eine regelrechte Immobilienbörse entstanden, die der örtlichen Bevölkerung Werkstätten, Wohnraum und Freiflächen entzieht. Mehrere Initiativen innerhalb der Stadt und an der Architekturfakultät der Universität Venedig haben eine Diskussion über diese Tendenzen in Gang gesetzt.
Um auf die Entwicklung hinzuweisen und die Öffnung der Biennale für die lokale Bevölkerung zu stützen, wollte AKT einen Präzedenzfall schaffen und die gängige Praxis der Ausdehnung einmal umdrehen. Der Pavillon Österreichs ist an der nordöstlichen Aussengrenze der Giardini gelegen. Indem das Team den symmetrischen Pavillon in zwei Teile trennte und eine Hälfte von den Giardini aus, die andere nur vom angrenzenden Wohngelände aus zu betreten wäre, würde symbolisch einen Teil des exklusiven Geländes an die Stadtbevölkerung zurückgegeben. Mit einer leichten Brückenkonstruktion über einen Wasserlauf wäre der nach aussen gewandte Pavillonteil mit der Stadt verbunden und könnte den Initiativen als Versammlungsraum zur Verfügung gestellt werden.
Soweit der Plan. Denn bis zum Schluss haben sich die städtischen Behörden gegen das Projekt ausgesprochen und zunächst eine Öffnung der Grenzmauer, dann auch den Bau der Brücke verhindert.
Über den Entwicklungsprozess von eineinhalb Jahren hat das Kuratorenteam die Möglichkeit einer abschlägigen Haltung der Stadt stets mitbedacht. So zeigt sich der Pavillon nun als Baustelle mit einer halben Brücke und einer Reihe von aufschlussreichen Dokumenten von den ersten stadträumlichen Forschungen bis zum vorerst letzten Schriftstück, dem Protokoll der «Conferenza di servizi» vom 17. März 2023, aus dem die ablehnende Stellungnahme zum Vorhaben hervorgeht. Eine förmliche Absage ist noch nicht erfolgt – das Material zum Fertigstellen des Baus steht bereit.
Eine umfangreiche Publikation dokumentiert den Weg bis in die heutige stadträumliche Realität Venedigs.