Urbanes Kaleidoskop
Der Quai Zurich Campus des Wiener Architekten Adolf Krischanitz fügt sich in die Reihe der Repräsentationsbauten am Zürichsee. Eine plastische Glashülle und eine fein gegliederte Steinfassade stehen in schönem Kontrast.
Die Versicherungsmeile am Zürichsee wandelt ihr Gesicht: Nach der Eröffnung des «Swiss Re Next»-Gebäudes von Diener & Diener Architekten mit seiner wellenförmigen Glasfassade 2017 wurde letztes Jahr der Konzernhauptsitz der Zurich eingeweiht. Dieser firmiert unter dem Titel Quai Zurich Campus, was insofern berechtigt ist, als es sich bei dem Geviert zwischen dem Mythenquai und der Alfred-Escher-Strasse um ein Ensemble von Bauten aus mehr als hundert Jahren handelt. Als Adolf Krischanitz den Wettbewerb 2012 gewann, überzeugte er die Jury mit einer kammartigen Verzahnung von Alt und Neu.
Die historisch wichtigen Bauteile blieben erhalten: das pompöse neubarocke Hauptgebäude von Julius Kunkler entlang des Mythenquais (1901), der quer dazu stehende Erweiterungsbau von Otto Honegger (1924/25) und die Spange des ehemaligen Vita-Gebäudes entlang der Marsstrasse, das von 1932 stammt und in den 1950er-Jahren baugleich erweitert wurde. Die Bauten an der Alfred-Escher- und der Breitingerstrasse ersetzte Krischanitz – dessen Aufgabe auch die Sanierung des Bestands umfasste – durch einen achtgeschossigen Neubau in Form eines breiten U. Dieses komplettiert einerseits den Blockrand, ragt andererseits aber mit seinem südlichen Flügel parallel zum Querbau von 1925 in den Blockinnenraum hinein. Dadurch entstand eine Ab-folge von drei Höfen, die, wie auch ein im Südflügel des Neubaus situiertes Café, der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. So entstand tatsächlich ein Stück Stadt.
Subtil und differenziert
Die Front zur Alfred-Escher-Stasse ist mit dem für Zürich typischen Bollinger Sandstein verkleidet. Auf den ersten Blick erscheint die Rasterfassade vergleichsweise neutral und unspektakulär, doch zeigt sich beim näheren Hinsehen eine subtile Differenzierung. Treten die Brüstungselemente in den unteren Geschossen hinter die Pfeiler zurück, so kehrt sich die Anordnung in der oberen Gebäudehälfte: Die Brüstungsplatten werden ab dem 3. Obergeschoss zu einem durchlaufenden Band, hinter das die Pfeiler sukzessive zurücktreten.
Natürlich ist die Fassade trotz ihrer tektonischen Anmutung vorgehängt und damit im Sinn von Gottfried Semper, auf den sich Krischanitz oft bezieht, Bekleidung. Unterstrichen wird das durch die Tatsache, dass die nach Osten vorstossenden Seitenflügel bei gleicher Fassadenunterkonstruktion anders materialisiert sind: Dreieckige geschosshohe VSG-Elemente aus teilvorgespanntem Glas, eingefasst von schmalen Aluminiumprofilen, bilden eine plastische rautenförmige Struktur. Die Rauten bestehen aus vier in unterschiedliche Richtungen geneigten Dreiecken; sie übergreifen zwei Geschosse, wobei ihre Mittelpunkte am stärksten aus der Fassadenebene hervortreten. Die grösste Herausforderung stellte dabei die Bewältigung des klassischen Eckkonflikts dar – also jener Stellen, an denen zwei Fassadenebenen im 90-Grad-Winkel aufeinandertreffen.
Variationen eines Motivs
Vom See oder vom Mythenquai aus gesehen – das vorgelagerte Arboretum verhindert eine Fernwirkung – treten die Prismenfassaden in die zweite Reihe hinter die historischen Bauten zurück. Das ergibt eine überzeugende Balance zwischen Alt und Neu; Krischanitz ist kein Anhänger des unprätentiösen Weiterbauens, er artikuliert durchaus Brüche. Aber weder erdrückt hier das Alte das Neue, noch triumphiert das Neue ostentativ über das Alte.
Der Stoffwechsel, ebenfalls ein Begriff von Semper, den Krischanitz gern verwendet, offenbart sich nicht nur am Wechsel der Fassadenmaterialisierung. Das Rautenornament zieht sich auch leitmotivisch durch das Innere, in Bezug auf Materialität und Massstab moduliert und variiert. Es findet sich wieder an den vom Büro Krischanitz entworfenen Leuchtkörpern im Foyer, den grossen Korridoren, dem Auditorium und dem Board Room; als Holzintarsien in einer Liftkabine; oder als grafische Lineatur der Textilbespannung im Altbau.
Als Vorläufer für dieses Werk lässt sich Krischanitz’ Novartis-Gebäude in Basel (2008) verstehen. Die geknickte Glasfassade findet dort ihren Nachhall im Atrium mit seinen Brüstungsornamenten sowie im Terrazzoboden und in den Teppichen des Künstlers Gilbert Bretterbauer. Durch die komplexere Geometrie ist die Wirkung der Prismenfassade in Zürich noch suggestiver: Gerade in den Höfen verhindert sie die Spiegelung des Gegenübers, stattdessen ergibt sich eine kaleidoskopartige Wirkung, bei der Fragmente des Himmels, des Altbaus und der umgebenden Stadt durcheinandergewirbelt werden.
Dieser Artikel ist erschienen in «Fassaden | Façades | Facciate – Zeitgenössische Bauten in der Schweiz».
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