Holz neu verflochten
Im norwegischen Stavanger steht seit 2019 ein Bankgebäude aus Holz. Der unter Beteiligung des Schweizer Holzbauingenieurs Hermann Blumer entwickelte Bau lotet die Möglichkeiten des Materials aus – in konstruktiver wie in ästhetischer Hinsicht.
Eines der aktuell beeindruckendsten Bürogebäude aus Holz steht im norwegischen Stavanger. Das im Grundriss dreieckige Hochhaus dient der norwegischen SpareBank seit 2019 als neuer Hauptsitz und ist zugleich – nach einer ausgiebigen, auf das Material Holz fokussierten Planungsgeschichte – ein weltweit beispielhaftes Vorzeigeprojekt für ökologisch sinnvolles Bauen. Dabei zeigt die Holzkonstruktion auf, dass Hartnäckigkeit, Erfahrung und Fachwissen zu weiterentwickelten Projekten führen können – in diesem Fall vor allem sichtbar in der beeindruckenden Treppenlandschaft im Innenhof des Baus. Holz als Baumaterial lag keinesfalls auf der Hand, denn die freien Spannweiten für die Tragelemente schienen zu gross, die Schwingungsanfälligkeit zu riskant und der Brandschutz kaum umsetzbar.
Formales und baukulturelles Bindeglied
2014 hatte das Architekturbüro Helen & Hard aus Stavanger gemeinsam mit SAHHA aus Oslo und den Ingenieuren von Création Holz aus der Schweiz sowie Degree of Freedom aus Oslo den internationalen Wettbewerb für den Bau des neuen Hauptsitzes gewonnen. Das triangelförmige Grundstück liegt mitten im Zentrum der Stadt; es grenzt im Norden an einen Park und im Süden an eine kleinkörnige Bebauung mit geschützten Holzhäusern, die Teil des Unesco-Weltkulturerbes sind.
Nach Osten hin drückt das Gebäude einen eher städtischen Charakter aus; die lang gestreckte, 83 m lange Fassade entwickelt sich parallel zur Strasse allmählich in die Höhe. Hier schafft das Gebäude einen geschützten Gehweg, der auch eine Bushaltestelle aufnimmt. Um den Baukörper in die Umgebung einzubetten, erhebt sich seine Spitze im Norden sechsgeschossig in die Höhe, der Süden bleibt nur halb so hoch. Dort öffnet sich das Volumen, und zwischen den beiden Schenkeln ist das Atrium verortet. Es lässt Licht in den Arbeitsraum, wo Büroplätze entlang der Aussenfassade angeordnet sind. Zum Atrium hin sind die informellen Treffpunkte orientiert, sie dienen als Puffer zwischen Erschliessung und Ruhezone.
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Während sich das Gebäudevolumen kantig und geradlinig zeigt, weist der Innenraum organische Formen auf. Holzgalerien und Holztreppenläufe sind spektakulär geschwungen und kragen so grosszügig aus, dass man daran zweifelt, ob diese Konstruktion tatsächlich aus Holz besteht. Plan des Siegerteams war von Anfang an, das Haupttragwerk in Holz auszuführen. Ökologische Aspekte des Baustoffs sprachen dafür, ebenso der geringere Energieverbrauch in der Produktion, das bessere Innenraumklima, die raschere Montage und sogar das Argument der Stärkung der traditionellen Identität Stavangers als Holzstadt.
«Es ist zudem erwiesen, dass Holz zu erhöhter Luftqualität und zu einem optimaleren Feuchtigkeitsgehalt und schliesslich auch zu Stressreduktion und zu erhöhtem Wohlgefühl im Innenraum beiträgt – kurz also ein besseres Arbeitsklima schafft», streicht Reinhard Kropf hervor, Partner des norwegischen Architekturbüros Helen & Hard. Doch die Bauherrschaft war skeptisch – war ein derartiges architektonisches Bild wirklich in Holz und im vorgegebenen Kosten- und Zeitrahmen umsetzbar?
Holz sticht Stahlbeton – fast
Das Planerteam zog Hermann Blumer bei – der Holzbauspezialist aus Waldstatt AR begleitet weltweit Architekturprojekte, entwickelt dafür die Holzkonstruktion und führt die notwendigen statischen Bemessungen durch bzw. ermittelt die statische Machbarkeit, so auch schon bei Projekten von Helen & Hard. Die Architekten hatten sich zum Ziel gesetzt, wo immer möglich mit Holz zu planen, Hermann Blumer war daher mehrere Jahre auch im Beirat des Büros beratend tätig.
In einem aufwendigen und iterativen Findungsprozess näherte er sich der Konstruktionslösung an. Analytisches Denken, gemischt mit Erfahrung aus Vorgängerprojekten wie dem Tamedia-Gebäude in Zürich (vgl. TEC21 46/2013), und aufgebautes technisches Wissen zu Holzverbindungen führten zu diesem Tragwerk in neuartiger Ausführung. «Aber erst ein Kostenvergleich zu einer Stahlbetonvariante und ein Mock-up überzeugten die Projektverantwortlichen bei der Bank von der Sinnhaftigkeit eines Holzbaus», so Kropf. Der Vergleich ergab, dass ein Holzbau lediglich 1.4 % teurer wäre, und das Modell eines Tragwerksegments im Massstab 1 : 1 offenbarte die Machbarkeit der Konstruktion und der Verbindungen sowie die Umsetzbarkeit der Akustik und der integrierten Gebäudetechnik.
Heiss rechnen hilft
Relevant für die grundsätzliche Umsetzbarkeit der sichtbaren Holzkonstruktion war die Erfüllung der Brandschutzanforderung. Die gesamte Konstruktion ist auf einen hohen Brandschutzwiderstand von REI90 ausgelegt. Umgesetzt haben die Ingenieure sie mit der sogenannten Heissbemessung: Mit dieser Dimensionierung von tragenden Holzelementen wird der gemäss einer Kaltbemessung statisch erforderliche Holzquerschnitt vergrössert, d. h. mit einem Übermass von 21 mm pro 30 Minuten Abbrand bemessen. Dabei bedient man sich des natürlichen Abbrandverhaltens von Holz: Der bei einer Feuereinwirkung entstehende, statisch verlorene verbrannte Holzkohlebereich isoliert aufgrund seiner geringen Leitfähigkeit und schützt den intakten Teil des Holzes, der kalt und tragfähig bleibt.
Auch nach einem Brandfall bleibt – bei einer entsprechenden Dimensionierung – genügend Holzmaterial übrig, um die anfallenden Traglasten aufzunehmen. Die Holzkohle kann nach einem Brand sogar entfernt und der Holzträger rekonstruiert bzw. wieder zum sichtbaren Tragelement reprofiliert werden. Die Stärke dieser notwendigen Kohleschicht lässt sich berechnen und entspricht ebendiesem vergrösserten Querschnitt. Die BauBuche-Dübel gelten als in den Holzquerschnitt integriert und sind dadurch im Brandfall geschützt. In Bezug auf die Kaltbemessung sind die brandgeschützten Tragelemente zwar überdimensioniert. Dafür kann man aber auf aufwendige Brandschutzbekleidungen mit Gipsplatten verzichten und die rohen Holzoberflächen sichtbar belassen. Dies ist letztlich die Grundlage für die Ausstrahlungskraft des Innenraums dieses Gebäudes, das die architektonischen und ästhetischen Qualitäten von Holz im positiven Sinn grenzwertig auszuloten vermag.
Anmerkung
1 BauBuche ist ein von der Firma Pollmeier (D) entwickeltes Furnierschichtholz aus Buchenholz. Beim Schweizer Äquivalent «Fagus» – in dessen Entwicklung Hermann Blumer involviert war – werden die Balken aus Latten mit Leim statt mit Furnieren wie beim Produkt BauBuche zu.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft
SpareBank 1 SR-Bank, Stavanger
Architektur
Helen & Hard, Stavanger; SAAHA, Oslo
Tragwerksplanung
Degree of Freedom, Oslo, in Kooperation mit Création Holz, Herisau
Holzbau
Moelven Limtre, Moelv (N)
Treppenbau
Hokon Treppen, Witten (D)
Systemlieferant
Hess Timber, Pollmeier, Kleinneubach (D)
Baukosten
40 Mio. Euro
Fertigstellung
November 2019
Mengenverbrauch
BauBuche
Tragwerk 410 m3
Bodenbelag 3500 m2
Nachhaltigkeitsstandard
Das Zertifikat «BREEAM Outstanding» wird angestrebt (Verleihung voraussichtlich im Februar).