Kunst­griff un­ter Wah­rung der Ar­chi­tek­tur

Primarschule Stöckacker, Bern

Publikationsdatum
14-06-2024

Wie vielerorts in der Schweiz entsteht im Westen der Stadt Bern in den kommenden drei Jahren ein neues Schulhaus; in diesem Fall für die Primarstufe der Schule Stöckacker. Beim Wettbewerbs- projekt handelt es sich um einen fünfgeschossigen Holzskelettbau mit grossem Anteil an raumhohen Fensterflächen. Diese entwurfsgegebenen Randbedingungen und der gesetzte Anschluss ans Fernwärmenetz (beziehungsweise die dadurch nicht vorhandene Möglichkeit für Geo-Cooling), der bewusste Verzicht auf Kühlanlagen und das ursprünglich angedachte System mit Verbundlüftern (womit keine effektive Nachtauskühlung möglich ist), ergeben in Summe keine optimalen Vo­raus­setzungen für den sommerlichen Wärmeschutz.

Demnach beauftragte Hochbau Stadt Bern als Bauherrschaft in der Vorprojektphase eine thermo­dynamische Simulationsstudie. In deren Rahmen wurde aus dem BIM-Modell der Architektur zunächst ein thermisch-energetischer Zwilling erstellt, in dem sämtliche Interaktionen abgebildet sind. Es folgte eine bauklimatische Auswertung und Optimierung des Gebäudes. Schnell stellte sich heraus, dass die normativen Anforderungen bezüglich Überhitzungsstunden und operativer Raumtemperatur im exponiertesten Raum des Schulhauses deutlich überschritten werden. In anderen Worten: Das Gebäude entsprach während der Sommermonate nicht den Anforderungen an das Raumklima für eine derartige Nutzung. Natürlich bestünde in solchen Fällen die Möglichkeit, das Gebäude umzuplanen – sprich, die Wahl des Baumaterials zu überdenken oder die Fassade grundsätzlich umzugestalten – oder das Haus aktiv zu kühlen. 

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Da bei diesem Projekt aber beides ausser Frage stand, suchten die Simula­tionsexperten zusammen mit dem gesamten Planungsteam nach möglichst effektiven Massnahmen, um den sommerlichen Wärmeschutz dennoch zu gewährleisten. Die wirkungsvollste Massnahme fand man in der Motorisierung der Fensterlüftung in Kombination mit einer gesteuerten Verbindung zum Treppenhaus mit Oberlicht, um eine effektive Nachtauskühlung zu gewährleisten. Daneben wurden bei den Brüstungen und einzelnen Bereichen des Innenhofs transparente Bauteile durch opake ersetzt. Mittels Einschränkung des Farbbereichs für die Sonnenschutzstoren und einer Aktivierung des Hartbeton-Bodenbelags – praktisch das einzige Bauteil mit nennenswerter thermischer Masse – gelang schliesslich der Kunstgriff. Durch die Optimierungsmassnahmen liessen sich sowohl die Überhitzungsstunden als auch die maximale Raum­luft­tem­peratur so stark reduzieren, dass der Nachweis für den sommerlichen Wärmeschutz auch für die exponiertesten Räume erfüllt ist.

Fazit in diesem Fall: Eine leichte und dadurch CO2-sparende Bauweise mit Holz und grossem Fensterflächenanteil erschwert den sommerlichen Wärmeschutz. In der Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft, Architektur, Bauphysik, Gebäudetechnik und Simulationsspezialisten lassen sich Lösungen finden, die den Entwurf gestalterisch nur wenig beeinträchtigen und trotzdem die raumklimatischen Anforderungen erfüllen. Und obwohl sich beim Ergreifen solcher Massnahmen ein Interessenkonflikt zwischen sommerlichem und winterlichem Wärmeschutz (z. B. bei der Wahl der g-Werte der Fenster) nicht ausschliessen lässt, bieten Gebäudesimulationen ein ideales Werkzeug, um über den ganzjährigen Betrieb hinweg fundierte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.

Primarschule Stöckacker, Bern


Bauherrschaft
Hochbau Stadt Bern

Architektur
Schmid Ziörjen Architektenkollektiv, Zürich

Bauingenieurwesen
Emch + Berger, Bern

Planung Holzbau
Pirmin Jung, Thun

Bauphysik / Bauakustik
Bakus, Basel

HLKSE inkl. GA, Simulationen
Epro Engineering, ­Gümligen