Frank Gehry – des Meis­ters For­men- und Ma­te­ri­al­re­per­toire

Ausstellung im Los Angeles County Museum of Art

In der ersten grossen Werkschau zu Frank Gehry in Los Angeles dominieren Modelle und Zeichnungen. Eine Kontextualisierung mit Zeitgenossen sowie den nebenhergehenden architektonischen oder auch politischen Diskursen fehlt jedoch.

Publikationsdatum
22-10-2015
Revision
15-11-2015

Frank Gehry gilt als Meister der extrovertierten Formgebung. Die Ausstellung im Los Angeles County Museum of Art, die einfach nur seinen Namen trägt, umfasst über 60 Projekte und 200 Modelle des Architekten und seines Büros. Sie wurde vom Centre Pompidou in Paris konzipiert und ku­ratiert und dort im letzten Jahr parallel zur Eröffnung der Fondation Louis Vuitton gezeigt, die selbst ein Bau von Gehry ist.

Trotz oder ge­rade wegen dieser Projektdichte ­vergibt die Schau ihre Chance, das Œuvre Frank Gehrys in all seinen Facetten zu zeigen. Sie ist dennoch eine inter­essante und sehenswerte Präsentation, die von Gehry Partners mitkonzipiert und gestaltetet wurde.

Durchbruch mit Umbauten

Wer jedoch eine skulpturale Ausstellungsarchitektur erwartet hat, wird enttäuscht. In dem offenen Raum wurde ein mäandernder Parcours errichtet, der sich zurückhält und bis auf eine dicke runde Stütze im Zentrum nicht weiter auffällt. 

Die ersten Projekte des aus Kanada stammenden Gehry, der an der USC und in Harvard Architektur studierte und schliesslich 1962 sein Büro in Los Angeles eröffnete, waren kleinere Umbauten und Eingriffe in Wohnhäuser sowie Atelierbauten befreundeter Künstler. Sie wurden unter «De-Composition/Segmentation», einem der sechs Kapitel, gruppiert.

Gehry interessierte sich hier für die einfache «Stucko-Box», die er von innen heraus aufbrach und in der er den zugrunde liegenden hölzernen «Ballonframe» neu interpretierte, ans Licht holte und zu Brücken, Stegen oder Aussichtsplattformen umfunktionierte. 

International bekannt mach­te ihn der Umbau seines eigenen Wohnhauses in Santa Monica (1977–1978, 1991–1994). Das «Labor mit Budget» war eine Renovation und Erweiterung eines typischen zweistöckigen Bungalows der 1930er-Jahre. Die Materialien, die er einsetzte, um seine Architektur menschlicher zu machen, so der Ausstellungstext, fand er in der Agglomeration: Well­blech, Maschendraht­zaun und rohes Sperrholz.

Verschmelzungen dank Computerprogramm

In den 1980er-Jahren wurde Gehry von Philip Johnsons Konzept des «Ein-Raum-Hauses» beeinflusst. Er brachte die verschiedenen Funk­tionen eines Hauses in einzelnen Gebäuden unter und gestaltete die Zwischenräume nach städtebau­lichen Kriterien.

Im Vordergrund standen dabei die Formfindung sowie die Beziehungen zwischen den Bauten, zum Beispiel bei den Reihen­häusern, die er zusammen mit dem Künstlerpaar Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen entwickelte.

Mit dem Bau des Vitra Design Museums (1989, Weil am Rhein) und dem Entwurf der Lewis Residence (1989–1995, unrealisiert, Lyndhurst, Ohio) begann eine neue Phase in Gehrys Arbeit.

Mithilfe der Software ­CATIA, die aus der Auto- und Flug­zeug­her­stellung stammte, entwickelte er ein neues Pro­gramm, mit dem auch Bauunternehmer und Ingenieure ­kontinuierliche Formen kreieren konnten. Wände und Dächer werden zu einer Oberfläche, ehemals fragmentierte Formen und Volumen verschmelzen. Zu den ersten Beispielen zählt das Guggenheim-Museum in Bilbao. 

Stadt als Inspiration

In der Ausstellungspräsentation liegt der Schwerpunkt auf Modellen, wohl um die städtebauliche Aus­einandersetzung des Architekten zu demonstrieren, die, wie in den Begleittexten behauptet wird, die wichtigste Inspirationsquelle für seine Gebäude sei.

Dies lässt sich jedoch kaum nachvollziehen. Die wie Kunstwerke gerahmten, in leicht schräg gestellten Sperrholzvitrinen präsentierten Skizzen werden wie Archi­tektur­pläne behandelt und sollen die Einzigartigkeit der Gebäude vermitteln, während Videobildschir­me einige realisierte Projekte zeigen. 

Bemerkenswert ist, dass Frank Gehry, mittlerweile 86 Jahre alt, nicht an Innovation nachge­lassen hat. Nach wie vor sind die wilden, fliegenden, fragmentierten Fassadenelemente und organisch geschwungenen Innenräume sein Markenzeichen.

In den letzten fünf Jahren wurden die Gebäudehüllen statt in Titan in Glas erstellt, zum Beispiel beim Novartis Campus in Basel oder bei der schon genannten Fondation Louis Vuitton in Paris. Bei Letzterer wurde jedes der 3600 ­Glaspaneele unterschiedlich gekrümmt – so entstanden identifi­zierbare Grossformen, die jedoch aufgrund ihrer filigranen Materialität Baumkronen oder Wolken assoziieren sollen und sich trotz ihrer Grös­se in die Umgebung einpassen. 

Ein Raum mit aktuellen Pro­jekten wie dem Sunset-Boulevard-­Komplex mit gemischten Nutzungen ergänzt die Werkschau. Das stark diskutierte städtebauliche Konzept für den Los Angeles River wird leider nicht gezeigt. Dies lässt die neuesten Produktionen, etwa das Headquarter von Facebook, zahm erscheinen – allerdings veranschaulicht die (noch bis 20. März 2016 laufende) Ausstellung auch, dass die architektonische Form- und Ideenfindung mit dem Bauherrn steht und fällt.

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