Filigraner Blickfang an verkehrsreicher Lage
Die Wohnsiedlung Buchegg steht an einem der meistbefahrenen Plätze in der Stadt Zürich. Die Neuüberbauung erfüllt höchste Anforderungen an Lärmschutz und Energieeffizienz. Ihr Äusseres zeigt aber alles andere als eine karge Zweck- oder Zwangsfassade.
Motorenbrummen und schlechte Luft schweben über dem Bucheggplatz. Mehr als 2500 Autos, Busse, Lastwagen und Trams queren stündlich diese Kreuzung von Zürich Oerlikon in die City, nach Zürich-West oder umgekehrt. Das tägliche Pendlerchaos ist ein Resultat der 1960er-Jahre, als der autogerechte Ausbau ein erhoffter Input für die urbane Lebens- und Arbeitskultur war. Heute dominiert das Negative: Wer an diesem Verkehrsknoten wohnt, muss Lärm, Feinstaub und anderweitige Qualitätseinbussen ertragen können – obwohl man den Standort, wie die Baugenossenschaft Waidberg, vor dem motorisierten Verkehr erobert hat. Die Genossenschaft besiedelte den Südrand des Bucheggplatzes mit den für die Vorkriegsjahre typischen Häuserzeilen. Nun sind die frei stehenden Dreigeschosser einer klammerartigen Neuüberbauung gewichen.
Den Architekturwettbewerb für das Projekt auf dem rund 2 ha grossen Areal hatten Duplex Architekten, Zürich, gewonnen. Seit Anfang Jahr ist der Standort mit einer Siedlung aus drei hofartig gesetzten, sechs- bis siebenstöckigen Wohnblocks wiederbelebt. Die Notlage ist in eine opulente Wohnlage verwandelt worden, die sich weiterhin an gemeinnützige Tugenden hält.
Die Standortverdichtung respektiert trotz ausgewachsener Physis den städtebaulichen Massstab. Die neue Siedlung an leicht erhöhter Lage ist als selbstbewusster Teil der Stadtsilhouette aus tiefer liegenden Quartieren erkennbar.
Ausblick nach Süden offen
Das Wichtigste leisten die drei Bauzeilen aber unmittelbar vor Ort: Die Anordnung und die Winkel bieten eine längst nötige Korrektur und schirmen den Innenhof vor der lauten Umgebung wirkungsvoll ab. Die Buchegg-Siedlung setzt nur auf drei Seiten zum Blockrand an. Nach Süden bleiben die Fläche und der Ausblick offen. Zum Hof hin besitzen die Bauten eine aufgefächerte Fassadenstruktur. Allen 110 Wohnungen steht daher ein Balkon zu, der einen Blick über die Stadtsilhouette bieten kann.
Nach aussen geben sich die Gebäude streng linear. Die Fronten, die die Pendlerachsen flankieren, wirken aber alles andere als verschlossen, stumm oder karg. Ganz im Gegenteil präsentieren sich die Fassaden filigran: Zu den Besonderheiten gehören Vor- und Rücksprünge sowie Zwischensimse, die mit goldfarbenen Metallabdeckungen nachgezeichnet sind. Die Gestaltung mit überhohen Fenstern und farbigen Blindelementen wirkt verspielt oder sogar leicht mediterran. Das vielfältige Wandmuster wird durch eine variabel rhythmisierte Tektonik unterstützt. Hätten diese Blickfangfassaden nicht noch einen besseren, innerstädtischeren Standort verdient? Auf jeden Fall wird das Mittelmass neuer Wohnsiedlungen mit dem freundlichen Äusseren und dem entspannenden Innenhof deutlich übertroffen.
Dichte in Holz
Nicht nur die Ästhetik, auch die schalltechnische Wirkung der Strassenfassaden ist gelungen. Dahinter steckt eine verblüffende Konstruktionsvariante. Das Gebäudegerippe an sich ist eine massive Skelettstruktur, mit Aussenwänden aus hybriden Holzfachelementen. Betonsäulen verstärken diese inwendig, was der Abstützung der Zwischendecken dient. Die Wandstärken liegen durchschnittlich bei knapp 50 cm; die Kastenelemente springen zusätzlich 20 cm vor. Wie im Wettbewerbsprogramm verlangt, werden die Anforderungen an eine überdurchschnittliche Wärmeschutzhülle problemlos erfüllt: Die Genossenschaft Waidberg hat sich mit Erfolg um das Gebäudezertifikat Minergie-P bemüht. Die standardisierte Vorfabrikation und die schnelle Endmontage der Einzelelemente waren weitere Vorteile der Produktion in Holz. Bei der neuen Genossenschaftssiedlung überzeugt der Baustoff als taugliches Mittel zum Zweck: Er dient sowohl der städtebaulichen als auch einer konstruktiven, lärm- und wärmeschützenden Dichte. Die Überraschung ist dabei die opulente Zier.
Zweigeschossige Küchen
Auch das Innenleben meidet die karge Rohheit, die bei vielen gemeinnützigen Siedlungen üblich geworden ist. Die Grundrisse und die Ausstattung der Wohnungen mit 2 1/2 bis 5 1/2 Zimmern fallen eher üppig aus. Flächen bis zu 110 m² sind für diese Wohnungen zumindest als grosszügig zu bezeichnen. Die räumliche Wirkung leidet jedoch unter den inneren Verwinkelungen. Teilweise sind diese der kammerartigen Raumaufteilung geschuldet, teils den aufgefächerten Hoffassaden. Im Gegenzug sind die zweigeschossigen «Schallschutzküchen» proportional ausserordentlich gut gelungen. Dieser Raumtypus wurde entworfen, um viele wenig empfindliche Nutzungen an die Lärmfassaden zu legen. Eine derart neuartige, überhohe Variante haben Duplex Architekten bereits in ihrer Wettbewerbseingabe für die städtische Siedlung Kronenwiese aufgezeigt. Man war damit zwar nicht siegreich, aber zumindest identisch mit dem inzwischen realisierten Siegerprojekt.
Orientalisch verzierte Bodenfliesen sorgen für einen atmosphärischen Ausgleich zum unüblichen Küchenvolumen. Bei all dem kann die Baugenossenschaft mit ihrem Ersatzneubau das Versprechen einlösen, preisgünstigen Wohnraum anbieten zu wollen. Eine 4 1/2-Zimmer-Wohnung kostet in der Siedlung deshalb etwa 2000 Franken pro Monat.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
Baugenossenschaft Waidberg, Zürich
Architektur
Duplex Architekten, Zürich
Bauleitung
GMS Partner, Zürich-Flughafen
Baumeister / Montagebau Holz
Implenia, Dietlikon
Statik Holz
Timbatec, Zürich
Bauphysik
Wichser Akustik & Bauphysik, Zürich
Landschaft
Studio Vulkan, Zürich
Weitere Informationen
Gebäude
Anzahl Wohnungen: 110 und 4 Gewerbe
Grundstücksfläche (SIA 416): 17 300 m²
Holz und Konstruktion
Mischbauweise: Holz und Beton
Anzahl Elemente: 972
Dreischichtplatten: Süddeutschland, Österreich
Konstruktionsholz: Schweiz, Österreich, Süddeutschland
Daten
Rohbaumontage: 175 Tage
Bauzeit: 11 Monate
Kosten
Konstruktion: 4.23 Mio CHF inkl. Fassade
Gebäude: 42.5 Mio CHF
Der Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz IV – Megatrends als treibende Kräfte», ein Projekt im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) und in Zusammenarbeit mit Wüest Partner. Weitere Artikel zum Thema Holz haben wir in einem E-Dossier zusammengestellt.