Eine Hoffnungsburg mitten in der Stadt
Wohnheim Heilsarmee, Molkenstrasse Zürich. Aufstockung, Umbau und Instandsetzung: 2022. Eigentümerschaft: Stiftung Heilsarmee Zürich. Architektur: Oliv Brunner Volk Architekten, Zürich
SITUATION
Die Schweiz ist ein reiches Land; Armut bleibt trotzdem ein Thema: Rund zehn Prozent der Bevölkerung haben weniger als 2200 Franken im Monat zur Verfügung. Allein so viel kostet eine kleine Zweizimmerwohnung im Zürcher Langstrassenquartier. Das einstige Arbeiterviertel ist Partymeile und Rotlichtmilieu in einem; trotz Lärm und regem Verkehr treiben Wohnbauinvestoren die Gentrifizierung der innerstädtischen Umgebung voran.
Mittendrin betreibt die Heilsarmee seit über 100 Jahren ein Wohnheim zur Eingliederung von obdachlosen Menschen. Sie suchte – im Rahmen eines Auswahlverfahrens – ein architektonisches Konzept für die Erweiterung des Bestands im Verbund mit dem Wunsch, mehr Platz einzuräumen für eine selbstbewusste Sichtbarkeit und einen der Stadt zugewandten Ausdruck. Zwar wäre die Liegenschaft eine Goldgrube, hätte sich die karitative Institution zum Verkauf entschieden. Doch sie zieht es vor, die Integration von bedürftigen Personen mit dem Stadtleben zu verknüpfen.
WERK
Das Haus an der Molkenstrasse 6 war zuerst ein Frauenheim und weitete sich im Lauf der Jahrzehnte über den halben Blockrand zur Hoffnungsburg, wie an der Wand angeschrieben, für Menschen in generell schwierigen Lebenssituationen aus. Geblieben sind die Fassaden aus der Gründerzeit – mit Sandsteinsockel, Lisenen, Gesims und Fensterbaldachin. Dahinter kam seither eine massive Betonhülle dazu, die nun die jüngste Aufstockung um zwei Regel- und einem Dachgeschoss trägt. Das Angebot umfasst 67 Einzelzimmer, die in offene Zonen aus Küche, Lounge und Sanitär-Infrastruktur eingebettet sind. Und Terrassen im Innenhof laden zu spontanen Treffen in geschützter Umgebung. Im Erdgeschoss wurde ein öffentlicher Gastrobereich eingerichtet. Aus Kostengründen wurde viel repariert und instand gestellt. Das zuvor karge Innenleben weicht dennoch einer wohnlichen und gemeinschaftsfördernden Atmosphäre. So wahrt die Erneuerung das urbane Gesicht und überbrückt funktionale und soziale Differenzen.
EFFORT
Die traditionelle Erscheinung der Häuserzeile bleibt intakt, wie von der Denkmalpflege verlangt. Das Bewahren der Baukultur ist aber auch im Klimadiskurs angekommen: Das Aufstocken mit einem derart leichten Holzbau schont Ressourcen. Gleichzeitig hat die Ökologie ihren Preis, weshalb andere Bauteile weniger werthaltiger zu materialisieren waren, um das schmale Erneuerungsbudget von 11 Mio. Franken einzuhalten.
Unverzichtbar waren allerdings die Solaranlage für die eigene Stromproduktion und ein Anschluss an den CO2-armen Fernwärmeverbund der Stadt. Ökonomische Beinfreiheit verschafft sich die Bauherrschaft zudem mit einer Querfinanzierung durch sechs Mietwohnungen. Die Erneuerung generiert trotz vermeintlicher Zielkonflikte – wie knappes Budget, Schutzauflagen und sozialräumlicher Anpassungsbedarf – vielfältigen Mehrwert. Dazu gehören ihr Beitrag an eine inklusive Verdichtung und die dezente Erinnerung, wie zentral die Bedürfnisse benachteiligter Menschen sind – auch in einer reichen Stadt.