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Erweiterung Wohn- und Werkheim Worben; Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Für die Konkurrenz zur Erweiterung des Wohn- und Werkheims Worben für Menschen mit Beeinträchtigung meldeten sich 50 Büros. Unter den zehn ausgewählten Teilnehmenden konnte Thomas De Geeter Architektur mit Graber Allemann Landschafts­architektur den ersten Platz abräumen.

Publikationsdatum
10-03-2021

Im Betrieb des Wohn- und Werkheims Worben für Menschen mit Beeinträchtigung hat sich seit der Eröffnung im Juli 1991 im Bereich der Betreuung und Unterstützung viel verändert und weiterentwickelt. Umbauarbeiten und ein ergänzender Neubau sind nötig geworden. Also schrieb die Stiftung Wohn- und Werkheim Worben einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren mit Prä­qualifikation aus. Während der Bestand für administrative Arbeiten und Werkstattnutzungen zu optimieren war, galt es, einen Neubau für teils betreute, teils selbstständige Wohn­formen mit Gemeinschaftsflächen und Küche zu planen. Die neue Architektur soll laut Beurteilungskriterien Wohnlichkeit ausstrahlen und die Identität der Wohngruppen stärken. Eine rollstuhlgerechte Verbindung der beiden Bauten war vonseiten der Stiftung erwünscht.

Eine Fuge als Verbindung

Das Siegerteam Thomas De Geeter / ­Graber Allemann verschafft diesem verbindenden Bauteil in Form eines offenen, skulptural geformten Beton­elements eine besondere Präsenz und bietet damit einen Ort, der zwischen den verschiedenen Ebenen der Häuser vermittelt. Aber auch Aussen- und Innenraum vermag es zueinander zu öffnen. Der gedeckte Raum im Erdgeschoss bildet ein Teil der Gemeinschaftsflächen. Sein Dach, das über eine geschwungene Treppe um einen Baum herum zu erreichen ist, ist zugleich Terrasse und Fluchtraum für die oberen Geschosse beider Häuser. Eine Rampe wäre als Signal und aus paritä­tischen Gründen hier eine geeignetere Wahl gewesen.

Über diese Fuge schliesst das neue Gebäudeteil auf gleicher Breite an den Bestand an und verlängert ihn zu einem Riegel. Eine gefaltete Dachlandschaft gliedert die Wohneinheiten. Als Gegensatz zum grossformatigen Bestands­gebäude wirkt der Neubau wie eine Reihe kleiner, hoher Häuser. Mit ­einem jeweils am First sit­zenden Schorn­stein erinnert die Fassadenkette an skandinavische Räuchereien. Zugleich bietet die vertraute Kubatur eines Hauses mit Sattel­dach vor allem den Menschen mit Beeinträchtigung ein klares Bild. Rote Dachziegel und Putzfassaden reagieren auf den umgebenden Bestand.

Die Raumorganisation im Erdgeschoss geht vom Verbindungsbau als Erschliessungs- und Fluchtbereich aus. Losgelöst vom Rhythmus der Fassade erstreckt sich ein Kontinuum vom grossen, zu drei Seiten belichteten Gemeinschaftsraum über die zentral liegende Küche und das Treppenhaus mit kleinteiligen Nebenräumen bis zu einer Wohnung mit eigenem Garten. Am südöstlichen Ende des Gebäudes gelegen, ist sie weitgehend unabhängig zu bewohnen.

Das erste und zweite Obergeschoss sind gleich organisiert: Die Einzelwohnräume sind höher als üblich und mit einem eigenen Balkon versehen. Jeweils zwei Zimmer liegen unter einem Giebel und teilen sich ein innen liegendes Bad. Im 2. OG erhalten die Räume im Innenausbau jeder für sich ein Satteldach, sodass der Eindruck entsteht, ein eigenes Häuschen in der Gemeinschaft zu bewohnen. Brüche in der strengen baulichen Struktur schaffen eine wohnliche Atmosphäre. Ihre einfache Lesbarkeit verleiht der Architektur eine humane Dimension.

Versetzter Anschluss

Genau in der Verbindung von Alt- und Neubau unterscheidet sich der zweitplatzierte Entwurf «Charles and Ray» vom Siegerprojekt: Auch dieses Team schlägt einen Neubau vor, der die Kubatur des Bestands fortführt. Es platziert ihn aber mit Abstand und leicht versetzt zum Altbau, sodass eine grosszügige Eingangssituation entsteht. Der ganze Zwischenraum ist leicht geneigt und führt als Rampe ins Erdgeschoss des Neubaus. Der Gemeinschaftbereich ist zur Hälfte als Terrasse ausgebildet. Dessen entsprechend geringe Dimension ist es auch, die die Jury hier kritisiert. Insgesamt erscheint der Entwurf des Neubaus, der als Holzbau konsequent durchdacht ist, für die Nutzung zu rigide und lässt den gewünschten Abstand zu einem institutionellen Gebäude vermissen.

Das grosse Dach

Von einem Mangel an individueller Ausdruckskraft kann man beim drittplatzierten «Deheimä!» nicht sprechen. Der Neubau mit einer geradezu ornamentalen Aussenhaut bezieht sich in seiner Kubatur auf ein Seeländer Bauernhaus: Unter dem üppigen, tief gezogenen Dach öffnet sich das Haus zu allen Seiten. Die Holzfassaden sind handwerklich ausgestaltet. Vorspringende Eingangsbereiche formen lebendige Aussenräume.

In den Längsansichten erscheint das geometrische Verhältnis zwischen Dach und Fassade umgekehrt proportional zu dem des Altbaus; das schafft auf ungewöhnliche Art eine visuelle Verbindung zwischen den Gebäuden.

Auch innenräumlich verschränken sich die Nutzungen: Zwei grössere Wohnungen sind im Altbau untergebracht. Dafür be­fin­den sich einige Atelierräume im ­Neubau. Sie schliessen an die erd­geschossige Gemeinschaftsfläche an, die ihrerseits auf drei Bereiche verteilt ist. Was für die Durchmischung der Funktionen positiv ist, gestaltet sich für die Aufsicht nachteilig. Es ist auch fraglich, ob eine «unsortierte» Nutzung dem Orientierungssinn der Bewohnerschaft zuträglich ist. Im Mansardendach liegen die Wohnräume. Sie folgen drei verschiedenen Typologien, was die Jury an­erkennt. Ob die grosszügigen Fenster, die vertikal in den Dachflächen sitzen, über die etwas engeren Platzverhältnisse hinwegtrösten, ist zu disku­tieren. Positiv ist das sich nach aussen öffnende Erdgeschoss, das die Integration der Bewohnenden und Mitarbeitenden ins Umfeld suggeriert. Das schützende Dach, das für Geborgenheit steht, bildet dazu ein schönes Gegengewicht.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Blauer Falter»
Thomas De Geeter Architektur, Zürich; Graber Allemann Landschaftsarchitektur, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Charles and Ray»
Stutz Bolt Partner Architekten, Winterthur; Holzbaubüro Reusser, Winterthur
3. Rang / 3. Preis: «Deheimä!»
Bart & Buchhofer Architekten, Biel

Fachjury

Dominique Lorenz, Architektin; Christine Odermatt, Architektin, Vorsitz Preisgericht; Stefan Graf, Architekt; Lukas Meyer, Architekt; Beat Häfliger Architekt (Ersatz)

Sachjury

Andreas Leiser, Stiftungsrat Präsident Bauausschuss Stiftung WW Worben; Daniel Hänzi, Stiftungsrat WW Worben; Roland Wyss, Institutions­leiter WW Worben; Markus Jöhl, Stiftungsrat Stiftung WW Worben (Ersatz)

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