Güns­ti­ger Miet­woh­nungs­bau

An begehrten Lagen werden heute meist Eigentums- oder Mietwohnungen im oberen Preissegment erstellt. Eine sehr lesenswerte neue Studie zeigt, dass der Bau günstiger Mietwohnungen ebenso rentabel und damit für Investoren durchaus interessant sein kann. In Bezug auf Grösse und Standard der Objekte gibt es allerdings Einschränkungen.

Publikationsdatum
29-10-2012
Revision
01-09-2015

In grossen Städten und an anderen begehrten Lagen in der Schweiz herrscht auf dem Wohnungsmarkt seit einigen Jahren ein starker Nachfrageüberhang. Die Bodenpreise und die Angebotspreise für Miet- oder Eigentumswohnungen sind in der Folge stark angestiegen. Industriebrachen werden überbaut, Altbauten instandgestellt oder ersetzt; doch die neuen Wohnungen sind in der Regel teurer als der Bestand, was die Knappheit an bezahlbaren Objekten auf dem freien Markt noch weiter verschärft. Die Bautätigkeit von Genossenschaften reicht nicht aus, um diesen Mangel zu kompensieren. Vor allem Familien wandern in die Peripherie ab. Die Herausgeber der Ende Juni veröffentlichten Studie – das Bundesamt für Wohnungswesen, Halter Unternehmungen und Pensimo Management – sind deshalb der Frage nachgegangen, ob auch Mietwohnungen in einem tieferen Preissegment für Investoren von Interesse sein könnten.

Günstige Wohnungen an guten Lagen als Anlagestrategie

Erfahrungsgemäss begünstigen hohe Bodenpreise aus renditetechnischer Sicht den Bau von teuren Eigentumswohnungen und die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumsobjekte. Doch Investoren, die sich an einer langfristig sicheren Rendite orientieren, können und wollen sich nicht einzig auf diese Dynamik verlassen. Bei solchen Investoren setzt die Studie mit folgenden Fragen an: «Sollen sie weiterhin dem aktuellen Trend folgen und an zentralen Lagen ausschliesslich in Objekte für die zahlungskräftige Nachfrage investieren? Oder wäre es nicht zuletzt zwecks Portfolio-Diversifikation sinnvoll, auch an attraktiven Standorten neue Wohnungen zu erstellen, die für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich sind und diesen ermöglichen, zentral zu wohnen? Ist es überhaupt möglich, dort Wohnungen zu erstellen, die eine ähnliche Rendite abwerfen wie konventionelle «Mainstream-Produkte» und ohne staatliche Verbilligungsbeiträge für die Zielgruppe bezahlbar sind » Der Titel der Studie gibt eine klare Antwort: ««Günstiger» Mietwohnungsbau ist möglich. Herausforderungen, Perspektiven und Ansätze für die Projektentwicklung im kompetitiven Umfeld zentraler Standorte».

Kleinere Wohnungen, tiefere Standards, höhere Dichte

Von besonderem Interesse ist, dass die Autoren ihre These mit konkreten, an einem realen Beispiel orientierten und leicht nachvollziehbaren Zahlen belegen. Sie zeigen auf, mit welchen planerischen und baulichen Massnahmen die Erstellungskosten pro Wohnung gesenkt werden können. Als Rechenbeispiel dient eine kürzlich in Zürich-Altstetten realisierte Überbauung mit 116 Mietwohnungen im oberen Preissegment. Für dasselbe Grundstück wurden Wohnungen konzipiert, die – bei gegebenem Landpreis – für Normalverdiener bezahlbar sind und die Renditeerwartungen des Investors erfüllen. Wie die Modellrechnungen zeigen, kann das Ziel erfüllt werden. Sie zeigen aber auch, dass es in Bezug auf die Grösse, die Materialisierung und den Ausbaustandard der Wohnungen einige Abstriche in Kauf zu nehmen gilt.
Konkret:

  • weniger Fläche pro Wohnung
  • mehr Wohnungen auf dem Grundstück
  • höherer Wohnflächenanteil
  • günstigere Ausrüstung und Materialien
  • Standardisierung von Bauteilen

Die günstigen Wohnungen kosten auf diese Weise rund 12–15% weniger, haben aber auch weniger zu bieten. Wie eine Nachfrageanalyse belegt, entsprechen sie dennoch den Präferenzen vieler Bewohnergruppen, die bereit wären, zugungsten einer zentralen Lage auf manche andere Annehmlichkeit zu verzichten. Eine positive Folge solcher Mehrfamilienhäuser wäre zudem ein im Vergleich mit konventionellen Bauten haushälterischer Umgang mit dem Boden. Die Studie demonstriert auch, dass mehrere planerische und architektonische Hebel angesetzt werden müssen, um die Mietpreise spürbar zu senken. Eine der Rechnungstabellen etwa zeigt, dass eine 117.5m2 grosse 4.5-Zimmerwohnung nach gängiger Bauweise 3010 Franken pro Monat kostet und eine 84.4m2 grosse 4.5-Zimmerwohnung nach günstiger Bauweise 2156 Franken pro Monat. Die interessierte Leserin kann nun leicht nachrechnen, dass die Preise pro Quadratmeter und Monat bei beiden Varianten fast gleich sind. Wer sich für eine günstige Wohnung entscheidet, mietet also nicht nur weniger Fläche, sondern bekommt – weil die günstigen Wohnungen einen niedrigeren Standard aufweisen – de facto weniger für sein Geld. Das mag auf den ersten Blick irritieren, liegt aber in den hohen Infrastrukturfixkosten begründet.

Kein Verzicht auf architektonische Qualität

Die Studie und die ebenfalls erhältiche Zusammenfassung (beide pdf zum download: siehe oben) sind eine lohnende Lektüre. Sie sind klar strukturiert und leicht verständlich, und die Rechenbeispiele sind für Bauherrschaften wie Planende gleichermassen nützlich. Die Fokussierung auf die Sicht von Investoren ohne philantropische Anliegen, die ganz pragmatisch eine solide Rendite anstreben, macht Sinn. Was die Studie nicht eigens betont, aber auf der Hand liegt: Je kleiner die Wohnung, desto wichtiger ist eine hohe architektonische Qualität. Auf engem Raum machen sich konzeptionelle Schwächen besonders schmerzhaft bemerkbar. Auch wenn es hier nicht um die Wohnung für das Existenzminimum geht: Die platzsparende, verdichtete, kompakte, teilweise standardisierte Bauweise mit einfachen Materialien stellt eine besonders anspruchsvolle Entwurfsaufgabe dar.

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