Auf der grünen Wiese
Selten wird heute ein Spital auf der grünen Wiese gebaut. Beim Zuger Kantonsspital in Baar war dies der Fall: Mit der Wahl des Standorts schaffte der Kanton räumliche Freiheiten, um Funktionen zu konzentrieren und rationelle Strukturen zu erstellen. Das Ergebnis ist eine campusartige, erweiterbare Anlage mit einem kompakten Zentralspital; die Typologie des Bettenhochhauses wurde zugunsten kurzer Erschliessungswege und effizienter Betriebsabläufe verworfen. Nach siebenjähriger Planungs- und Ausführungszeit wurde das Gebäude am 30. August 2008 in Betrieb genommen.
Beim Neubau des Kantonsspitals in Baar strebte die Bauherrschaft – der Kanton Zug – eine kostenbewusste, zweckmässige und zurückhaltende Architektur an. Für die Projektfindung wählte sie das Verfahren des Gesamtleistungswettbewerbs. Damit war von Anfang an gesetzt, dass die teilnehmenden Teams als Totalunternehmen auftreten; eine Herausforderung bestand also darin, eine umfassende Kommunikation auf allen Ebenen zu generieren.
Dank klarem Aufbau, kompaktem Volumen, guter Orientierung und kurzen Wegen wurde das Projekt «Vitale» zum Sieger erkoren – es war jedoch teuer. Daher galt es, nach der Vergabe die vom Kanton aufgetragene Einsparung von 20 % (rund 30 Mio. Fr.) umzusetzen. Der Betreiber, die Fachingenieure und die Spezialisten revidierten das Projekt in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Für den Betrieb wurden sinnvolle Standards festgelegt, im Gebäudevolumen und an den Nutzungsverteilungen Optimierungen durchgeführt.
Ziel war es, die Technik so zu dimensionieren, dass möglichst viel ertragswirksame Fläche geschaffen werden konnte; dafür mussten auch ursprüngliche Annahmen im Interesse des Betriebs und der Funktionsfähigkeit modifiziert werden. Trotzdem konnte die Grundidee des Entwurfs beibehalten werden. Bei den Materialien achtete man nicht nur auf einen qualitativ zweckmässigen, einfachen und kostenbewussten Einsatz, sondern auch auf Natürlichkeit; so wurden zeitlose und langlebige Baustoffe gewählt, vielerorts Holzoberflächen und Natursteinböden eingesetzt.
Kompaktes Gebäude in campusartiger Anlage
Zentralspital, Pflegezentrum und Parkhaus bilden die Bausteine des campusartigen Kompetenzzentrums. Mit seiner klaren Setzung und seiner moderaten Höhe von rund 16 m fügt sich das Spital selbstverständlich in das Ensemble ein. Es erscheint als kompakter Baukörper mit verglasten Fassaden. Die Ausrichtung der Gebäude im Campus generiert eine zentrale Ost-West-Achse, die auf die künftige Entwicklungsrichtung ausgelegt ist, und schafft klare Aussenräume. Das landschaftsarchitektonische Konzept unterscheidet drei Bereiche: innen liegende Gartenhöfe, platzartige Erschliessungsbereiche und eine parkartige Spitalumgebung.
Der Grundriss des Kantonsspitals ist als Kammsystem organisiert. Damit erreichte das Planungsteam eine klare betriebliche Organisation mit kurzen Wegen und einer Entflechtung der Logistikwege. Die Nutzungsbereiche liegen zwischen der Eingangshalle im Norden – die den ambulanten Patientinnen und Patienten, den Besucherinnen und Besuchern sowie dem Personal zur Verfügung steht – und dem Erschliessungssystem im Süden, das für Bettentransporte und die gesamte Ver- und Entsorgung genutzt wird.
Vertikal ist das viergeschossige Gebäude in zwei Hauptbereiche gegliedert: Ein zweigeschossiger Sockel nimmt alle Untersuchungs- und Behandlungsbereiche auf, während die Pflegestationen und die Frauenklinik in zwei darüberliegenden Stockwerken untergebracht sind. Zentrales verbindendes Element ist die in Teilbereichen zweigeschossige Eingangshalle.
Betriebs- und Nutzungskonzept
Die Eingangshalle bildet das Rückgrat des Gebäudes, von ihr aus werden alle Ebenen durch Aufzüge und Treppenhäuser erschlossen. Sie bietet Ausblick in die dahinterliegenden Untersuchungs- und Behandlungsbereiche und ermöglicht eine direkte Orientierung auf die Leitstellen, Aufnahmebereiche und Warteplätze; sie fungiert aber auch als Begegnungsraum mit Cafeteria, Kiosk, Sitzgelegenheiten und Personalrestaurant.
Der gesonderte Zugang zur Notfallaufnahme ist von der Zufahrt direkt zu erkennen und ein- fach zu erreichen. Notaufnahme und Radiologie sind eng miteinander verknüpft, sodass Letztere mit allen bildgebenden Verfahren (MRI, CT, Universalröntgen und Ultraschall) auf kurzen Wegen erreicht werden kann. Chirurgie, Anästhesie und Medizin einschliesslich der Funktionsdiagnostik sind im Erdgeschoss untergebracht. Das ambulante Zentrum, das ein hohes Patientenaufkommen aufweist, kann ebenerdig von der Halle aus erreicht werden; einzig die Zonen für länger dauernde oder wiederkehrende Behandlungen – wie Dialyse und physikalische Therapie – sind im ersten Obergeschoss untergebracht. Hier sind die Arztpraxen als eigener Bereich abgetrennt und auch von aussen erschlossen. Ebenfalls im ersten Obergeschoss befinden sich die OP-Abteilung mit den dazugehörenden Aufwachräumen, die Tagesklinik und die Intensivpflegestation.
Die Pflegestationen im zweiten und dritten Obergeschoss sind in zwei doppelgeschossigen, dreibündigen Riegeln untergebracht. Diese werden durch offene Innenhöfe aufgelockert, die die Arbeitsräume und Stationsflure natürlich belichten, und sind über die zentrale Erschliessung der Eingangshalle zu erreichen. In jedem Riegel sind zwei Stationen hintereinander geschaltet, sodass Wege mit maximal 20 m von den Stationsbereichen in die Pflegezimmer gewährleistet sind. Auch hier erfolgt eine klare Trennung zwischen den Ver- und Entsorgungs- beziehungsweise den Liegendkrankenwegen, die über die Aufzüge im Süden abgewickelt werden. Im östlichen Teil des dritten Obergeschosses ist die Frauenklinik mit Maternité, Gebärabteilung und Gynäkologie angeordnet.
Haustechnik und Fassaden
Die Haustechnikzentralen befinden sich im ersten und zweiten Untergeschoss. Die Elektro- und Sanitärbereiche sind mittig (rechts vom «Ostkamm») angeordnet. Die Lüftungszentralen befinden sich jeweils an den Steigzonen, die zusammen mit den Liftschächten und Treppenhäusern am Rand der Nutzflächen positioniert sind. Zur Entflechtung der Hauptverteilungen trägt ein Installationskriechkeller unter dem ersten Untergeschoss bei.
Ein durch-gängiges System von Unterverteilräumen für Elektro- und EDV-Installationen ist geschossweise beziehungsweise bereichs- und brandabschnittsweise angeordnet. Die technische Erschliessung der Nutzflächen erfolgt ausschliesslich horizontal über die Decken nach unten. Damit kann die Flexibilität der Grundrissgestaltung gesteigert werden. Zur Flexibilität trägt auch die konsequente Trennung der Gebäudesysteme in Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur bei.
Die Glasfassade bringt Tageslicht in die Innenräume. Die Fassaden der Pflegestationen sind mit aussen liegenden Lamellenstoren versehen und heben sich von der aussen bündigen, gebäudehohen Hallenverglasung und der Zweischichtfassade der Sockelgeschosse ab. Im Bereich der Innenhöfe erfolgt die Verschattung mittels aussen liegender Raffstoren.
Die Steuerung des Sonnenschutzes erfolgt über ein Leitsystem aufgrund der Globalstrahlung, gemessen pro Fassadenorientierung. Bei den Zweischichtfassaden wird zudem die äussere Verglasung je nach der im Zwischenraum gemessenen Temperatur und Feuchte fassadenweise geöffnet und geschlossen. Lüftungsflügel ermöglichen eine individuelle natürliche Belüftung in Kombination mit der notwendigen mechanischen Hygiene- und Komfortlüftung.
Installationsfreundliches Tragwerk
Das konstruktive Primärsystem – die Tragstruktur – ist durchgehend als Stahlbetonskelett mit Schleuderbetonstützen im Raster von 8 × 8 m ausgebildet. Dank einbetonierten Stahlpilzen lassen die unterzugslosen Flachdecken eine problemlose vertikale Verteilung der technischen Installationen im Stützenbereich zu. Diese Art der Durchstanzsicherung ermöglicht eine Leitungsdurchführung bis zu einem Durchmesser von 150 mm an jeder Stützenseite. Für spätere Aufrüstungen können diese Durchdringungen nachträglich gebohrt werden: Die Lage der oberen Tragbewehrung wurde dafür exakt positioniert.
Die Kernzonen aus Beton gewährleisten die Erdbebensicherheit des Gebäudes. Im Bereich der Steigzonen musste die Kernsteifigkeit stark abgemindert werden, da grosse Wandöffnungen für die Einführung der technischen Installationen notwendig waren. Die Breite der Deckendilatationsfugen in den oberen Geschossen beträgt bis zu 40 mm, um ein Aufeinandertreffen der einzelnen Deckenabschnitte bei unterschiedlicher Schwingrichtung zu verhindern.
Aussergewöhnlicher Umzug
Am 30. August 2008 verlegte das Zuger Kantonsspital seinen Betrieb von der Artherstrasse in Zug in den Neubau an die Landhausstrasse in Baar. Die Spitalbetreiberin, Zuger Kantonsspital AG, nahm Abschied von der Lage am See und der Vertrautheit am alten Standort (1857 als Bürgerspital eröffnet) – in Baar erwartet sie eine moderne Infrastruktur, die effiziente Abläufe ermöglicht und patientengerechte Technologien bietet. Um 12 Uhr wurde offiziell das alte Spital geschlossen und das neue in Betrieb genommen, wobei der Wechsel mit zweistündiger Vorlauf- beziehungsweise Nachlaufzeit stattfand.
An einem einzigen Tag mussten alle Patienten und Patientinnen sowie zahlreiche, teilweise empfindliche medizinische Geräte und Güter von Zug nach Baar transportiert werden (Umzugsstrecke über Baarerstrasse, etwa 5 km). Die fast 700-köpfige Belegschaft, die eine Ferien- und Freitagsperre erhielt, wurde von ausserkantonalen Rettungsdiensten, Militär, Feuerwehr, Polizei und Zivilschutz unterstützt. Spezialfirmen wurden aufgeboten, die ihre Geräte wie Therapielifte oder Operationstische abmontierten, transportierten und wieder installierten.
Um die logistische Herausforderung ohne Betriebsunterbruch zu meistern, war eine Vorbereitungszeit von über zwei Jahren erforderlich. Die Projektleiter zogen dafür Vergleiche aus Deutschland und Luxemburg bei. Das Spital in Kirchberg (L) zog ebenfalls an einem Tag unter Aufrechterhaltung der Notfallbereitschaft um. Die Erfahrungen im Ausland wiesen auf Sicherheit im Sachgüterbereich hin. Damit nicht ebenfalls ganze Behandlungszimmer leer geräumt würden, riegelten Zivilschützer und die Securitas beide Areale entsprechend ab und bewachten die Eingänge. Damit war auch der Persönlichkeitsschutz der Patienten gewährt.
Die Belegschaft absolvierte Probeläufe, um reale Szenarien im Zusammenhang mit Patientenschutz und Notfallorganisation durchzuspielen – auch ein starkes Umwetter oder gar ein Flugzeugabsturz mussten als Szenario in Betracht gezogen werden. Die Verantwortlichen wählten den 30. August 2007 als Reverenzdatum, als drei Todesfälle im Spital verzeichnet werden mussten; dieses Jahr gab es am Umzugstag keine terminalen Patienten.
Der Umzug, der Kosten von rund 1.5 Mio. Fr verursachte, verlief ruhig und professionell. Um sich am Umzugstag auf die Kernaktivität Patienten- und Gütertransporte konzentrieren zu können (ab 7 Uhr), erfolgten Einrichtungsarbeiten beispielsweise bereits ab März, wurden Archive ab Juli und Apotheke, Zentrallager und Teile der Zentralen Dienste in den ersten Augustwochen verlegt.
Auch die Technik wurde teilweise vorzeitig umgeschaltet: Die Informatik des alten Spitals war seit Mai mit einer Glasfaserverbindung von Baar aus ferngesteuert.
Nicht alles musste verlegt werden. Die Betten beispielsweise sind neu angeschafft worden. Sie sind länger (2.40 m) und entsprechen dem neusten Stand der Technik. Ebenso wurde die Radiologie mit neuer, digitaler Technologie ausgerüstet. Bis 31. Oktober wird nun das alte Areal des Kantonsspitals weiter geräumt. Dann wird die Liegenschaft dem Kanton Zug zurückgegeben.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft: Kanton ZugNutzer: Zuger Kantonsspital AG
Totalunternehmer: ARGE Zentralspital und Pflegezentrum: Hauser, Rutishauser und Suter AG, Frauenfeld (Realisation Spital & Parkhaus); p-4 (ehemals Peikert Contract AG), Zug (Realisation Pflegezentrum & Umgebung)
Projektsteuerung: HTS Architekten, Cham
Projektverfasser/Architekt: Burckhardt + Partner AG, Zürich
Bauingenieur: Ribi + Blum AG, Romanshorn
Koordination/Sanitäringenieur: Hans Kündig
& Partner AG, BernHeizungs-/Lüftungsingenieur:
Meierhans & Partner AG, DübendorfElektroplaner: Hefti.Hess.Martignoni AG, Aarau
Landschaftsarchitekt: Raderschall Landschaftsarchitekten (Wettbewerb); Erich Andermatt, Zug (Ausführung)
Fassadenplaner: Mebatech AG, Baden
Bauphysik: Kopitsis Bauphysik AG, Wohlen
Gastroplaner: Creative Gastro Concept und Design AG
Gebäude in Zahlen
Anzahl Patientenzimmer: 105Anzahl Betten: 184, Intensivpflegestation (IPS): 8
Notfallkojen: 10
Operationssäle: 6 inklusive Multifunktionsraum
Rauminhalt nach SIA 116: 156 195 m3
Geschossfläche nach SIA 416: 32 185 m2
Nettonutzfläche: 20 000 m2
Dachfläche (ext. Begrünung): 4950 m2
Kantonsspital (BKP 1–9): 172.5 Mio. Fr
Pflegezentrum (BKP 1–9): 38.0 Mio. Fr
Parkhaus (BKP 1–9): 9.94 Mio. Fr
Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 38/2008 «Effizientes Spital».