Kon­se­quent nach­hal­tig

Neubau Campus HES-SO, PH-VS und Stiftung HF Gesundheit, Brig-Glis; Einstufiger, offener Projektwettbewerb

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Spitalzentrum in Brig-Glis soll ein Bildungs- und Forschungszentrum entstehen. Im dafür ausgeschriebenen Architekturwettbewerb setzt sich der kompromisslose Beitrag von Wulf Architekten durch und ordnet die Parkplatzfrage neu ein.

Publikationsdatum
20-02-2025

Der Ort liegt in der Peripherie westlich von Brig-Glis, zwischen Stadt und Land, nahe zum Erholungsgebiet entlang der Rhone – oder, wie die Einheimischen sagen, des Rottens. Der Wettbewerbs­perimeter befindet sich auf der Westseite des Spitalzentrums Oberwallis (SZO). Er ist unbebaut und das Gelände fällt leicht ab. Die «Gartenterrasse», ein grosszügiger Vorbereich im Süden des Spitals, soll ein Scharnier zwischen Alt und Neu bilden. Daneben ist ein Neubau mit verschiedenen Bildungs- und Forschungsinstituten vorgesehen, um Synergien zu nutzen. Neu werden die beiden Hochschulen für ­an­gewandte Wissenschaften und Kunst HES-SO, die Pädagogische Hoch­­­schule PH-VS sowie die Stiftung HF Gesundheit dort angesiedelt sein. Dieses vielfältige Angebot soll die Abwanderung der Studierenden in andere Kantone vermindern.

Besonderen Wert legten die Auslobenden auf die Qualität der Aussenräume: So sollen etwa «Innen- und Aussenräume als innovative Denk- und Arbeitsstätten ineinander überfliessen … ». Zur Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe hat der Kanton Wallis einen einstufigen Wettbewerb im offenen Verfahren ausgeschrieben. Teilnahmeberechtigt waren Teams mit den Kompe­ten­zen Architektur und Tragwerks­planung; der Beizug von Land­schafts­­architekturbüros war freiwillig. Mehrfachbeteiligungen waren erlaubt, was immer wieder für kontroverse Diskussionen sorgt: Der Nachteil dieser Bestimmung liegt darin, dass Landschaftsarchitekturbüros einen konzeptionellen Ansatz beisteuern und die Gefahr eines Wissenstransfers zwischen den Teilnehmenden besteht. Der Vorteil besteht darin, dass die beschränkte Anzahl von Landschaftsarchitekturbüros nicht zu einer Begrenzung des Teilnehmerfelds führt. Trotz dieser Möglichkeit blieb die Zahl der Teilnehmenden mit lediglich 22 Beiträgen überschaubar. Alle Eingaben wurden zur Beurteilung zugelassen, die Hälfte davon jedoch wegen wesentlichen Verstössen gegen die Rahmenbedingungen von der Preis­erteilung ausgeschlossen. Dies deutet darauf hin, dass die Aufgabe komplex und der Lösungsspielraum eng war. Trotzdem war die Ideenvielfalt erstaunlich hoch.

Kompaktheit zuerst!

Das Siegerprojekt «Campus³» sieht einen achtgeschossigen Kubus vor, der die Ausrichtung des Bestands übernimmt und geschickt zwischen dem niedrigeren Vorbau und dem höheren Haupttrakt des bestehenden Spitalzentrums vermittelt. Die beiden Eingänge von der Überlandstrasse und der höher gelegenen «Gartenterrasse» sind gekonnt durch eine breite Innentreppe miteinander verbunden.

Der Neubau ist präzise in den südlichen Teil des Wettbewerbs­perimeters eingezirkelt, sodass ein Grossteil der zur Verfügung stehenden Fläche unbebaut bleibt. Der Verzicht auf eine Tiefgarage bedeutet im Gegenzug, dass der Freiraum für eine offene Parkierung benötigt wird. Diese Nutzung verunmöglicht zwar einen attraktiven Grünraum, ist aber insofern nachhaltig, als die offene Parkierung bei der Erstellung im Gegensatz zu einer Tiefgarage kaum Emissionen verursacht. Sie stellt zudem eine Landreserve dar, die in Zukunft alle Möglichkeiten offenlässt.

Kern des Gebäudes ist ein durchgehender Lichthof. Er öffnet sich auf verschiedene Seiten mit doppelgeschossigen Räumen und schafft wechselnde Blickverbindungen. Das Tragwerk aus Betonstützen und vorfabrizierten Betonträgern ist konsequent auf einem quadratischen Raster von 8 m über alle Geschosse entwickelt. Die Decken sind als Verbundkonstruktion von Brettstapelelementen und Beton angedacht. Das Tragwerk ist plausibel und wirtschaftlich. Die Kehrseite des äusserst kompakten Volumens sind enge Treppenhäuser und fehlende Kommunikationszonen. Bei Bauten mit derart hohen Atrien gelten verschärfte Brandschutzvorschriften, die das skizzierte Brandschutzkonzept noch nicht alle erfüllt.

Erschliessung zuerst!

Der mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Beitrag «galerie» löst die Wettbewerbsaufgabe mit einem langen, sechsgeschossigen Gebäude, das den westlichen Bereich des Perimeters besetzt und auf dem unteren Niveau liegt. Im Gegensatz zum Beitrag «Campus³» wird der Ge­län­desprung nicht im Gebäude aufgenommen, sondern mit einer gross­­­zügigen Treppenanlage an die «Gartenterrasse» vor dem Spital angebunden. Diese wird mit Sitzstufen und Schatten spendenden Bäumen aufgewertet und dient als Aufenthaltsraum. Ein Lesegarten und der Sitzplatz der Mensa im Süden tragen zusätzlich zu einer Belebung des Aussenraums bei. Der Grünraum wird bei dem Projekt «galerie» über eine Tiefgarage erkauft.

Auch hier ist der Dreh- und Angelpunkt ein zentrales Atrium. Das Projekt bietet die Grosszügigkeit im Innern, die das Siegerprojekt vermissen lässt: Breite, offene Kaskadentreppen verbinden das ­ Erd- mit den drei Obergeschossen; doppelgeschossige Räume stellen Verbindungen zwischen den Obergeschossen her. Das Tragwerk besteht aus Holz mit Holz-Beton-Decken. 
Ein raumhoher Fachwerkträger im ersten Obergeschoss fängt die Vertikallasten ab. Diese Lastabtragung ist aufwendig und schränkt die Leitungsführung ein. Gelobt für die optimalen Betriebsabläufe, ist das Projekt aber zu voluminös und müsste einschneidend redimensioniert werden.

Parkierung zuerst!

Der drittplatzierte Beitrag «Boîte magique» ähnelt in vielen Aspekten dem Siegerprojekt. Er sieht einen kompakten Kubus vor, der auf die Überlandstrasse im Süden ausgerichtet und leicht aus der Flucht des bestehenden Spitals ausgedreht ist. Auch dieses Projekt geht haushälterisch mit dem Boden um und lässt den Nordteil des Areals unbebaut. Das Gebäude steht auf Stützen und schafft im Erdgeschoss an prominenter Lage einen gedeckten Raum für die Parkierung, die aber die Umgebung erheblich beeinträchtigt. Der Versuch, den Missstand mit  einer Begrünung aus Bäumen und Bepflanzungen zu kaschieren, gelingt nur ansatzweise.

Das Eingangsgeschoss befindet sich erhöht auf Ebene der «Gartenterrasse» vor dem bestehenden Spital, ist aber schlecht daran angebunden. Die Raumanordnung in den Geschossen für den Unterricht ist schlüssig. Das Tragwerk besteht aus Betonstützen und ­-trägern mit Holz-Beton-Verbund­decken, ein Stahlfachwerk zum Atrium steift das Gebäude aus. Auch die darin geführten Treppen sind aus Stahl und damit in der Herstellung emissionsintensiv.

Mehr oder weniger?

Die mit den ersten beiden Preisen ausgezeichneten Beiträge sind sehr gegensätzlich: Das Projekt «galerie» überzeugt mit einladenden Kaskadentreppen und vielen Begegnungszonen, geht damit aber an die Grenzen des finanziell Machbaren. Demgegenüber ist der Beitrag «Campus³» äusserst kompakt. Er schafft dies aber nur, indem er die Erschlies­sungsflächen minimiert und die Parkierung auf die Freifläche auslagert. 

Jurybericht und Pläne zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

 Rangierte Projekte

 

1. Preis: «Campus3»
Wulf Architekten, Stuttgart, Zweig­stelle Basel; wh-p Ingenieure, Basel

2. Preis: «galerie»
Translocal Architecture, Bern; Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich; RSP Freiraum, Dresden; Siplan, Bern

3. Preis: «Boîte magique»
Dürig, Zürich; Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur; Chaves Biedermann, Basel

4. Preis: «Janus»
Nau2, Zürich; holzprojekt, Bern; Uniola, Zürich; VWARCH Architekten, Visp; R + B engineering, Brugg

5. Preis: «Blühende Terrasse»
Itten+Brechbühl, Bern; Kissling + Zbinden, Thun

6. Preis: «Le champ des possibles»
Zenklusen Pfeiffer Architekten, Brig; Schnetzer Puskas Ingenieure, Bern; Bischoff Landschaftsarchitektur, Baden; Elimes, Brig; Risam, Risk- & Safety Management, Bern

 

Fachjury

 

Rita Wagner, stv. Kantonsarchitektin DIB, Sitten (Vorsitz); Daniela Holzer, Stadtarchitektin, Brig-Glis; Thomas Lussi, Architekt, Luzern; Markus Schietsch, Architekt, Zürich; Pascal Bruchez, Architekt, Leiter strategische Projekte Spital Wallis; Francesco Snozzi, Bauingenieur, Zürich; Simone Hänggi, Landschaftsarchitektin, Bern; Astrid Finkler, Architektin, DIB Kanton Wallis, Sitten (Ersatz); Rabea Kalbermatten, Architektin, Brig-Glis (Ersatz); Claudio Pirazzi, Bauingenieur, Lausanne (Ersatz)

 

Sachjury

 

Christophe Darbellay, Vorsteher Departement für Volkswirtschaft und Bildung, Sitten; Yves Rey, Chef der Dienststelle für Hochschulwesen, Sitten; Jean-Philippe Lonfat, Chef der Dienststelle für Unterrichtswesen, Sitten; François Seppey, Direktor HES-SO Valais-Wallis, Sitten; Lara de Preux-Allet, Direktorin Hochschule für Gesundheit, Sitten; Peter Summermatter, Direktionsadjunkt PH-VS, Brig; Gaëtan Cherix, Direktor Hochschule für Ingenieurwissenschaften HES-SO Valais-Wallis, Sitten (Ersatz); Fabio Di Giacomo, Direktor PH-VS, St. Maurice (Ersatz); Stefan Brunner, Leiter Dienste und Investitionen SZO, Brig-Glis (Ersatz)

 

Verfahrensbegleitung

 

Mona Trautmann, Architektin, Sion

 

Auftraggebende

 

HES-SO Valais-Wallis, vertreten durch den Kanton Wallis, Dienststelle für Immobilien und Bauliches Erbe, Sion

Jean-Pierre Wymann ist Architekt ETH SIA BSA mit eigenem Architekturbüro. Er ist als Bauherrenberater und Verfahrensbegleiter tätig.

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