Ein Haus hilft heilen
Die neue Kinder- und Jugendklinik in Freiburg im Breisgau erscheint in einer architektonischen Ästhetik, die sich aus den Bedürfnissen der Menschen ableitet. Die Architektur des Neubaus soll das psychische Wohlbefinden der Patienten und Patientinnen fördern und damit die Heilung jenseits der medizinischen Behandlung unterstützen.
Kranke Menschen reagieren besonders sensibel auf ihre Umwelt. Die Architekturpsychologie rückt den Zusammenhang zwischen Planen, Bauen und seelischer Gesundheit in den Mittelpunkt der Gestaltung von Gesundheitsbauten.
In TEC211 32/2020 «Kann Architektur heilen?» sprachen wir mit Architektin Gemma Koppen und Psychologin Tanja Vollmer über innovative Raumkonzepte. Beide waren massgeblich an der Planung der neuen Kinder- und Jugendklinik in Freiburg i. Br. beteiligt. Das Rotterdamer Büro kopvol architecture & psychology entwickelte zusammen mit jungen Patienten, deren Eltern und Klinikmitarbeiterinnen im Auftrag der Initiative für die Kinder- und Jugendklinik Freiburg eine heilende und unterstützende Umgebung.
So sieht ein Spital sonst nicht aus
Die neue Klinik führt universitäre Medizin sowie Regel- und Notfallversorgung für junge Patienten unter einem Dach zusammen. Der Neubau war Ende September 2024 – sechs Jahre nach dem Spatenstich – bezugsbereit. Spielzimmer, Schulzimmer, ein Essbereich mit Buffet und liebevoll gestaltete Patientenzimmer helfen, den Klinikalltag entwicklungsfördernd zu gestalten.
Im Anti-Warte-Raum lässt es sich während ambulanter Aufenthalte spielen und bewegen, aber auch lesen, arbeiten, Hausaufgaben machen und ausruhen. «Anti-Warten ist eine Kampfansage an die Bewegungslosigkeit, die Berührungslosigkeit und die Langeweile, die in Wartezonen herrscht», sagte Tanja Vollmer im Interview 2020. Und weiter: «Kinder sind in solchen Situationen schnell gestresst und genervt, eine Untersuchung ist dann kaum möglich.»
Gemma Koppen ergänzt: «Wir haben in Freiburg aber nicht nur den Anti-Warte-Raum im ambulanten Bereich. Im stationären Teil befindet sich ein eigenständiger Bereich für Entwicklung und Normalität. Wir nennen das REN-Cluster.» Normalität bedeutet in diesem Kontext eine Stress- und Angstreduktion der Betroffenen, die zum Teil mehrere Wochen in der Klinik verbringen. Ärzte mit Kittel sind hier zum Beispiel nicht erlaubt.
Ausgezeichnete Raumkonzepte
Auf einer Nutzfläche von über 25‘000 m2 finden 156 Betten Platz sowie Untersuchungsräume, Labore und Verwaltungsbereiche. Helle Innenhöfe, begrünte Dachterrassen und breite Treppenhäuser sollen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. Kältespeicher, PV-Anlage und hocheffiziente Wärmerückgewinnungssysteme sparen CO2 sowie elektrische und thermische Energie ein. Die Gesamtbaukosten lagen bei rund 169 Millionen Euro.
Die gesundheitsfördernde Architektur des Gebäudes wurde im Juni 2024 auf dem European Health Care Design Kongress der Wissensaustauschorganisation SALUS in London als eines von drei Shortlist-Projekten mit dem Titel «Highly Commended» ausgezeichnet. Sie setzte sich in der Kategorie «Healthcare Design mit mehr als 25'000 m2» gegen 15 internationale Konkurrenten durch. Gewürdigt wurden die innovativen, gut durchdachten Raumkonzepte und die konsequente Patient:innenorientierung.
→ TV-Beitrag von SWR zur Eröffnung der neuen Kinder- und Jugendklinik