Fo­rum Bau­kul­tur

Baukultur geht uns alle etwas an. Sie betrifft die gesamte Gesellschaft  – und nicht nur Architekten und Auftraggeberinnen. Darüber waren sich die rund 150 Teilnehmenden am diesjährigen Baukultur Forum im Zentrum Paul Klee in Bern einig. Doch was genau umschreibt Baukultur?

Publikationsdatum
02-10-2023

Seit der vom Bundesamt für Kultur (BAK) 2018 verabschiedeten Erklärung «Eine hohe Baukultur für Europa» in Davos wird das Thema in der Schweiz interdisziplinär und überregional diskutiert und die Plattform Baukultur Schweiz wurde gegründet. Mit diesem Bundesbeschluss wird Baukultur als ebernso wichtig eingestuft wie Forschungsprojekte in der Biomedizin oder zur Diversität, betonte Carine Bachmann, Direktorin des BAK, an ihrer Begrüssungsansprache zum Baukultur Forum in Bern. Ein wichtiges Ziel sei, die Bevölkerung für die Bedeutung des Orts, an dem sie leben und arbeiten und damit für den Wert des baukulturellen Erbes zu sensibilisieren.

Doch «Baukultur ist nicht nur Architektur» sagte Oliver Martin, Leiter der Sektion Baukultur im BAK. Der Begriff impliziert weitere wichtige Zukunftsthemen rund um das Bauen, ob in der Form des Zusammenlebens oder als Beitrag zum Klimaschutz und zur Biodiversität. So müsse in diesem Zusammenhang auch über die Reduktion vom CO2-Ausstoss diskutiert werden, denn die Energieversorgung und alles, was das Klima verbessere, wie Windräder, Solaranlagen oder offenporige Bepflasterung gehören zur Baukultur genauso wie die stadträumliche Planung. Diese bestimme, wie dicht wir wohnen, wie sich die Nutzungen zusammensetzen oder wie gross der Radius sein soll, um unsere Grundbedürfnisse abzudecken (Stichwort 15-Minuten-Stadt). Damit gehören die Infrastruktur, Landschafts- und Raumplanung genauso zur Baukultur. Je besser alles zusammengebracht, geplant und organisiert werde, desto höher sei die Qualität unserer Baukultur in der Zukunft.

Um hierfür die Weichen zu stellen, wurde sieben strategische Ziele definiert, aus denen sich verschiedene Massnahmen ableiten. Nach der Strategie Baukultur 2020–2023 wurde an der Veranstaltung der Entwurf des Aktionsplan Baukultur 2024–2027 mit nur noch zehn anstatt 41 Massnahmen vorgestellt. Diese Verdichtung begrüssten alle Teilnehmenden des Forums, die vorwiegend die Bereiche Architektur, (Bau-) Kultur, Denkmalpflege, Energie, Bauwesen oder Raumplanung durch Ämter auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene oder Foren, Stiftungen, Vereine oder Hochschulen vertraten. Sie erhielten an der Tagung die Möglichkeit, Stellung zum Entwurf zu nehmen und sich fachlich einzubringen. Anhand unterschiedlicher Schwerpunkte und aus verschiedenen Perspektiven wurden die aufgeführten Massnahmen in Workshops diskutiert.

Was hat Priorität?

Damit die Qualität der Baukultur hochgehalten und gefördert wird, muss sie in die gesetzlichen Grundlagen integriert werden. Deshalb ist es dringend notwendig, die Förderung hoher Baukultur (Art.17 b, c NHG) im Rahmen der Kulturbotschaft (2024) im Bundesgesetz für Natur- und Heimatschutz aufzunehmen. Als weitere wichtige Massnahme stand die Sensibilisierung der Bevölkerung für Baukultur im Vordergrund . Dies ist nur möglich, indem Baukultur die Basis der Gesellschaft erreicht und erlebbar wird, nicht abstrakt, sondern real.

Bereits nach der Evaluation der ersten Strategie lautete die Empfehlung, die breite Diskussion vermehrt in die Öffentlichkeit zu tragen. Als positives Beispiel gelten die vor Kurzem abgehaltenen Dialogtage in Basel. Damit Baukultur nicht nur eine Aufgabe der Fachleute bleibe, müsse sich die Verwaltung für mehr Partizipation öffnen und prozessorientierte Lösungsansätze anbieten. Dass Baukultur im Zusammenhang mit den Themen Nachhaltigkeit, Energie und Klima steht, ist unter Fachleuten unbestritten. Doch für die breite Bevölkerung sei dies nicht immer nachvollziehbar. Für sie steht Baukultur oft im Widerspruch mit dem Energiediskurs.

Wie nachhaltig gelebt werden kann, lässt sich durch gute Vorbilder aufzeigen, die in vielen Gemeinden bereits sichtbar sind. Anstatt Nachhaltigkeit vorzuschreiben, lernt die Bevölkerung durch  Partizipationsprozesse, Verantwortung zu übernehmen. Sobald die baukulturelle und interdisziplinäre Arbeit mehr aus der Basis der Gesellschaft und weniger auf institutioneller Ebene gefördert wird, sei erstere mit der Frage konfrontiert, wie Ideen zu Baukultur finanziert und organisiert werden können.

Den grössten Hebel sahen die Teilnehmenden beim Verankern der Baukultur im Bildungssystem; so sollte das Thema Baukultur in die bestehenden Schulfächer, wie Geschichte, Geografie und Biologie, integriert werden. Dafür wäre die Bildung verschiedener Fachgruppen aus Expertinnen und Pädagogen notwendig. Zugleich müsse klar sein: Bildung ist keine Einbahnstrasse. Indem das Expertenwissen der Jugend – etwa durch eine Art föderale Task Force aus jungen Leuten aus jedem Kanton – genutzt werde, könnte die jüngere Generation ihre Erfahrungen ins Bildungssystem zurückspielen und fühle sich besser repräsentiert.

Um alternative Ansätze anzustossen, braucht es mehr Mut zur Lücke und einen gewissen Verzicht auf Schweizer Perfektionismus. Nur so können neue Bilder von Baukultur entstehen. Auch hier müsste mehr Möglichkeit zum Mitgestalten geschaffen werden. Dafür sollten neben den Kantonen und Fachhochschulen vor allem die kleineren Institutionen und Gemeinden in die Findung alternativer Ansätze einbezogen werden. So können auch Partikularinteressen, vertreten durch Ämter, Einzug finden. Beim Erstellen eines Budgets für die Forschung in der Baukultur ist es wichtig zu verstehen, dass gutes Bauen nicht teuer sein muss. Generell wurde festgestellt: Beim Aufbau eines Baukultur-Monitorings ist die Wertschöpfung zu sehr auf monetäre Ziele ausgerichtet.

Baukulturelle Beratung hingegen ist in den Städten einfacher zu fördern als in kleinen Gemeinden, da letztere weitgehend nach dem Milizprinzip organisiert sind. Um hier nachzuhelfen, sollte am besten über die Kantonsgrenzen hinweg zusammengearbeitet werden. So könne das Gefälle von den Zentren hin zu den kleinen Gemeinden überwunden werden, und die Kleinen können von den Grossen profitieren. Zudem wurde festgehalten, dass viele der im Aktionsplan aufgeführten Massnahmen ein Manko haben: Die Innenentwicklung, Suffizienz und Nachhaltigkeit sollten sich verstärkt auch im Raumkonzept abbilden.

Die Resultate der in den Workshops diskutierten Vorschläge werden in den Entwurf des Aktionsplans 2024–2027 einfliessen. Die Begeisterung für Baukultur bleibt ungebrochen. Wir freuen uns auf das nächste Forum!

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