Holzbau und Erdbebensicherheit
An der S-WIN-Tagung «Von der Forschung zur Praxis» vom 26. Mai 2021, im Vorfeld des Holzbautags der Fachhochschule Biel, wurde die neue Norm bezüglich Erdbebensicherheit und einige technische Entwicklungen im Bereich Holzbau vorgestellt.
Die Erdbebengefährdung liegt in der Schweiz gemäss Bundesamt für Umwelt BAFU im europäischen Vergleich auf mittlerem Niveau. Aufgrund der dichten Besiedlung und der hohen Sachwerte konzentriert sich das Risiko auf die grossen Ballungszentren. Aber Erdbebensicherheit ist für Bauten in der ganzen Schweiz notwendig.
Bezüglich Erdbebengefahr wurde in der Schweiz eine neue und differenzierte Zonierung vorgenommen – es gelten jetzt fünf Zonen. Das ist auch in die schweizerischen Baunormen eingeflossen. Die seit Mitte 2020 geltende Norm SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke – Ergänzende Festlegungen» nimmt darauf Bezug. Die Organisation Swiss Wood Innovation Network S-WIN hat im Vorfeld des Holzbautags 2021 eine Tagung zum Thema als Webinar veranstaltet. Der Anlass unter dem Titel «Erdbebensicherheit und Brettsperrholz» behandelte die durch diese neue Norm gegebenen Forderungen und die entsprechenden Auswirkungen auf die Bemessung und Ausführung von Holzkonstruktionen.
Die Differenzierung in fünf Erdbebenzonen erfordert neue Antwortspektren für die verschiedenen Baugrundklassen und Anpassungen der Bedeutungsbeiwerte für den Nachweis der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit der Bauwerksklasse III (lebenswichtige Infrastrukturfunktion). Die elastischen Antwortspektren der verschiedenen Baugrundklassen A–E wurden beachtlich geändert, um mit jenen der künftigen Revision der EC8 kompatibel zu sein. Diese Modifikationen wurden durch die Anpassung der Parameterwerte eingeführt.
Dynamische Eigenschaften von Holzrahmenbauten
Mit Unterstützung des BAFU hat das Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur AHB der Berner Fachhochschule BFH ein Forschungsprojekt zu den dynamischen Eigenschaften von Gebäuden in Holzrahmenbauweise abgeschlossen. Im Frühjahr 2019 wurde in Chamoson (Wallis) ein viergeschossiges Testgebäude (Vgl. «Stadt aus Holz Nr. 6, „Ich plädiere für mehr dynamisches und horizontales Denken») in Holzrahmenbauweise errichtet, das verschiedenen Tests unterzogen wurde, um seine statischen und dynamischen Eigenschaften zu bestimmen. Die so gewonnen Erkenntnisse zur Erdbebensicherheit von Holzrahmenbauwerken betraf u.a. die Steifigkeit der OSB-Holz-Klammerverbindung. Es wurde eine grosse Überfestigkeit der Klammerverbindungen, der Holzrahmenwände und schliesslich des gesamten Gebäudes festgestellt.
Die BFH untersuchte mit der Firma *BSB* die Duktilität von Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen. Die entwickelten Lösungen führten zu einem vorteilhaften Tragverhalten einer solchen Verbindung unter zyklischer Belastung. Dies bildet die Basis für die Entwicklung einer *BSB*-Verbindung, welche in der duktilen Bemessung zum Einsatz kommen könnte. Die zyklische Duktilität und die serielle Aktivierung liessen sich durch den Einsatz von optimierten Stabdübeln und durch geringfügige Anpassungen der Details deutlich steigern.
Hochduktile Verankerungen für den Holzbau
Im Holzbau geht die Entwicklung vermehrt zu grossvolumigen und hohen Bauten, doch ist in der modernen Architektur oft wenig Raum für aussteifende Elemente. Zunehmende Zugkräfte belasten die marktüblichen Standardverankerungen. Die BFH AHB entwickelte gemeinsam mit der Firma Ancotech, Dielsdorf erdbebengerechte Verankerungen die ein hochduktiles Verhalten aufweisen und eine effiziente Umsetzung der Kapazitätsbemessung im Holzbau ermöglichen. Basis des Ankerelements bildet das Baron-C Schraubbewehrungssystem der Firma Ancotech, das ein duktiles Versagen im Bewehrungsstab sichert. Das neue Verankerungselement, «Duktiplex», zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Zum einen wird das Prinzip des BRB (Buckling Restrained Brace) umgesetzt und vor allem in die Holzwand selbst integriert. Zudem besitzt das Ankerelement eine adaptive Steifigkeit, die es ihm ermöglicht, steif gegenüber Wind und weich im Erdbebenfall zu sein.
Grundlagen der Bemessung von Brettsperrholz
Die Beschreibung des Tragverhaltens eines Elements aus Brettsperrholz BSP muss von dessen mehrschichtigem Aufbau der Querschnitte und deren zwei Richtungen ausgehen. Dieses Tragverhalten unterliegt Einwirkungen wie Biegespannung, Schubbeanspruchung und Querdruck. Grundlage zur Beschreibung des Tragverhaltens von BSP-Elementen ist die unidirektionale Holzschicht mit den dazugehörenden mechanischen Eigenschaften, die wiederum von den Holzeigenschaften in Abhängigkeit der Faserrichtung geben sind. Dementsprechend ist das Tragelement eine Scheibe durch die in den Hauptachsenrichtungen wirkenden Kräfte.
Dies entspricht dem sogenannten «Grazer Modell» (entwickelt Ende der 1990er-Jahre an der TU Graz). Dazu wurde ein spezifisches Berechnungsprogramm für BSP-Elemente entwickelt und frei zur Verfügung gestellt, das sich zur Berechnung und Bemessung von beliebigen BSP-Aufbauten einsetzen lässt und für häufig vorkommenden Tragelemente ein FE-Berechnungspaket zur Verfügung stellt. Das Programm wird laufend aktualisiert, ist unabhängig von der verwendeten Systemsoftware und erreichbar über www.cltdesigner.at.
Robuste Konstruktionen
Bauwerke mit Brettsperrholzwänden sind zu unterscheiden in jene, bei denen alle Wände aus Brettsperrholz bestehen (Brettsperrholzbauwerke) oder Bauten, bei denen allein die aussteifenden Wände aus Brettsperrholz bestehen. Bei ersteren Tragwerkstypen sind sämtliche Wände an der Gebäudeaussteifung beteiligt. Regelmässige Grundrisse führen zu einem regelmässigen Tragwerk.
Die Suche geht offenbar Richtung angemessene Konstruktionen, die ein robustes Verhalten unter Einflüssen wie Erdbeben oder Brand versprechen. Doch ist der Schlüssel für ein gelungenes Tragwerkskonzept eine frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren.
Tagungsband
Der Tagungsband «Von der Forschung zur Praxis: Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau – Erdbebensicherheit und Brettsperrholz» (Format A4, 92 Seiten, reich illustriert) kann bei S-WIN kostenlos als Download bezogen werden.