Trotz steigendem Arbeitskräftemangel: Planungsbüros sind optimistisch
Die Planungsbüros schätzen ihre konjunkturelle Lage erneut positiv ein, so das zusammenfassende Resultat der KOF-Konjunkturumfrage vom Juli 2021. Damit verbunden ist aber das neue, alte Schreckensgespenst des Arbeitskräftemangels.
Gemäss den Ergebnissen der vierteljährlichen Konjunkturumfrage der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) vom Juli 2021 verbessert sich die Einschätzung der konjunkturellen Lage durch die Planungsbüros weiter. Die Büros berichten über eine deutliche Verbesserung der Nachfrage und der erbrachten Leistungen. Auch die Ertragslage verbessert sich.
Die Reichweite der Auftragsbestände liegt im Juli 2021 bei 11.2 Monaten (April 2021: 11.1 Monate) – das sind die guten Nachrichten. Gleichzeitig steigt aber der Anteil der Büros wieder deutlich an, die den Arbeitskräftemangel als Leistungshemmnis melden. Zurzeit klagen rund 45 % über dieses Problem. Im April waren es noch rund 35 %. Rund 29 % geben an, keine Leistungshemmnisse zu erfahren.
Preisdruck hat nachgelassen
Die Erwartungen der Planungsbüros hellen sich ebenfalls auf: 11 % rechnen mit einer verbesserten Geschäftslage, 84 % mit einer gleichbleibenden und 6 % mit einer schlechteren. Im Vergleich zur letzten Befragung sank der Anteil jener Büros, die mit einer Verschlechterung rechnen. Auch die Einschätzung hinsichtlich der Nachfrage und der Leistungserbringung in den nächsten drei Monaten hat sich verbessert. Der Preisdruck hat seit der letzten Befragung im April erneut etwas nachgelassen, wobei über 80 % der Planungsbüros mit gleichbleibenden Preisen in den nächsten drei Monaten rechnen.
Auftragsbestände der Architekturbüros steigen erneut
Seit Mitte 2020 verbessert sich die Einschätzung der konjunkturellen Lage durch die Architekturbüros kontinuierlich. Jedoch ist das Niveau von Anfang 2020 noch nicht erreicht. Zurzeit beurteilen 46 % der Architekturbüros die aktuelle Lage als gut, 45 % als befriedigend und 9 % als schlecht. Die Erwartungen hinsichtlich der Ertragslage, der Nachfrage sowie der Leistungserbringung in den nächsten drei Monaten hellen sich seit der letzten Befragung im April erneut auf. 79 % der Büros rechnen mit einer unveränderten Geschäftslage, 16 % mit einer besseren und 5 % mit einer schlechteren.
Nachdem die Reichweite der Auftragsbestände bereits im zweiten Quartal 2021 ein Niveau erreicht hat, das zuletzt Anfang 2016 beobachtet worden ist, steigt die Reichweite erneut leicht an und liegt nun bei 12,7 Monaten (April 2021: 12,5 Monate). Seit der jüngsten Befragung löst der Mangel an Arbeitskräften die ungenügende Nachfrage als grösstes Hemmnis für die Leistungserbringung ab. Rund 38 % der Architekturbüros berichten davon.
Ingenieurbüros: Arbeitskräftemangel als Hemmnis
Auch die sonst eher verhaltenen Ingenieurbüros schätzen zurzeit die konjunkturelle Lage als sehr positiv ein. 63 % der Büros beurteilen die aktuelle Geschäftslage als gut, 33 % als befriedigend und nur 3 % als schlecht. Die Reichweite der Auftragsbestände steigt seit der letzten Befragung um 0,2 Monate an und liegt im Juli 2021 bei 10,4 Monaten. Als grösstes Leistungshemmnis beklagen die Ingenieurbüros ebenfalls den Arbeitskräftemangel – zurzeit berichten 47 % davon. Anfang 2020 waren es über 50 %. Danach sank der Anteil stetig bis auf 30 % im ersten Quartal 2021, und nun steigt er deutlich an.
Börse in Rekordstimmung
Die Wirtschaft scheint zu brummen, die Börsen sind in Rekordstimmung. Ist der Turnaround aus der Krise also geschafft? Mitnichten, auch wenn man der Unkenrufe langsam überdrüssig wird. Die Börsen haben beispielsweise die Konjunkturerholung und damit das Ende der Pandemie vorweggenommen. Sollte sich jedoch die Delta-Variante – oder irgendeine andere Variante, das Virus scheint diesbezüglich kreativ – noch stärker ausbreiten, könnte sich das auf die gute Stimmung an der Börse negativ auswirken.
Dennoch werden sich die Börsenkurse früher oder später wieder erholen, das war schon immer so. Und wie so oft profitieren die Wohlhabenden davon: 707 Milliarden Franken besassen die dreihundert reichsten Schweizerinnen und Schweizer gemäss der «Bilanz» im Corona-Jahr 2020. Das ist ein Plus von fünf Milliarden Franken.
Wirtschaftliche Erholung nicht in allen sozialen Schichten
Demgegenüber stehen 15 % der Schweizer Einwohnerinnen und Einwohner mit tiefem Einkommen, die im gleichen Jahr finanziell negativ von der Pandemie betroffen waren. Laut einer Studie der KOF, die Anfang 2021 veröffentlicht wurde, vermeldeten Personen, die zu einem Haushalt mit einem sehr tiefen Einkommen von unter 4000 Franken gehören, im Schnitt einen Einkommensrückgang von 20 %.
Generell zeige sich, dass die Pandemie bestehende Ungleichheiten verschärfte, halten die Studienautoren fest. Haushalte am unteren Ende der Einkommensverteilung seien in den meisten Dimensionen stärker von der Krise betroffen als reichere Haushalte. Fast nicht mehr sichtbar, doch nach wie vor werden an Bedürftige kostenlose Lebensmittel verteilt, beispielsweise von der Aktion «Essen für alle Alle», die in den Städten Bern, Winterthur und Zürich aktiv ist. Pro Standort verteilen die freiwilligen Helferinnen und Helfer jeweils an 1000 bis 1500 Personenhaushalte Nahrungsmittel. In anderen Worten: Die mutmassliche wirtschaftliche Erholung ist bei weitem noch nicht in alle sozialen Schichten vorgedrungen.
Erfahrungsgemäss brauche das eine Weile, sagte Raphael Golta, Sozialvorsteher der Stadt Zürich, kürzlich in einem Interview der «Sonntagszeitung». Diese Erholung kann nur im Interesse aller sein. Die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger sei aktuell in Zürich (noch) sehr tief, so Golta weiter – er führt diesen Umstand auf die Massnahmen des Bundes wie Kurzarbeit, Arbeitslosenentschädigung und finanzielle Hilfe für Kleinunternehmer zurück.
Sollte die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger massiv zunehmen, zahlen wir alle früher oder später den Preis in irgendeiner Form dafür. Darum zeigt sich einmal mehr, dass sich Solidarität immer auszahlt oder als Bumerang betrachtet werden kann nach der Maxime «Tue ich etwas für die anderen, tue ich es schlussendlich für mich.» Oder mit den Worten des Philosophen Robin Celikates: «Wir sind alle abhängig von anderen, nicht nur als kleine Kinder und später, wenn wir alt sind oder wenn wir krank sind, sondern eben ganz wesentlich.»