Gerettete Pläne
Landsitz Ury, Berlin, 1913–1915
Der Landsitz Ury in Berlin wurde 1944 zerstört – samt der Parkanlage, die Leberecht Migge 1915 realisiert hatte. Migges Familie hatte seine Bürounterlagen schon zehn Jahre früher vernichtet. Doch 2016 tauchten 46 Pläne zum Projekt auf und ermöglichen eine faszinierende Spurensuche.
Private Haus-, Guts- und Villengärten stellen den Schwerpunkt des Konvoluts von Leberecht Migge dar, das 2016 im Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur ASLA entdeckt wurde. Die meisten dieser Gärten waren bisher unbekannt, weil sie zu Migges Lebzeiten nicht publiziert worden waren. Doch selbst bei publizierten Projekten war die Dokumentation spärlich: Zeitgenössische Artikel zeigten Gärten meist mit wenigen Abbildungen, in der Regel mit Publikationsplan und ergänzenden Fotos oder Perspektiven.
Die Projektdokumentation über den Landsitz Ury im Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur ist daher einzigartig. Sie stammt aus dem Nachlass des Schweizer Landschaftsarchitekten Walter Leder (1892–1985), der bei Migge gearbeitet hatte, nach der Auflösung des Büros in die Schweiz zurückkehrte und dabei Pläne mitnahm (diese Pläne wurden 2016 im Archiv des ASLA gefunden). Leder kam allerdings erst etwa fünf Jahre nach Fertigstellung des Gartens Ury ins Büro Migge. Warum er so viele Darstellungen zu einem Projekt, an dem er selber nicht gearbeitet hat, in die Schweiz mitgenommen hat, ist unklar.
Die 46 Blätter zum Garten Ury zeigen den gesamten Arbeitsprozess, von den ersten topografischen Aufnahmen des Grundstücks über verschiedene Projektvarianten bis zu den Ausführungsplänen der Bauten und den Pflanzplänen. Das ermöglicht einen einmalig tiefen Einblick in die Arbeitsweise des Büros Migge. Der Bauherr war der Kaufmann Moritz Ury; die Villa entwarf der bekannte Theaterarchitekt Oskar Kaufmann. Das Haus wurde im Februar 1914 fertiggestellt, der Garten 1915. Die Pläne zu der knapp 7000 m2 grossen Anlage am Koenigssee in Berlin stammen aus einem Zeitraum zwischen 1913 und 1915.
Migge beginnt das Projekt als Angestellter in der Gartenbaufirma Jacob Ochs; die früheste Version ist noch von Ochs unterschrieben. Kurze Zeit später macht sich Migge selbstständig und legt eine zweite, viel gewagtere Variante vor. Diese ist dem Bauherrn vermutlich zu neuartig, er lehnt sie ab. Migge schlägt weitere, weniger aussergewöhnliche, dafür aber repräsentativere Entwürfe vor, von denen einer weiter modifiziert und schliesslich ausgeführt wird. Zu vielen Einzelelementen, etwa zu den raumbildenden Wänden der Zufahrt oder zum Wasserpavillon, existieren reiche Detailstudien in Varianten.
Mehr zu Leberecht Migge finden Sie in TEC21 34/2017. Aktuelle Aufnahmen des ehemaligen Landsitzes Ury und weiterer teilweise erhaltener Anlagen finden Sie hier.