Drucksachen zu Architektur quer zur digitalen Welt
Archizoom, der Ausstellungsraum der EPF Lausanne, wartet mit zwei ungewöhnlichen Präsentationen auf. Gezeigt wird eine Sammlung von Magazinen, die ausserhalb der gängigen Normen und Vertriebswege erscheinen. Installiert ist zudem ein schwarz-weiss gehaltenes Bildarchiv, aus dem sich Bilddokumentationen im Format DIN A4 individuell erstellen lassen.
«Book of Copies» entspringt einer in Mailand und Venedig domizilierten Datenbank, die unter dem Namen San Rocco firmiert. San Rocco ist ein dreimal jährlich erscheinendes Architekturmagazin, das nach Aussage seiner Herausgeber Matteo Ghidoni, Giovanni Piovene und Pier Paolo Tamburelli keine Probleme lösen hilft, weder nützlich noch seriös sein will.
Mit dem «Book of Copies» hat San Rocco eine Bildersammlung angelegt, die in Form von schwarz-weissen Fotokopien im Format DIN A4 vorliegt. Ausgestellt sind diese im Projektraum von Archizoom auf einem langgestreckten Präsentationsmöbel und auf Augenhöhe, bereit zum Zugreifen und zum Kopieren. Der Kopierer steht ebenfalls bereit, ein Umschlag mit aufgedruckten Grundinformationen darf behändigt werden und mit einem Locher und einfachen Klammern lässt sich im Nu die ureigene Dokumentation erstellen. Keine wird gleich sein wie die andere, die Seitenzahl und Thematik sind nicht festgelegt, ausser dass es im weitesten Sinne um Architektur geht.
Dazu passt auch die Tatsache, dass die Liste der Teilnehmenden offen ist. Es sind dies gemäss der vorliegenden Liste derzeit rund 115 Büros oder Personen aus der Architekturszene. Aus der Schweiz springen dort Burkhalter-Sumi, Christ und Gantenbein, Phillip Ursprung sowie Stanislaus von Moos ins Auge.
Die Magazin-Wäscheleine
Die zweite parallel dazu gezeigte Präsentation betrifft das Thema «Archizines» - alternative und unabhängige Architekturpublikationen. Diese Magazine werden durch Architekten, Künstler und Studierende herausgegeben und bieten Plattformen für den Austausch von Kommentaren und Kritiken rund um die gebaute Umwelt und die alltägliche architektonische Praxis. Elias Redstone hat diese Wanderausstellung gemeinsam mit der Architectural Association in London gestaltet. Lausanne ist die 33. und letzte Etappe der weltweiten Tour.
Die Magazine weisen unterschiedliche Formate auf, von über A4 bis hin zum winzigen Booklet. Ihre Auflagen bewegen sich zwischen ein paar Dutzend bis zu über 10’000 Exemplaren. Die Erscheinungsweise ist ebenfalls höchst unterschiedlich und geht vom Monatsrhythmus über zweimal jährliche Erscheinungsweise bis hin zur gar nicht definierten Erscheinungsweise.
Gezeigt werden diese Magazine als eine Art Wäschehänge: Sechs lange an der Decke fixierte Holzlatten lassen an feinen Nylonfäden Klammern schweben, die die einzelnen Exemplare festhalten. Sie lassen sich aus diesem Schwebezustand erlösen und eine kleine Sitzgruppe lädt ein, in den Archizines zu schmöckern.
Gestaltet und produziert sind sie völlig unterschiedlich: einmal bloss mit Texten, dann mit Fotografien oder Zeichnungen oder ganz ohne Text und allein mit Bildern. Versammelt sind in Archizoom 100 Magazine aus zwanzig Ländern. Viele davon sind nicht nur gedruckt erhältlich, sondern lassen sich auch auf Internetseiten einsehen oder als pdf herunterladen. Aus der Schweiz sind in der Ausstellung die Publikationen «Camenzind» und «Foreign Architects Switzerland» vertreten.
Beide dieser Ausstellungen liegen lustvoll quer zu digitalen Welt. Fotokopieren, Drucken, Papier in die Hand nehmen, in Drucksachen blättern im Zeitalter des allgegenwärtigen iPads könnte man denken, das sei von gestern. Ist es nicht die Drucksache lebt.