Das Haus als Datenpaket
Messerückblick: Swissbau 2016
Vor zwei Jahren waren Energie und Gebäudehülle die dominierenden Themen des Swissbau Focus. In diesem Jahr machte ihnen das Building Information Modeling Konkurrenz, die Energiethematik bleibt aber wesentlich. Ein Messerückblick.
Als Leading Partner – zusammen mit Energie Schweiz – wirkte der SIA an rund einem Dutzend Podiumsgesprächen und Fachforen der Swissbau mit. Dabei bildet der Swissbau Focus längst mehr als ein Messe-Begleitprogramm, vielmehr mausert er sich zunehmend zum führenden nationalen Branchenkongress der Schweiz. War an der Swissbau 2014 Energieeffizienz noch das omnipräsente Thema, so machte ihr heuer das Building Information Modeling (BIM) ernsthafte Konkurrenz. Die Methode, Gebäudedaten digital zu erfassen, zu kombinieren und zu vernetzen, war Gegenstand von insgesamt vier Focus-Veranstaltungen, von denen zwei vom SIA initiiert bzw. mitgestaltet wurden. Mit dieser geballten thematischen Präsenz signalisiert der SIA-Vorstand, dass er am Thema dran ist und es aus Vereinssicht Priorität besitzt (vgl. «Standards definieren, Praxiswissen bündeln»).
Kein Zweifel: BIM kommt, und es bedeutet nach dem Übergang zum computergestützten Zeichnen vor 25 Jahren die zweite, noch umfassendere Digitalisierung des Planens. Bei kaum einer neuen Technologie gibt es auf Seiten der Architekten und Planer so viele offene Fragen – und auch Skepsis. Im Raum steht die Befürchtung, dass Architekten, die den Anschluss an BIM verpassen, auf die Rolle des Ideengebers zurückgedrängt werden. Der SIA möchte, dass Ingenieure und Architekten das Heft in der Hand behalten, und zwar unabhängig von der Bürogrösse. Zweifellos dürfte BIM das künftige Planen stärker in die Sphäre industrieller Produktionsprozesse führen, als man sich das heute vorstellen kann.
Architekten im Normengewitter
Dieser Trend und parallel dazu die immer weiter gehenden energetischen Anforderungen ans Bauen rufen auch Gegenbewegungen auf den Plan: So stellte die Zeitschrift «werk, bauen + wohnen» dem diesjährigen Messeslogan «Rettung durch Technik?» an ihrem «Future Forum» die Parole «Rettung durch Architektur!» entgegen. Dort präsentierten Architektinnen und Architekten Projekte, die aus ihrer Sicht Dauerhaftigkeit und umfassend verstandene Nachhaltigkeit verkörpern.
Zugleich wehren sie sich, wie Céline Guibat von mijong architectes aus Sion, gegen das «Normengewitter» und dagegen, dass Architektur, so Guibat, heute «immer technoider» werde, immer mehr Sekundäranforderungen den Blick aufs Eigentliche, den gestalteten Raum, verstellen. Roland Bernath und Benjamin Widmer aus Zürich ziehen es da vor, der Archaik zu frönen, sie bauen mit unweit des Bauplatzes geschlagenem Holz, Ziegeln, natürlichen Putzen oder auch mit Lehm, wie ihr Kollege Martin Rauch (Ton, Erde Baukunst), der damit nach Plänen von Herzog & de Meuron 2012 die viel beachtete neue Ricola-Produktionshalle in Laufen erbaute.
Rauch, Guibat, Bernath, Widmer und viele andere sind es leid – Stichwort Dämmung, Stichwort Bauchemie –, sich von der Baustoffindustrie wie der Ochse am Nasenring durchs Dorf führen zu lassen und in ihren Häusern den Sondermüll von morgen zu verbauen. «Synthetische Materialien versuchen wir, so es irgend geht, zu vermeiden», beschloss Roland Bernath seinen Kurzvortrag. Eine Stimmung unter den Bauschaffenden, die dem SIA nicht ganz gleichgültig sein sollte; denn die so denken, finden durchaus zahlreiche dieser Haltung zugeneigte Bauherren.
Charta «Energetische Transformation»
Auch an der prominent besetzten Abendveranstaltung «Architektur zwischen Effizienz und Ästhetik» kreiste das Gespräch um dieses Thema: Wie weit sollen wir das Bauen – und das Bauerbe – den Kriterien energetischer Effizienz unterwerfen, und was bedeutet das in der Umsetzung? Andreas Ruby, neuer Direktor des Schweizer Architekturmuseums Basel, plädierte für massvoll auf den individuellen Fall abgestimmte Lösungen, z.B. durch additive Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz.
Die Lobby des Energieumbaus, etwa in Gestalt von Walter Steinmann (Direktor BFE), vertritt neben dem Dämmen und Optimieren zunehmend die Strategie, Altbauten auch in städtebaulichen Grössenordnungen durch Ersatzneubauten auszutauschen, um so die energetische Erneuerungsquote des Gebäudeparks zu erhöhen. Dieser energetische Umbau ist aber nur mit einer grossen Zahl gut ausgebildeter Fachingenieure zu leisten – deren verstärkte Ausbildung ist zentraler Bestandteil der «Charta der Schweizerischen Bauwirtschaft für die energetische Transformation des Gebäudeparks». Die Energiebildungsinitiative im Rahmen der Charta war von bauen schweiz und SIA an der Swissbau 2014 angeschoben worden.
Eine Bundesrätin und 28 Männer
Am dritten Messetag war Bundesrätin Doris Leuthard an die Swissbau gekommen; im Rahmen eines kleinen Festakts wurde mit der Unterschrift von Alt-National-rat Hans Killer (Präsident bauen schweiz) der letzte Name unter die Charta gesetzt, die zuvor schon von 27 Verbandspräsidenten unterschrieben worden war. Ein feierlicher, mit reichlich Beifall bedachter Augenblick. Das Bild, als diese 28 Männer – in ihrer Mitte Bundesrätin Doris Leuthard als einzige Frau – auf der Bühne standen, veranlasste eine Zuschauerin zu dem Zwischenruf, ob denn auch die andere, weibliche Hälfte der Schweizer jetzt verstärkt für die neuen energietechnischen Ausbildungsgänge begeistert werden sollen. «Ja, das ist uns ein ausdrückliches Anliegen», kam es von der Bühne zurück, lachend dankte die Bundesrätin für das Stichwort. Ein Punkt, der ausdrücklich auch vom SIA-Vorstand unterstützt wird.
Die Arena, Veranstaltungsauditorium des Swissbau Focus, ist von der Messe mittlerweile nicht mehr wegzudenken – weil SIA und die anderen Planungsverbände und Medien dort eben kein werbelastiges Infotainment bieten, sondern fundiertes Sachwissen und substanzielle Diskussionen. Und die Messe ist Plattform der Politik: Neben Doris Leuthard hatte auch Bundesrat Ueli Maurer die Messe besucht – zur Eröffnungsveranstaltung, die dem Gotthard-Basistunnel gewidmet war.
Der gemeinsame Stand von Energie Schweiz und SIA hat sich als Treffpunkt von Experten und Entscheidern aus Planungsbranche und Politik etabliert. So viel fachlicher und politischer Dialog liessen fast vergessen, dass eine Messe zuvorderst ein Wirtschaftsereignis ist. Obwohl in diesem Jahr einige Stellflächen in den Hallen leer geblieben waren, scheint die hiesige Baustoffindustrie den «Franken-Schock» mit einem hellblauen Auge verkraftet zu haben: Die Zahl der Aussteller ging gegenüber 2014 nur um 31 zurück – von 1153 auf 1122 Unternehmen.