«Hofanbaukultur» in Olten
Projektwettbewerb Kunstmuseum Olten und Wohn- und Geschäftshaus
Das Kunstmuseum Olten zügelt ins Nachbarhaus. Das frei werdende Gebäude soll ersetzt werden. Buchner Bründler Architekten – bekannt für ihren brachialen Umgang mit dem Bestand – überraschen hier mit leisen Tönen, indem sie beide Liegenschaften behutsam umbauen und erweitern.
Als eines der kleinsten Ausstellungshäuser des Landes verfügt das Kunstmuseum Olten über eine Sammlung mit Schweizer Werken von überregionaler Bedeutung. Seine Ausstellungen finden nationale und internationale Beachtung. Das grosse Engagement in Bildung und Vermittlung sowie regelmässige Publikationen und eine rege Forschungstätigkeit tragen wesentlich zum kulturellen Selbstverständnis der Region bei. Mit einem Umzug sollen Barrieren abgebaut und das Angebot erweitert werden.
Heute ist das Kunstmuseum Olten in der Liegenschaft an der Kirchgasse 8 untergebracht. Der Standort ist sanierungsbedürftig, die zulässigen Nutzlasten sind ungenügend, und die Erdbebensicherheit ist nicht gewährleistet. Das Museum soll deshalb in das benachbarte ehemalige Munzingerschulhaus von 1840 umziehen. Aufgrund der Gebäudestruktur mit grosszügigen, hohen Räumen und dem robusten Tragwerk eignet es sich gut für die neue Verwendung. Fehlende Nutzungen können in einem Anbau auf der Rückseite zum Munzingerplatz untergebracht werden.
Am heutigen Standort ist im Erdgeschoss ein Geschäftslokal mit Läden, Galerieräumen oder einer Museumscafébar vorgesehen. Im ersten Obergeschoss sind Büro-, Praxis- oder Galerienutzungen geplant, und in den drei Obergeschossen sollen sechs Wohnungen untergebracht werden. Die Zustandsanalyse hat einen erheblichen Sanierungsbedarf ergeben. Die notwendigen Anpassungen des Tragwerks sind sehr aufwendig, weshalb die Analyse empfiehlt, das bestehende Gebäude durch einen Neubau zu ersetzen.
Für beide Liegenschaften hat das Gemeindeparlament Anlagekosten zwischen 17 und 23 Millionen Franken bewilligt. Zur Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe hat die Stadt Olten einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren für Generalplanerteams ausgeschrieben. Die Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 galt subsidiär zu den Bestimmungen des öffentlichen Beschaffungswesens. Von den eingegangenen 98 Bewerbungen wurden 14 Teams zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen. Trotz den einschränkenden Rahmenbedingungen zeigen die Wettbewerbsbeiträge ganz unterschiedliche Lösungsansätze.
Respekt vor dem Bestand
Einstimmig empfiehlt die Jury den Entwurf «Vedo Dove Devo» des Teams Buchner Bründler Architekten zur Weiterbearbeitung. Er sieht vor, beide Gebäude zu erhalten und schonend umzubauen. Gerade in Bezug auf die Nachhaltigkeit und den Umgang mit Ressourcen ist dieser Beitrag für die Jury wegweisend. Die Erweiterung auf der Rückseite zum Munzingerplatz ordnet sich dem Bestand unter und spricht doch eine eigenständige Sprache. Sie ist in der Höhe und im Grundriss subtil gestaffelt und gegliedert. Der weitläufige Innenhof ist unterteilt in einen neuen intimen Platz der Begegnung, der durch den verdichteten Baumbestand aus Säuleneichen, Eiben, Föhren und Magnolien kreisförmig gefasst wird, und den offen gehaltenen Munzingerplatz.
Das neue Kunstmuseum schöpft seine Stärke aus dem sichtbaren, robusten Tragwerk und dem Anbau mit den neuen Ausstellungsräumen im Erdgeschoss und dem Oberlichtsaal im ersten Obergeschoss. Im bestehenden Gebäude sind der Empfang im Erdgeschoss und vier Kabinette im ersten Obergeschoss untergebracht. Im zweiten Obergeschoss befindet sich die Verwaltung des Museums und im Dachgeschoss das Grafikdepot.
Das Gebäude an der Kirchgasse 8 wird sanft umgebaut. Mit der Entfernung des Balkons und der Schlagläden sowie durch die Verkleinerung der Dachgauben integriert es sich besser in die Häuserzeile. Neue, sprossenlose Fenster tragen zudem dazu bei, die Verwandtschaft zwischen den beiden klassizistischen Gebäuden zu betonen. Eine L-förmige Erweiterung spart zwei Lichthöfe aus und bietet auf dem Dach eine Gemeinschaftsterrasse für die Kleinwohnungen in den Obergeschossen. Das Erdgeschoss ist der Gastronomie vorbehalten, und im ersten Obergeschoss befinden sich Büros.
Zweieiige Zwillinge
Das Projekt «Petit chardon» des Teams von pool Architekten im zweiten Rang verstiess gegen wesentliche Rahmenbedingungen und wurde deshalb mit dem ersten Ankauf ausgezeichnet. Die Erweiterung des Kunstmuseums übernimmt die Traufhöhe und Dachform des Bestands als Zwillingsbau und überschreitet damit bewusst die vorgegebenen Höhen. Das bestehende Treppenhaus wird aufgehoben und durch eine Erschliessung im Neubau ersetzt. Dazu kommen weitere Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz wie grosse Durchbrüche zum Anbau, die Verglasung des Haupteingangs zur Kirchgasse und die Verbreiterung der seitlichen Fenster zu Türöffnungen. Alle diese Gründe haben zum Verdikt der Denkmalpflege «nur teilweise denkmalverträglich» geführt. Auch die Jury hat die «Strategie des ebenbürtigen Erweiterns» kontrovers diskutiert.
Das Freiraumkonzept verbindet den ganzen Innenhof zwischen südlicher Häuserzeile, den westlich angrenzenden Wohnhäusern, dem Haus der Museen und der Stadtkirche St. Martin. Ein Durchgang im Wohn- und Geschäftshaus und eine öffentlich zugängliche Galerie, die das neue Kunstmuseum in der Mittelachse durchquert, verbinden die Kirchgasse mit dem Innenhof. Im Erdgeschoss des Kunstmuseums befindet sich neben dem Sekretariat auch die zugehörigen Direktionsräume. Die Ausstellungsräume in den Obergeschossen sind durch einen Rundlauf untereinander verbunden. Das Wohn- und Geschäftshaus bleibt bestehen und wird umgebaut. Ein Laubengang mit Aussentreppe erschliesst die Wohnungen in den Obergeschossen auf der Rückseite.
Ménage à trois
Mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde der Beitrag des Teams von Malte Kloes Architekten. Das Projekt setzt sich aus drei klar umrissenen Volumen zusammen. Das neue Kunstmuseum wird durch einen Kubus erweitert, der vom Bestand abgesetzt ist und so die Eingriffe in die Fassade des Altbaus minimiert. Das Wohn- und Geschäftshaus wird abgebrochen und innerhalb der Mantellinie des Bestands neu erstellt. Durch den kleinen Fussabdruck entsteht ein weitläufiger Hofraum mit grossem Potenzial für das Museum und die Anwohner, das jedoch leider mit den grossen Anlieferungs- und Parkierungsflächen nicht ausgeschöpft wird. Die Denkmalpflege attestiert dem Beitrag «einen verträglichen Umgang mit der denkmalgeschützten Bausubstanz».
So viel wie nötig …
Der Entwurf mit dem Kennwort «Ich sehe, wo ich muss» von Buchner Bründler Architekten ist sehr austariert. Er hält sich an das vorgegebene Profil, umgarnt die Denkmalpflege mit einer vertieften Analyse des Bestands und besticht durch eine differenzierte Aussenraumgestaltung mit dem intimen Platz der Begegnung und dem offenen Munzingerplatz. Die neuen Volumen sind mit Gesimsen, Rücksprüngen und Absätzen geschickt gegliedert, sodass sie sich geschmeidig in den Gebäudebestand einfügen, ohne sich ihm anzubiedern. Die Fassaden zum Innenhof werden aufgewertet. Aus Rückseiten werden Schauseiten. Die Jury erfindet dafür sogar ein eigenes Genre: «die Hofanbaukultur».
Anonymer einstufiger Projektwettbewerb für Generalplanerteams im selektiven Verfahren
Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch
Auszeichnungen
1. Rang / 1. Preis: «Vedo Dove Devo»
Buchner Bründler Architekten, Basel; Proplaning, Basel; Robin Winogrond Landscape Architecture + Urban Design, Zürich; zpf Structure, Basel; Bogenschütz, Basel
2. Rang / 1. Ankauf: «Petit chardon»
ARGE pool Architekten / Takt Baumanagement; Studio Vulkan Landschaftsarchitektur; Ingeni; Eicher + Pauli; Durable Planung und Beratung; alle Zürich
3. Rang / 2. Preis: «Assemblage»
Malte Kloes Architekten, Zürich; Land Schafft, Sursee; Caprez Ingenieure, Zürich; Gruenberg + Partner, Zürich; EK Energiekonzepte, Zürich
4. Rang / 3. Preis: «Annetta»
Schmidlin Architekten, Zürich; Walter Dietsche Baumanagement, Chur; Andreas Geser Landschaftsarchitekten, Zürich; Makiol Wiederkehr Ingenieure Holzbau, Beinwil am See; RMB Engineering, Zürich
5. Rang / 2. Ankauf: «Achteinhalb»
ARGE Weyell Zipse Architekten, Basel / Truwant + Rodet, Basel; HSSP, Zürich; August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen; wh-p Ingenieure, Basel; Ingenieurbüro Stefan Graf, Basel; Nova Energie Basel, Basel
6. Rang / 4. Preis: «KuMu»
Conen Sigl Architekten, Zürich; Eder Landschaftsarchitekten, Zürich; Seforb, Uster; Zurfluh Lottenbach, Luzern; BWS Bauphysik, Winterthur
FachJury
Martin Steinmann, Architekt, Aarau; Stephanie Bender, Architektin, Lausanne; Marlis David, Landschaftsarchitekt, Solothurn; Lars Mischkulnig, Architekt, Biel; Marco Zünd, Architekt, Basel; Stanislas Zimmermann (Ersatz), Architekt, Zürich
SachJury
Iris Schelbert-Widmer, Stadträtin Direktion Bildung und Sport; Marion Rauber, Stadträtin Direktion Bau; Markus Dietler, Stadtschreiber, Leiter Direktion Präsidium; Dorothee Messmer Bakker, Direktorin Kunstmuseum Olten; Kurt Schneider, Stadtbaumeister, Leiter Direktion Bau