Chin­eg­ga-Brü­cke: Schlen­ker um Stal­den

Venedig, Hamburg, Amsterdam? Von wegen – ein kleines Dorf im Wallis schlägt sie alle. Bezogen auf seine 1100 Einwohner hat Stalden mit Abstand die meisten Brücken. Die neueste, die Chinegga-Brücke, biegt sich als integrales Bauwerk hoch über der Mattervispa  und erleichtert die Anreise von Visp im Rhonetal nach Saas und Zermatt.

Publikationsdatum
12-09-2019

Brückendorf – ein Beiname, der zu Stalden passt. 16 Brücken liegen auf Gemeindegebiet. Zählt man alle Stege hinzu, sind es sogar 29. Grund hierfür ist die extreme Topografie. An einem Südhang oberhalb des Zusammenflusses von Matter- und Saaservispa gelegen, ist Stalden seit jeher ein Kno­tenpunkt für Reisende in die Vispertäler. Die V-­förmigen Täler mit ihren steilen Flanken und schlucht­artigen Flussbetten lassen wenig Platz für die Verkehrswege.

Drängt sich die Bahnlinie noch mehrheitlich unterhalb des Orts an den Hang, so zwängt sich der gesamte Individualverkehr – an Spitzentagen bis zu 12 000 Fahrzeuge – mit zwei Spitzkehren durch Stalden selbst, ehe die Strasse über die Illasbrücke die Talseite wechselt und sich in Richtung Saas oder Zermatt verzweigt. Die vielen motorisierten Touristen – 1.6 Millio­nen Besucher mit Ziel Zermatt steigen allein in Täsch jährlich aus dem Auto – kennen Stalden also bisher wohl nur vom Durchfahren. Der ansprechende Dorfkern hätte es anders verdient.

Einen Ausweg aus der Verkehrsbelastung für das Dorf verspricht die neue Chinegga-Brücke, schon die dritte Brücke des bisherigen automobilen Zeitalters, die die Mattervispa in Stalden überquert. Anders als ihre Vorgängerinnen wechselt sie allerdings bereits unterhalb des Orts die Talseite. Der Verkehr zwischen Visp im Rhone­tal (vgl. TEC21 13/2019) und den berühmten Tourismus­orten im Oberwallis wird somit Stalden umfahren können.

Aus zwei Brücken wird eine

Für die gesamte Ortsumfahrung Stalden existierte bereits ein Bauprojekt aus dem Jahr 2012. Von der Kurve südlich des Orts, der sogenannten Bielmatte, sollte eine 42 m lange einfeldrige Brücke nach Westen auf eine Felsnase führen. Von dort hätte eine zweite mit 202 m Länge und drei Feldern das Tal gequert. Vorgesehen waren Stahl-Beton-Verbundbrücken. Am orografisch rechten Ufer der Mattervispa sollte der grösste Teil des Höhenunterschieds zum bestehenden Kreisverkehr an der Illasbrücke gewonnen werden.

Für die Ausführung beschloss das Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt des Kanton Wallis als Bauherrschaft, die beiden Brücken aus der gesamten Umfahrung herauszulösen und sie einer Optimierung zu unterziehen. Einzig die Linienführung blieb weiterhin vorgegeben. Ansonsten waren die Planer in ihren Überlegungen zu einer Brückenlösung frei.

Die Ingenieurgemeinschaft schickte daraufhin nochmals sieben verschiedene Brückenentwürfe ins Rennen – nur eine klassische Bogenbrücke wurde nicht aufgenommen, da diese beim vorgegebenen Kurvenradius von 135 m in der Linienführung nicht sinnvoll war. Letztlich setzte sich jedoch eine achte Variante durch: Die beiden veranschlagten Viadukte wurden zu einer einzigen Spannbetonbrücke zusammengefasst.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 37/2019 «Wallis – Wege in luftiger Höhe».




Bauherrschaft
Departement für Mobilität, Raumentwicklung und Umwelt, Dienststelle für Mobilität, Kreis 1 – ­Oberwallis, Brig-Glis


Planung
SRP Ingenieur, Brig
PRA Ingénieurs Conseils, Sion
BG Ingénieurs Conseils, Lausanne


Prüfingenieur
Walter Maag, Chur


Architektur
Eduard Imhof, Luzern


Geologie
Rovina & Partner, Varen


Verkehrsplanung
Planax, Visp


Vermessung
Rudaz & Partner, Visp


Umwelt
Pronat Umweltingenieure, Brig
Forsting Plus, Brig


Unternehmen
Ulrich Imboden, Visp
Van Randen – LGB, Adliswil
Stahlton, Tafers
Plasco, Niedergesteln
Mageba, Bülach
Aeschlimann, Zofingen
Rowatec, Volketswil
Walo Bertschinger, Dietikon
Moix &  Zorzi, Sion


Baukosten
12 Mio. Franken


Bauzeit
Herbst 2016  – Herbst 2019

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