Lehr­stü­cke für den sanf­ten Um­gang mit dem, was ist

S AM – Ausstellung «Transform»

Ist die Architektur mit dem steten Wandel überfordert? Oder kann sie die Transformation der gebauten Umwelt mitbestimmen? Die Ausstellung «Transform» im S AM bejaht Letzteres. Sie zeigt einen individualistischen Ansatz, eine urbane Strategie und eine ökologische Entwurfsstudie.

Publikationsdatum
18-10-2018
Revision
18-10-2018

Man nehme einen alten Pferdestall, zig Laufmeter Blachenstoff, Maschendraht, Wellkarton und etwas Sperrholz. Und schon baut man eine Behausung für Nutztiere für wenig Geld um in ein eigenes Dach über dem Kopf. Da es auf einem Gehöft liegt, lassen sich auch die übrigen Bedürfnisse einfach organisieren. Der Platz rundherum reicht ebenso für Gemüseacker und Biokläranlage. Mit der Zweckentfremdung von Struktur und Material ermöglicht man einem Individuum ein leichtes, ressourcenschonendes, aber auch eher karges Leben auf dem Land.

Das Büro agps Architecture hat diese Projektanordnung in Santa Ynez eins zu eins umgesetzt. Das Thema bezieht sich auf die «Case Study Houses»-Experimente in Kalifornien, wobei die Neuinterpretation mit der Kostenvorgabe «99 Cent pro 0.1 m2» kombiniert wurde. Im Schweizerischen Architekturmuseum S AM in Basel ist die Stallumwandlung in einer Videoinstallation von Jenny Rodenhouse zu sehen, als Teil der laufenden «Transform»-Ausstellung. Anhand von drei Fallstudien wird darin nahegelegt: Der kontinuierliche Wandel der gebauten Umwelt ist eine zentrale Domäne der Architektur. Für eine andere Sichtweise sorgt die aktuelle, radikale Um- und Ersatzbaupraxis: Die Halbwertszeit beim Bauen schrumpft. Sind Architektinnen und Architekten nurmehr Durchlauferhitzer für eine Wegwerf-Baukultur?

«Faire avec»

«Ganz und gar nicht», wehrt sich Anne Lacaton und erläutert an einer Begleitveranstaltung in Basel ihren Transformationsansatz, der in mehreren Banlieues der Grande Nation bereits zur Anwendung kam. Zusammen mit Jean-Philippe Vassal ist sie bekannt dafür, soziale Wohnblocks mit einfachen Mitteln in grosszügige, weiterhin bezahlbare Adressen zu erweitern. Das Entwurfscredo sei jeweils: «faire avec». «Man muss das Bestehende schätzen und nur ergänzen, was mangelhaft ist.» Am Vortragsabend präsentiert Lacaton das vor zwei Jahren in Bordeaux realisierte Projekt, die Erneuerung der Cité du Grand Parc.

Es ist in Basel ebenfalls audiovisuell und installativ dokumentiert, als Lehrstück für die urbane Transformation. «Wir denken bei unseren Projekten ebenso sehr an die Bewohner wie an die Bauherrschaft», ergänzt die Architektin aus Paris. Dies findet ihren Ausdruck in einer Stadttransformation produit par Lacaton Vasalle beim Flächenzuwachs: Die Wohnungsflächen in Bordeaux sind teilweise fast verdoppelt worden, bei einer Mieterhöhung von knapp 10 %. Ein Abriss und Neubau solcher «Grands Ensembles» wäre um einiges teurer geworden.

Trotzdem ist der Ersatzneubau gerade in der Schweizer Siedlungslandschaft und unter Baugenossenschaften gross in Mode. Auch dazu nimmt «Transform» die Gegenposition ein und präsentiert als drittes Lehrstück: die Aufstockung einer alten Industriehalle mit Raum- und Strukturelementen aus einer schweizweit einzigartigen Recyclingidee. Man nehme funktionstüchtige Fenster aus einem Abbruchobjekt in Zürich West, Metallträger einer Migros-Immobilie im Baselbiet oder Wellblechfassaden, die bis vor Kurzem ein Gewerbegebäude in Winterthur umhüllten. Dabei handelt es sich um ein reales Projekt des Basler Architekturbüros in situ und der Architekturabteilung der Zürcher Fachhochschule, das bis übernächstes Jahr umgesetzt werden soll.

Das wiederverwertbare Baumaterial wird bereits gesammelt. Diese Transformation zeigt jedoch auf, dass die Architektur dafür mehr leisten muss als nur die Konstruktion. Ebenso wichtig scheinen die Recherche und die Logistik passender Bauteile zu sein, so der Hinweis in der Ausstellung. Und zu alledem gehört die Vermittlung, dass eine sanfte Verwandlung von Gebäuden die bessere Alternative zum radikalen Umbruch darstellt. Weil davon Mensch und Umwelt profitieren können.

Die Ausstellung ist noch bis 4. November 2018 zu sehen. Weitere Infos: www.sam-basel.org

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