«Pla­ner­wahl­ver­fah­ren sind ei­ne Vor­in­ves­ti­ti­on»

Vor über einem Jahr publizierte der SIA die SIA 144 Ordnung für Planerwahlverfahren. Kommissionspräsident Simon Roth traf sich mit Rhea Lesniak vom Hochbauamt Kanton Zürich zum Gespräch über das Planerwahlverfahren zur Instandsetzung des Verwaltungsgebäudes für das Zürcher Obergericht.

Publikationsdatum
16-08-2023

Seit etwas mehr als einem Jahr ist die SIA 144 Ordnung für Planerwahlverfahren in Kraft. Die Mehrheit der Kantone ist der revidierten Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) beigetreten oder befindet sich in laufenden Bei­trittsverfahren. Damit sind die ­Rah­menbedingungen für eine nachhaltige öffentliche ­Beschaffung gegeben. Das Hochbauamt Kanton Zürich praktiziert bereits seit 2014 eine Form des Planerwahlverfahrens. Wir werfen mit Rhea Lesniak und Simon Roth einen Blick auf die Praxis und sprechen über das Planerwahlverfahren zur Gesamtinstandsetzung des Verwaltungsgebäudes des Zürcher ­Obergerichts an der Florhofgasse.

SIA: Frau Lesniak, können Sie die Aufgabe zur Gesamtinstandsetzung des Verwaltungsgebäudes kurz umschreiben?

Rhea Lesniak: Die anstehende Gesamtinstandsetzung umfasst eine grosse Spannweite, von der Zustandsanalyse über die Projektierung bis zur Ausschreibung und Realisierung. Es handelt sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Die meisten Bauteile und die Gebäudetechnik sind am Ende ihres Lebenszyklus angelangt. Das Ziel ist eine verlängerte Nutzungsdauer um weitere 30 bis 50 Jahre. Für diesen Auftrag haben wir einen Generalplaner gesucht.

Weshalb haben Sie sich für ein Planerwahlverfahren entschieden?

Lesniak: Die vorliegende Aufgabe ermöglicht den Planenden keinen grossen gestalterischen Spielraum, die Anordnung der Räume und die Nutzung bleiben gleich. Ein Wettbewerb ist deshalb aus unserer Sicht nicht geeignet. Und weil wir nicht ausschliesslich Angaben zu Referenzen und Honorar, sondern die Sensibilität der Planenden für die Aufgabe prüfen möchten, kam eine Leistungsofferte auch nicht infrage. Wir wollen erfahren, wie die Generalplaner an diese Aufgabe herangehen – besonders im Hinblick auf die Herausforderungen betreffend Denkmalpflege.

Die Wahl der angemessenen Beschaffungsform ist immer ein Thema. Wie definiert der SIA, wann welche Beschaffungsform angemessen ist?

Simon Roth: Der SIA unterscheidet zwischen leistungsorientierten und lösungsorientierten Verfahren. Wird die beste Lösung gesucht, soll ein lösungsorientiertes Verfahren wie etwa ein Wettbewerb oder ein Studienauftrag durchgeführt werden. Wird hin­gegen der geeignetste Umsetzungspartner gesucht, ist das Planerwahlverfahren nach SIA 144 der richtige Weg. Es sind wenige Punkte, die ein qualitätsvolles Planerwahlverfahren ausmachen.

Welche Punkte sind das?

Roth: Ein fachkompetentes Beurteilungsgremium – es braucht Leute, die den Inhalt der Beschaffung beurteilen können. Dann der Zugang zur Aufgabe: Man muss die richtigen Fragen stellen, eine Auftragsanalyse einfordern und diese fachkundig bewerten. Natürlich fliesst auch das Honorar in die Bewertung ein. Aber achtet man nur auf das Honorar, wählt man am Ende den billigsten Anbieter. Das ist aber meistens nicht der passende und deshalb oft auch nicht nachhaltig.

Sie sprechen das Beurteilungs­gremium an. Welche Überlegungen waren im Verfahren zum Verwaltungsgebäude relevant?

Lesniak: Es geht darum, das Abgefragte auch kompetent bewerten zu können. Das Verwaltungsgebäude ist im Register der überkommunalen Schutzobjekte der kantonalen Denkmalpflege. Entsprechend wurde ein fachkundiger Architekt stimmberechtigt einbezogen. Es ist bei uns bei der Planerwahl üblich, eine externe Person ins Beurteilungsgremium zu berufen.

Roth: Die SIA 144 ist offen formuliert: In der Regel braucht es eine externe Person im Bewertungs­gremium. Es kommt aber vor, dass der Einbezug einer externen Person keinen Mehrwert bietet und bei kleinen Verfahren eine unnötige Kostenposition darstellt. Mindestens so wichtig ist es, bei den Zuschlagskriterien die richtigen Fragen zu stellen. Im vorliegenden Fall hat sich das Hochbauamt präzise vorbereitet und drei Zuschlagskriterien definiert: Es bewertete die Aufgabe zum Mezzaningeschoss, die allgemeine Auftragsanalyse ausgehend vom Referenzprojekt und den Preis. Fragt man das Falsche, bekommt man nie die richtige Antwort. Da steckt viel Denkarbeit dahinter.

Wie finden Sie nun die passenden Anbieter für die Aufgabe?

Lesniak: Unsere Ausschreibungsunterlagen entstanden über einen Zeitraum von rund zwei Monaten in Zusammenarbeit zwischen der Fachstelle Wettbewerbe und den Projektleitenden des Baubereichs. Wir investieren viel Zeit und Ressourcen in die Ausarbeitung unserer Programme, denn wir fordern von unseren Bewerbenden im Gegenzug ja auch Engagement und Leistung. Bei der Planerwahl werden die Planenden deshalb auch entschädigt.

Wie fördern Sie bei Planerwahlverfahren den Nachwuchs?

Lesniak: Wir formulieren die Eignungskriterien offen, damit nicht immer dieselben Büros zum Zug kommen. Wenn zum Beispiel ein Gefängnis instand gesetzt werden soll, fordern wir keine Gefängnisbauten als Referenzprojekte ein. Aber die Objekte sollen von ähnlicher Art, Komplexität und Grösse sein. Des Weiteren wählen wir den Zeitpunkt für den Einbezug der ­einzelnen Fachspezialistinnen und -spezialisten projektspezifisch. Bei den Aufgaben, die wir im vorliegenden Verfahren stellten, spielten die HLKSE-Planer noch keine entscheidende Rolle, der Generalplaner kann diese also auch erst nach Abschluss des Verfahrens verpflichten. So haben auch Teams eine reelle Chance, die nicht auf ein grosses Netzwerk zurückgreifen können.

Weshalb lohnt sich der Aufwand für ein Planerwahlverfahren?

Roth: Bauherrschaften, die gute Verfahren machen, erhalten die besseren Leistungen. Der Fachkräftemangel betrifft uns alle. Bauherrschaften können nicht mehr davon ausgehen, für jede Ausschreibung zehn Angebote zu erhalten. Transparente und gute Verfahren motivieren die Planenden zur Teilnahme. Planerwahlverfahren sind zudem eine Vorinvestition. Mit dem geeigneten Partner erzielt man auch ein gutes Resultat in der Umsetzung.

Lesniak: Das ist definitiv so. Auch wir als Auslober müssen uns mit unseren Submissionsunterlagen bei den Planenden bewerben. Für uns lohnen sich Planerwahlverfahren trotz grossem internen Aufwand. Neben den fachlichen Kompetenzen können wir bei diesem Ver­fahrenstyp herausfinden, ob auch die organisatorische Leistungs­fähigkeit potenzieller Partner gegeben ist. Schlussendlich geht es immer darum, ein qualitäts­volles, nachhaltiges Projekt in guter Zusammenarbeit realisieren zu können.

Instrumente für die ­Beschaffung von Planungsleistungen

 

Das Online-Instrument wegweiser-planungsbeschaffung.ch orientiert über die wichtigsten Schritte bei der Vergabe von Archi­tektur- und Ingenieuraufträgen. Mit den Ordnungen SIA 142 für Wett­bewerbe, SIA 143 für Studien­aufträge und SIA 144 für Planer­wahlverfahren bietet der SIA ein Regelwerk für die lösungs- und leistungsorientierte Beschaffung. Programme von Wettbewerben und Studienaufträgen können beim SIA zur Begutachtung eingereicht werden. Sind alle Kriterien der Ordnungen SIA 142 oder SIA 143 erfüllt, zerti­fiziert der SIA die Konformität: www.sia.ch/de/dienstleistungen/programmbegutachtung/

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