Les Jard­ins du Couch­ant Nyon: Wo die Son­ne (fast) nicht un­ter­geht

An zentrumsnaher Lage wird freies Bauland mobilisiert. Ein geothermisches Energienetz sorgt dafür, dass sich der verdichtete Wohnstandort bei­nahe autonom versorgen lässt.

Publikationsdatum
14-06-2019

Warnung vor dem Wärmeklau: Zu viele Erdsonden im Untergrund können die geothermische Energiequelle zum Versiegen bringen. Sachverständige empfehlen deshalb oft, im Einfamilien­hausquartier oder in der Stadt einen Sicherheitsabstand zur Nachbarschaft einzuhalten. Eine alternative Vorsorge ist die thermische Regeneration: Das Erdreich, das im Winter als Wärmespender dient, kann im Sommer mit Solar­energie aufgeladen werden.

Die ersten Praxistests beweisen, dass das energetische Recycling funktioniert; dank dem saisonalen Austausch bleibt das Tem­peraturniveau im Boden in der Jahresbilanz ­konstant. Was in der Heizperiode via Erdsonde und Wärmepumpe in ein Gebäude fliesst, wird am selben Standort mithilfe von Solarwärme über die Sommermonate kompensiert.

Nach diesem Speicherprinzip funktioniert auch der Nahwärmeverbund für das neue Quartier «Les Jardins du Couchant» in Nyon: 58 Erdsonden stellen den Energiekreislauf für 14 Häuser mit 401 Wohnungen sicher. Sie sorgen dafür, dass die Wärme der Sonne ganzjährig nutzbar wird und die Energieversorgung für das neue Wohnquartier zu 80 % frei von CO2 funktioniert. Zur Abdeckung von Bedarfsspitzen steht in der Energiezentrale ein Gasbrenner bereit.

Was unüblich für eine Wohnsiedlung ist: Die Wärmezufuhr ist reversibel. Die Bodenwärme, die in der Heizperiode zur Wärmequelle wird, ist im Sommer das Kältemedium. Derselbe Kreislauf sorgt in einem Teil der Wohnsiedlung dafür, dass die Wärme aus den Wohnungen via Erdsonden in den Untergrund abgeführt wird. In Zeiten, da sich vermehrte Hitzeperioden ankünden, verspricht dies eine Garantie des Wohnkomforts. In der Siedlung «Les Jardin du Couchant» gehört dies auch zur gesundheitlichen Vorsorge. Fast ein Siebtel der Wohnfläche ist für eine Seniorenresidenz reserviert.

Für Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb des emissionsarmen Wärme- und Kältesystems ist das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich verantwortlich, im Rahmen eines Contracting-Verfahrens. In der Regel wird zwischen Energie- und Immobilienwirtschaft eine Versorgungsdauer von 30 Jahren vereinbart. Das Energienetz, das Solarenergie und Geothermie kombiniert nutzt, ist auch eine gemeinsame Klammer für das übergeordnete Überbauungskonzept.

Ein wichtiges Anliegen der Stadtbehörde ist die soziale Vielfalt. Gemäss der lokalen Bauordnung war ein Viertel der Nutzfläche für preisgünstiges Wohnen reserviert. Die Investoren nahmen dies zum Anlass, auf dem 3,5 ha grossen Areal ein durchmischtes Quartier mit lebendiger Dichte und für unterschiedliche Ansprüche zu realisieren. Obwohl sich fünf Trägerschaften das Grundstück teilen, stammen der Städtebau und die Architektur aus einem gemeinsamen Entwurf.

Die Neubauten, die in den letzten drei Jahren realisiert worden sind, ordnen sich um eine zentrale Allee, die nun eine Begegnungszone ist. Davon zweigen Wege und Passagen zu den Aussengärten ab respektive binden das Neubauquartier in die bestehende urbane Nachbarschaft ein. Eine grosse Tiefgarage kanalisiert den Binnenverkehr. Und auch die Natur gewinnt Raum, dank einem renaturierten Wasserlauf.

Die Gebäude ihrerseits präsentieren sich architektonisch variabel, vom modernen Reihenhaus bis zu hohen Wohnblocks mit acht Geschossen. Zwei davon sind mit dem Standard Minergie zertifiziert. Die Fassaden sind ebenfalls äusserst unterschiedlich; das Repertoire umfasst Sichtbeton, Klinker, Naturstein und konventionellen Wandputz. Im Parterre findet sich zudem Platz für kommerzielle und öffentliche Nutzungen; unter anderem wurden ein Fitnessraum, eine Apotheke sowie eine Kindertagesstätte untergebracht. Der Nutzungsmix darüber ist breit konzipiert, mit Eigentums- und Sozialwohnungen sowie Angeboten für das betreute Wohnen.

Von der Genehmigung des Quartierplans bis zum Erhalt der Baubewilligung verstrichen zehn Jahre. Das Quartier mit insgesamt 401 Wohneinheiten wurde in zweieinhalb Jahren realisiert.

Les Jardins du Couchant, Nyon VD
 

Nutzung
14 Gebäude, 401 Wohneinheiten (MFH, Reihen-EFH)

Eigentümer
LSR Logement Social Romand,
La Mobilière, CA Indosuez, Cardis Sotheby’s

Totalunternehmer
Losinger Marazzi, Bussigny VD

Architektur
A Carré SA, Lonay VD (Leitung),
Michel Racheter & Associates Nyon,
Atelier d’architectes glatz & delachaux Nyon

Energieplanung/Haustechnik
CSD Ingénieurs, Carouge GE

Realisierung
2015 –2018

Bruttogeschossfläche
42 000 m2

Energiestandard
Minergie (2 MFH, 16 Reihen-EFH)


Energieversorgung


Wärme
Geothermie, Solarthermie, Fernwärme

Strom
Photovoltaik

Der Artikel ist erschienen im Sonderheft «Immobilien und Energie II». Weitere Beiträge in unserem digitalen Dossier.

Tags

Verwandte Beiträge