Potenzial privater Wohnungsvermieter besser nutzen
Studie zum Wohnungsangebot in der Stadt Zürich
Gemäss den Prognosen einer Statistik der Stadt Zürich werden bis 2020 rund 2500 zusätzliche Wohnungen pro Jahr nachgefragt. Soll die Nachfrage befriedigt werden, so dass nicht aller Zuwachs in die Agglomeration verdrängt wird, muss die grösste Hauseigentümergruppe vermehrt für den Mietwohnungsbau gewonnen werden: die privaten Hauseigentümer.
Diese Gruppe versorgt untere und mittlere Vermögensschichten mit Mietwohnungen in vergleichbaren Umfang wie die Genossenschaften. Im Auftrag des Hauseigentümerverbands Zürich führte das Swiss Real Estate Institut der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich eine repräsentative Untersuchung bei dieser Eigentümergruppe durch. Die Resultate werden publiziert in der Studie «Private Hauseigentümer: Der schlafende Riese im Mietwohnungsbau».
Private Vermieter grösster Anbieter von Wohnraum
Die empirische Studie hält fest, dass Zürich im internationalen Vergleich eine sehr tiefe Einwohnerdichte hat. Die Zersiedelung nimmt nach wie vor zu, obwohl mittlerweile wieder viele Menschen in der Stadt wohnen wollen. Private Hauseigentümer sind die grössten Besitzer von Wohnliegenschaften in der Stadt Zürich. Sie sind aber eine Gruppe, die wenig neue Wohnungen produziert. Ihr Wohnungsangebot unterscheidet sich bezüglich Wohnungsgrössen und sozialen Schichten der Mieter (gemäss steuerbarem Vermögen) nicht wesentlich von genossenschaftlichen Wohnungen.
Entsprechend sind die meisten Wohnungen, gemessen am Durchschnittseinkommen in der Stadt Zürich, auch bezahlbar. Eine durchschnittliche 3.5-Zimmer-Wohnung kostet bei 71% der im Rahmen der Studie befragten Eigentümer brutto unter 2000 Fr. pro Monat.
Private Eigentümer besitzen wenige Liegenschaften
Die meisten privaten Hauseigentümer besitzen gemäss Umfrage wenige Liegenschaften: 60% besitzen nur ein Gebäude, 90% maximal 5 Gebäude. 66% haben in den nächsten fünfzehn Jahren Veränderungen mit ihren Liegenschaften geplant. Im Vordergrund stehen mit 42% Sanierungen und nicht der Wohnungsbau.
Beim Wohnungsbau planen die befragten Eigentümer vor allem Aufstockungen (7%), Anbauten (6%) und Ersatzneubauten (6%). Demgegenüber geben 44% an, keine weiteren Projekte mit ihren Liegenschaften zu planen. Für 22% dieser Gruppe sind die Kosten oder die Finanzierung zu hoch und für 13% die Vorschriften und Auflagen zu gross. 8% möchten oder können ihren Mietern nicht kündigen und ebenfalls 8% halten das Baubewilligungsverfahren für zu kompliziert.
Hindernisse bei Renovationen und Sanierungen
Wo liegen Potenziale, damit mehr private Hauseigentümer aktiv werden? Rund zwei Drittel der Eigentümer haben sich von Experten in der Vergangenheit Möglichkeiten für Investitionen aufzeigen lassen. Den meisten hat es etwas gebracht, auch eine Zusammenarbeit mit den Nachbarn ist denkbar, allerdings sind die Vorstellungen über die Zusammenarbeit sehr unterschiedlich. Aufgrund der guten Erfahrungen scheint es sinnvoll, entsprechende Beratungsdienstleistungen beispielsweise durch die Interessenverbände besser bekannt zu machen oder zu vermitteln, um vorhandene Potenziale den Eigentümern bewusst zu machen.Allerdings sollten die Potenziale unabhängig vom Nachbarn realisiert werden können.
Mietrecht bremst
Der überwiegende Teil der Privateigentümer besitzt nur ein Gebäude und trägt damit bei grösseren Bauprojekten ein finanzielles Klumpen-Risiko. Zwei Drittel der Privateigentümer ist bereit, bei einer Rendite von 48% auf das investierte Eigenkapital, das finanzielle Risiko einzugehen. Eine stark bauverhindernde Wirkung scheint momentan, aufgrund des tiefen Zinsniveaus, das Mietrecht zu haben: Bei umfassenden Sanierungen können laut Gesetz zwischen 50 und 70% der Investitionen als wertvermehrend auf die Mieten überwälzt werden. Damit darf die Nettorendite (Eigenkapitalverzinsung) 2.5% (Referenzzinssatz plus 0.5%) nicht übersteigen. Zu diesen Eigenkapitalrenditen sind aber weniger als ein Viertel der Eigentümer bereit zu investieren.
Bei einer Totalsanierung (mit Leerkündigen der Liegenschaft) könnte ein höherer Zins auf dem investierten Eigenkapital erzielt werden. Allerdings verhindert dort die heutige Mieterstreckungspraxis von 12 Monaten und mehr bei zwei Drittel der Eigentümer das Bauvorhaben oder verzögert es zumindest deutlich. Die Vorstellung ein Mehrfamilienhaus bis auf wenige Parteien mit Mieterstreckungen leer stehen zu haben, doch nicht umbauen zu können, scheint für viele Eigentümer eine Investitionsbremse zu sein.
Mehr als die Hälfte fordert eine maximale Mieterstreckung von sechs Monaten. Ein eigentümerfreundlicheres Mietrecht in diesen beiden Punkten würde helfen, dass mehr Wohnraum erstellt würde, was schlussendlich auch den Mietern dienen würde.
Höheres Bauen als bevorzugte Option
Am meisten förderlich für den Wohnungsbau wird das Erlauben von Aufstockungen um plus zwei Geschosse (70%) dies am deutlichsten in den Stadtkreisen 3, 4 und 5 , die Reduktion der Grenzabstände (54%) und ein höherer Ausnützungsbonus bei kleineren Arealüberbauungen (47%) bewertet. Auch ein vollständiger steuerlicher Abzug der Ausgaben für Erweiterungs- und Ersatzneubauten würden mit 65% als sehr förderlich angesehen, sowie der vollständige Abzug der Rücklagen für Erneuerungen (65%).
Knapp die Hälfte würde bei einer solchen Veränderung der Spielregeln aktiv werden, sei es, dass sie grössere Projekte starten (39%) oder die Liegenschaft verkaufen oder vererben würden (7%). Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass sie nur aktiv würden, wenn die eingangs genannten Hinderungsgründe betreffend minimaler Renditeanforderungen und Mieterstreckungen eliminiert würden.
Aufwendiger Bewilligungsprozess
Auch der Baubewilligungsprozess sollte, vor allem bei kleineren Projekten, vereinfacht und amtsintern besser koordiniert werden (67%). In der Vergangenheit führte dies bei 20% der geplanten Projekte zu einem Projektabbruch oder zumindest zu höheren Kosten (45%) oder höheren Mieten (17%). Vor allem die Verringerung von Baueinsprachen wäre der Wohnungsproduktion aus Sicht der Privateigentümer sehr dienlich (66%).
Fazit: Potenziale zur Aktivierung des privaten Mietwohnungsbaus
Aus der Analyse der Antworten können im Wesentlichen folgende Potenziale zur Aktivierung des privaten Mietwohnungsbaus eruiert werden:
- Die Anreize für den verstärkten Wohnungsbau müssen für jede Liegenschaft einzeln umsetzbar sein und nicht von einer Zusammenarbeit verschiedener benachbarter Eigentümer abhängen. Dazu sind die Unterschiede bezüglich des gewünschten Umsetzungstempos, der finanziellen Möglichkeiten sowie auch die Tatsache, dass sich Eigentümer den Nachbarn nicht aussuchen können, zu gross. Externe Experten wurden als hilfreich beurteilt, um Potenziale aufzuzeigen. Dabei können sowohl private Fachpersonen, Interessenverbände als auch die städtischen Behörden diese Rolle übernehmen.
- Die Massnahmen für den zusätzlichen Wohnungsbau müssen die Situation von Eigentümern mit kleinem Portfolio und hohen finanziellen Klumpen-Risiken, die den Grossteil ausmachen, berücksichtigen. Im Zentrum sollen renditeorientierte Anreize stehen, die zurzeit mindestens eine Rendite von 46% auf dem investierten Eigenkapital zulassen.
- Gleichzeitig ist eine hohe Sicherheit in der Rechtsprechung bezüglich der Dauer von Mieterstreckungsverfahren notwendig. Diese sollte auf sechs Monate beschränkt werden. Im Mietergericht sollen auch die Interessen der Eigentümer angemessen berücksichtigt werden, da diese sonst keine Anreize mehr haben, mehr Wohnraum zu erstellen. Die volle steuerliche Abzugsfähigkeit der Ausgaben für Erweiterungs- und Ersatzneubauten würden ebenfalls wesentlich die Investitionsbereitschaft fördern.
- Ohne Veränderungen der Rahmenbedingungen werden laut Befragung zwei Drittel der Privateigentümer zwar in den nächsten zehn Jahren investieren, allerdings vorwiegend in Werterhaltung und kleinere Wohnraumerweiterungen.
- Das Ändern der Spielregeln über das Erlauben von Aufstockungen um zwei Geschosse, Reduktion der Grenzabstände sowie ein Arealbonus auch bei kleineren Arealen würde bei rund der Hälfte der Befragten zu zusätzlicher Investitionstätigkeit führen, sprich zu zusätzlichem Wohnraum.
- Soll zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden, muss zusätzliche Ausnützung dort erlaubt werden, wo investitionsbereite Eigentümer sind. Heute befinden sich die Reserven zum Grossteil noch immer dort, wo sie aufgrund von Planungen aus den 1960er-Jahren als Potenziale gesehen wurden.
- Im Baubewilligungsprozess soll sich die Stadtverwaltung auf ihre Rolle der juristischen Beurteilung der Projekte beschränken. Entscheidungen für Veränderungen am Projekt müssen früh im Bewilligungsprozess getroffen werden, damit Kostensteigerungen vermieden werden können, die dann teilweise auch zu höheren Mieten führen. Um Widersprüche zwischen den Ämtern zu reduzieren, sollte jedes Dossier eine verantwortliche Person in der städtischen Verwaltung haben, die den Antrag intern koordiniert.
- Die Regelungsdichte wie auch die Komplexität vor allem bei kleinen Baubewilligungsverfahren müssen zugunsten des Wohnungsbaus reduziert werden. Dies betrifft auch das Nachbarrecht sowie die Möglichkeit zur Reduktion der Grenzabstände. Für die Umsetzung der Projekte ist eine Vermittlung oder Empfehlung von qualifizierten Experten mit einem angemessenen Preis-/Leistungsverhältnis hilfreich.
- Für die Steuerzahlenden der Stadt Zürich stellt sich die Frage, ob sie die Forderung nach mehr (günstigem) Wohnungsbau in der Stadt Zürich mit Steuergeldern mitfinanzieren oder neben den Genossenschaften auch den Privateigentümern mehr Möglichkeiten schaffen wollen, sich als Kooperationspartner an der Wohnungsversorgung zu beteiligen. Dies, weil sich Mieterinnen und Mieter zwischen den beiden Segmenten betreffend ihren steuerbaren Vermögen, nur relativ wenig unterscheiden.
- Alle Massnahmen würden allerdings zu einer höheren Bevölkerungsdichte in den Städten führen. Wie sich die höhere Dichte in der Stadt auf die Attraktivität der Stadt auswirkt, beziehungsweise auf die Nachfrage nach Wohnungen in verdichteten Quartieren, ist schwierig abzuschätzen. Denkbar wäre auch, dass dann Wohnen im Grünen oder zumindest in grünen Quartieren wieder attraktiver würde. Im Speziellen bei einer zunehmenden Klimaerwärmung, da hochverdichtete Gebiete im Sommer sogenannte Hitzeinseln bilden.
- Schlussendlich wird sich zeigen, ob das Leben in weniger verdichteten Gebieten, aber dafür mit mehr überbauten Naherholungsgebieten eine stärkere gesellschaftliche Akzeptanz findet oder ob eher das Leben in verdichteten Gebieten, aber dafür die Verfügbarkeit von mehr unbebauten Naherholungsgebieten bevorzugt wird.