Innovation ist mehr als BIM!
3. InfraStrukturTreff (IST) an der Hochschule für Technik in Rapperswil HSR
Bis auf Digitalisierungsthemen herrscht vermeintlich gähnende Leere in den Innovationsregistern der Baubranche. Ein Erfahrungsaustausch unter Branchenakteuren lieferte den Gegenbeweis.
Wohl wissend um die inspirierenden Folgereferate seiner Kollegen suchte Andreas Forrer, Kantonsingenieur des Kantons Appenzell Innerrhoden und Vorstand des IST, in seinem Eröffnungsreferat beinahe vergeblich nach Gründen, weshalb die Baubranche landläufig als nicht sehr innovativ gilt. Möglicherweise liege es daran, dass Innovation meist aus einem Lernprozess mit Fehlern entstehe und sich die Branche dies aus Gründen der Sicherheit oder rein finanziell nicht leisten könne. Vermutlich aber habe die Branche wohl schlicht einen sehr konservativen Ruf.
Wie einfach jedoch Ideen und Entwicklungen fachbereichsübergreifend ausgetauscht werden können, zeigte sogleich Nana Pernod mit ihrer Website bauinnovationen.ch. In einer Partnerschaft mit Wirtschaft und Forschung gibt sie Innovationen eine Plattform, vermittelt Kontakte zu Innovatoren und regt dazu an, die geordneten Denkbahnen zu verlassen.
Dass Innovation ganz unterschiedliche Treiber haben kann, veranschaulichte Bernhard Kunz, Geschäftsführer von BHZ Baustoff Holding Zürich. Am Beispiel der Überschussmengen an Ausbauasphalt zeigte er, wie eine gegenüber dem Gesetz konträre Norm den Anlass zu einer Prozessinnovation gab: Die BHZ entwickelte ein Verfahren, bei dem mit gängigen Methoden aus rund 80% der Überschussmengen wiederverwertbarer Sekundärsplitt gewonnen werden kann.
Eine Innovation importiert hat Roland Brönnimann mit seiner Firma flexBelag bau. Zur Grabenverfüllung setzt er im kommunalen Tiefbau Flüssigboden ein – eine Methode, die in Süddeutschland bereits seit über zehn Jahren angewendet wird. Abgesehen von den relativ kurzen Einbaulängen verwies Brönnimann insbesondere auf die Vorteile von Flüssigboden: kürzere Transportwege im Vergleich zur Aushubdeponie, verringerter Platzbedarf auf der Baustelle und theoretisch unendliche Wiederverwertbarkeit. Mit der heutigen Erkenntnis sei es gar möglich, Flüssigboden als grundwasserleitende Schicht einzubauen.
Viel künstliche Intelligenz steckt hinter einer Know-how-Plattform, die der SIA zusammen mit dem jungen Schweizer Unternehmen STARMIND – AI connecting people für die Baubranche entwickelt. Die Frage-Antwort-Plattform vermittelt themenspezifisch Auskunftssuchende anhand von künstlicher Intelligenz (dokumentiertes Wissen wie z.B. Normen oder Publikationen) an Fachleute. Patrick Hüppi, Verwaltungsratspräsident von Skyline Development und Präsident der SIA-Sektion International, begleitet die Entwicklung und beschrieb deren Anwendung und Nutzen.
Vergleichsweise wenig Raum für neuartige Pionierleistungen bietet anscheinend der Tunnelbau, wo mit dem Einzug des maschinellen Vortriebs Bauabläufe schon weitgehend optimiert wurden und neue Entwicklungen eher im Kleinen und projektspezifisch stattfinden. So sieht denn auch Andreas Reber, Geschäftsführer von Marti Tunnel, die wesentlichen Multiplikatoren zur Effizienzsteigerung in einer Standardisierung, einer Mechanisierung und einer Reform der konventionellen Vertragsmodelle. Als Beispiele für Letztere nannte er Projektallianzen oder das Dialogverfahren.
Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, Planer, Unternehmer und Lieferanten setzt auch Christoph Mauderli, Geschäftsführer bei Mauderli, als wichtigste Bedingung für fortschrittliche Lösungen voraus. Aus Sicht des Lieferanten sieht er vor allem in der intelligenten Baustellenlogistik und in massgeschneiderten Kundenlösungen Potenzial für Innovationen.
In einer Podiumsrunde mit allen Referenten wurde schliesslich die Bedeutung von Innovation für die hiesige Bauwirtschaft erörtert. Schnell war man sich einig, dass diese unerlässlich ist – zu stark sei bereits der Druck aus dem Ausland. Zentral sei aber, dass sich die Branche mit Innovation beschäftige, solange es ihr noch gut gehe. Im Umfeld der aktuellen Normen, Regelwerke und Standards werde es jedoch zunehmend schwieriger, Raum für solche zu finden und besonders das dafür notwendige Vertrauen von Auftraggebenden zu gewinnen. In diesem Sinn lassen sich die Schlussvoten der Podiumsteilnehmer unter dem Motto «Weg von der Überregulierung hin zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit und zu mehr Vertrauen unter den Baubeteiligten» zusammenfassen. Wie die anschliessende Publikumsfragerunde zeigte, stellt das Infrastrukturtreff zumindest zur Förderung des Dialogs zwischen den einzelnen Baubeteiligten ein probates Format dar.
Link: https://ist-ch.ch