Re­zep­te für zahl­ba­res Woh­nen

Grenchner Wohntage 2014

Die Kosten für das Wohnen schlagen in den Schweizer Haushalten kräftig zu Buche. Seit etwa 15 Jahren spüren das vor allem die einkommensschwachen Haushalte. In den grossen Städten sind während der letzten Jahre die preiswerten Wohnungen nach und nach verschwunden. Mittelfristig dürften die Zinse wieder steigen, womit sich das Problem noch verschärfen dürfte. Ein durch das Bundesamt für Wohnungswesen BWO durchgeführter Anlass in Grenchen ist am 6. November diesen Fragen nachgegangen.

Publikationsdatum
17-11-2014
Revision
01-09-2015

Der Wohnmobilienmarkt in der Schweiz unterliegt zunehmend Regulierungen. Dies wirkt sich auf Bau und Handel von Wohnraum aus und auch auf dessen Besitz. Vor einiger Zeit sah sich die Nationalbank gezwungen, zum Schutz der Exportbranchen und des Tourismus einen Mindestwechselkurs für den Franken festzulegen. Die Zinsen liegen seitdem auf rekordtiefem Niveau. Wohnraum und vor allem Wohneigentum war plötzlich stark gefragt und ist leicht finanzierbar geworden. Donato Sconamiglio (CEO der IAZI AG, Zürich) zeigte dies eindrücklich auf und erläuterte auch die Eingriffe, die politisch-gesellschaftlich motiviert sind und die weit gravierendere Folgen für die Wohnmobilienmärkte auslösten als Massnahmen zur Preisdämpfung. Stichworte sind die Zweitwohnungs- und Masseneinwanderungsinitiative, deren potenzielle Kollateralschäden heute noch kaum sichtbar geworden seien. Eine durchaus mögliche Zinserhöhung dürfte laut Sconamiglio kaum absehbare Probleme mit sich bringen, sowohl für Investoren wie auch für Private. 

Die Leiterin des kantonalen Wohnungsamtes Neuenburg, Nicole Decker, ging auf den Aspekt der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft und den fehlenden erschwinglichen Wohnraum ein. Mit einem Kredit von 18 Millionen Franken will der Kanton Neuenburg während der nächsten vier Jahre den Bau und die Erneuerung von Wohnungen gemeinnütziger Bauträger unterstützen. Decker betonte, dass kantonale Massnahmen nicht ausreichen und diesbezüglich eine engere Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden unabdingbar seien. 

Mieten oder besitzen 

Wohngenossenschaften haben zum Ziel, Wohnraum zu tragbaren Mietpreisen anzubieten. Christian Zeyer von der Wohnbaugenosenschaft Oberfeld in Ostermundigen bei Bern und Alain Charlet von Cooplog in Genf führten aus, wie durch einen Mix von Wohneigentum und Miete Genossenschaftswohnungen zu finanzieren und die Mietpreise moderat zu gestalten sind.

In der neuen, autobefreiten Siedlung Oberfeld in Ostermundigen finden sich Miet- und Eigentumswohnungen im Verhältnis von rund 1:1. Erst das Eigentum habe es ermöglicht, so Christian Zeyer, die hundert  Wohnungen dieser Siedlung auch langfristig zu preiswerten Bedingungen zur Verfügung zu stellen.

Cooplog in Genf wollte in der bevorzugte Wohnlage Carouge ein Verwaltungsgebäude aufstocken und als genossenschaftlichen Wohnraum umnutzen. Die Gebäudeaufstockung war aber baurechtlich nicht durchzusetzen. Der Komplex wurde schliesslich abgerissen, und auf der Parzelle entstehen derzeit zwei neue Gebäude - eines mit 28 Appartements im Stockwerkeigentum und das andere mit 34 Genossenschaftswohnungen. Alain Charlet zeigte auf, wie durch den Verkauf der Wohnungen zu Marktpreisen die Mietwohnungen der Genossenschaft finanziert werden.  

Vertikales und horizontales Experiment

Ein 45 Stockwerke hoher Turm in Caracas (Venezuela) wurde aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Bauträger nicht fertig und blieb leer bestehen. Heute ist der Turm das improvisierte, in ständigem Wandel begriffene Zuhause von über 750 Familien. Manche nennen diesen Turm einen vertikalen Slum. Doch scheint es den Bewohnern zu gelingen, die prekäre Situation zu meistern und die riesige Bauruine durch Einfallsreichtum und Entschlossenheit in eine verhältnismässig brauchbare Wohnstätte zu verwandeln. Daniel Schwartz (Media and Research, ETH Zürich) zeigte einen Kurzfilm, der diesen Torre David und den darin gelebten Alltag dokumentiert.1 Er referierte zu diesem «Anschauungsprojekt des Informellen» und erläuterte die dort betriebenen Studien des U-TT-Lehrstuhls für Architektur der ETH Zürich.

Der Wohnkomplex Le Lignon, ein 1963 bis 1971 entstandener, riesiger Wohnkomplex in Genf mit 2800 Wohnungen (davon rund 1/3 subventioniert) und rund 10.000 Einwohnern, gleicht einer Stadt im Kleinen. Der horizontale Bau mit 16 Geschossen von fast einem Kilometer Länge und zwei Turmbauten mit 26 und 30 Geschossen wurde in den letzten Jahren einer Bauerneuerung unterzogen. Patrick Wicht vom Comité Central du Lignon zeigte auf, wie der Gebäudekomplex erneuert wurde, sodass er auch 50 Jahre nach seiner Entstehung immer noch zahlbaren und attraktiven Wohnraum bieten kann. 

Dächer - die billigste Bauparzelle

Wohnquartiere im urbanen Gürtel oder Bauten in zentraler Lage, die einer Bauerneuerung bedürfen, können verbunden mit einer Aufstockung nicht selten auch energetisch saniert und aufgewertet werden. Markus Mooser vom Cedotec in Le Mont-sur-Lausanne zeigte an Beispielen, welche Möglichkeiten sich durch Bauordnungen, planerische Massnahmen und bautechnische Konzepte ergeben. Mit der Leichtbauweise Holz kann so attraktiver Wohnraum gewonnen, bestehende Wohnsubstanz verbessert und eine erhöhte Rendite erzielt werden. Aufstocken und Verdichten bedeutet zudem, neuen Wohnraum in bereits bestehender Infrastruktur zu gewinnen - ein Vorhaben, das auch raumplanerisch sinnvoll ist.2

Wie günstigen Wohnraum schaffen 

Preiswerten Wohnraum zu schaffen, der sich für den Investor doch auszahlt, ist kein einfaches Unterfangen. Im Mehrfamilienhaus Claridenpark in Wald (Kanton Zürich) hat Architekt Valentin Loewensberg genau das an 20 Mietwohnungen durchexerziert. Er betonte, dass der Innenausbau bloss rund einen Achtel der Baukosten ausmache, Einsparungen andernorts schlagen also weit mehr zu Buche. Loewensberg zeigte auf, dass Baubestandteile, die wenig kosten, jedoch für das Wohnen wertvoll sind, ohne Verlust grosszügig zu bemessen sind: Terrassen, Raumhöhe, Grundfläche der Zimmer. Was aber für den architektonischen Gehalt nicht entscheidend ist, das soll konsequent reduziert werden. So gebe es nur einen Schacht je Wohnung, einen Aufzug für das ganze Haus, und die Treppe liegt im Freien. Gebäudevolumen und Tragstruktur sind sehr einfach, das Untergeschoss limitiert.

Valentin Loewensberg führte aus: «Auf räumlicher Grosszügigkeit zu beharren lohnt sich und ist für die Baukosten nicht entscheidend. Hingegen ist eine intensive konzeptionelle Strategie- und Entwurfsarbeit eine grundlegende Voraussetzung für günstiges Bauen. Der planerische Mehraufwand ist entsprechend im Schwierigkeitsgrad des Honorars zu berücksichtigen.» Mit andern Worten: Kostensparend Bauen aufgrund planerischer Massnahmen hat seinen Preis, zahlt sich letztlich aber aus. 

 

Weiterführende Information
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft der Schweiz. Kurzbericht von Peter Staub und Heinz Rütter.
 

Anmerkungen

  1. Buch «Torre David – Informal vertical communities». Lars Müller / ETH Zürich 2013
  2. Buch «Aufstocken mit Holz – Verdichten, Sanieren, Dämmen». Birkhäuser 2014

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