Fjor­de oh­ne Fäh­ren

Editorial TEC21 9/2024

Publikationsdatum
03-05-2024

Der nördliche Rand Europas ist irgendwie ruhig. Hört man bei uns etwas aus den skandinavischen Ländern, sind das am ehesten Meldungen aus Königshäusern, von Möbel­fabrikanten oder Musikgruppen. Oder wenn ein NATO-Beitritt ansteht. Und selbst dann wird mehr über die südlichen Herrscher geredet, die solche Unterfangen aufschieben, um selbst in eine bessere Verhandlungsposition zu gelangen. Aus unserer zentraleuropäischen Sicht bleibt der Norden Europas eine Randerscheinung: ­Gefestigte Demokratien, wohlhabend, ruhig, oft in Dunkelheit gehüllt – da passiert nicht viel. Sie scheinen irgendwie «cool» zu sein, die Skandinavier.

In Bezug auf das Bauwesen des Nordens, etwa den Tunnelbau, ist unsere Wahrnehmung ähnlich lückenhaft. Unsere zentrale Barriere sind die Alpen. Auf ihnen und dem Bau von Basistunneln liegt derzeit unser Fokus. In Norwegen hingegen könnte man sich fast in die visionären 1970er-Jahre zurückversetzt ­wähnen, als die Brenner-Autobahn und die Gotthardroute gebaut wurden. Norwegen setzt gerade die E39, eine 1100 km lange, spektakuläre Autobahn über die Fjorde entlang der Küste um. Tunnel oder Brücke – Hauptsache keine Fähre, die Zeit kostet. Konkurrenz von der Eisenbahn ist nicht zu befürchten: Am Meer entlang existiert keine. Und auch Staus wie am Brenner oder Gotthard sind nicht zu erwarten: zu geringes Verkehrsauf­kommen. Sie sind irgendwie «cool», die Norweger. 

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