Milano im Zeichen des Designs
Jährlich im April lockt die italienische Metropole mit Inspiration in rauen Mengen. Dann strömen Designliebhaberinnen aus der ganzen Welt wieder zur Milan Design Week, den Fuorisalone und der Möbelmesse Salone del Mobile. Wir haben eine Auswahl an Highlights zusammengestellt.
Auf dem Messegelände der Fiera Milano in Rho bildet die 63. Ausgabe des Salone del Mobile – die grösste und prestigeträchtigste Möbelmesse der Welt – den Auftakt zur Mailänder Designwoche. Während sechs Messetagen präsentieren sich vom 8. bis 13. April Designerinnen und Hersteller mit ihren Novitäten.
Darunter etwa der österreichische Hersteller Wittmann mit einem neuen Sitzmöbel von Jaime Hayon. Der spanische Designer entwarf mit «Tuya» einen Hochlehner, der so funktional wie elegant ist. Bei Gebrüder Thonet Vienna stieg man in die Archive: Mit dem «Boomerang»-Schreibtisch wird ein Entwurf des Altmeisters Enzo Mari (1932–2020) neu aufgelegt. Eine Glasplatte ruht auf einer bumerangförmigen Schichtholzkonstruktion, getragen von vier stabilen, aber schlanken Beinen aus massivem Buchenholz – ein ideales Möbel fürs Homeoffice.
Euroluce mit neuem Licht
Parallel findet auf dem Messegelände die Lichtbiennale «Euroluce» statt. Auf der Messe für die neuesten Innovationen im Bereich Beleuchtung zeigt unter anderem das tschechische Unternehmen Lasvit unter dem Motto «Soaked in Light» Installationen aus Glas und Licht. Im Mittelpunkt steht die Hängeleuchte «Splash» von Designer Martin Gallo – eine Installation, die die Kraft von Wasser und seine fliessenden, sich ständig verändernden Formen erforscht.
Gross angerichtet hat auch der tschechische Hersteller Brokis seinen diesjährigen Messeauftritt. Auf 400 m2 gleicht der Stand einer Theaterbühne – ein langsam gleitender Vorhang enthüllt und verbirgt die neusten Entwürfe aus mundgeblasenem Glas, darunter die Hängeleuchten «Comet» von der Designerin Simona Sbordone, die mit einer Beimischung von Quarzsand für einen Sternenstaub-Effekt erzeugt. An Sternenbilder erinnert das modulare Decken- und Wandbeleuchtungssystem «MAP», ein Entwurf des Designstudios Geckeler Michels für den italienischen Hersteller Lodes.
Anmeldung erwünscht!
Ausserhalb der Messehallen locken die über 560 Fuorisalone-Veranstaltungen, die verteilt über die ganze Stadt eine überbordende Fülle an Ausstellungen, Talks und Events bieten. Sechs Messetage sind in einem Wimpernschlag vorüber, Vorbereitung ist hier alles. Zumal die begehrten Ausstellungen inzwischen meist eine Vorabregistrierung verlangen, ehe sie den Einlass gewähren, etwa die stets schnell ausgebuchte Inszenierung von Hermès, die auch dieses Jahr in der Pelota-Halle in der Via Palermo stattfindet. Zu den neuen Produkten zählen unter anderem farbige Gläser, bei denen das Glas kalt geschliffen wird, um Streifen oder Schachbrettmuster zu erzeugen. Tiefer lässt sich das Luxusunternehmen vorab nicht in die Karten schauen.
Prägende Kollaborationen
«Connected Worlds» ist das Thema der Milan Design Week 2025, eine Inspiration, die partizipatives und generatives Design fördert und die Kunst des Engagements durch Design und künstliche Intelligenz feiert. Stimmig widmet sich die dritte Ausgabe des «House of Switzerland» diesem Thema und zeigt 25 Projekte von Nachwuchstalenten, Institutionen, etablierten Marken und Hochschulen. Die Arbeiten veranschaulichen, wie Kollaboration die einzelnen Schritte eines Designprozesses prägt.
«Designed in CH, Made in JP» ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Masterlehrgang Produktdesign der ECAL, dem Möbelhersteller Karimoku New Standard und Präsenz Schweiz. Gezeigt werden von Studierenden entworfene Stühle, in denen Erbe, Handwerk und Innovation aus der Schweiz und aus Japan miteinander verflochten werden. Die
diesjährige Ausgabe des «House of Switzerland Milano» – eine Zusammenarbeit von Pro Helvetia und Präsenz Schweiz – ist auch die letzte. Darum lohnt es sich umso mehr, im Casa degli Artisti beim Corso Garibaldi vorbeizuschauen.
Galerien und Barockpaläste
Im Palazzo Litta am Corso Magenta lädt Mosca Partners Variations wieder Architektinnen, Designer, Kreative und Unternehmen verschiedener Nationalitäten ein, von Bangladesch über Japan bis Kanada. Mit dabei ist Atelier Oi mit dem Sitzmöbel «Micelio». Für den Hersteller Neutra schuf das Westschweizer Studio eine Kombination aus Marmor-Tisch mit Polsterstühlen, bei dem jedes Teil um 360° drehbar ist. Auch die Installation im Hof des Barockbaus – eine Inszenierung des Südkoreaners Byoung Soo Cho – ist den Besuch wert.
Etwas abseits hat die Galeristin Rossana Orlandi an der Via Matteo Bandello einen Ort kreiert, an dem seit 2002 frisches Design präsentiert wird. Mit dabei ist dieses Jahr das Designduo Draga & Aurel mit der Serie «Rescue Me», einer Upcycling-Kollektion, die Vintage-Möbel aus den 1950er- bis 1980er-Jahren neu interpretiert und in künstlerische Einzelstücke aus Harz verwandelt.
Ebenfalls ein Must ist der Besuch der Galerie Nilufar an der Via della Spiga. Galeristin Nina Yashar zeigt dort seit 1979 die aufregendsten Namen des Sammlerdesigns – von den Klassikern wie Gio Ponti bis zu Martino Gamper und India Mahdavi. Dieses Jahrsteht der verstorbene japanisch-amerikanische Architekt und Designer George Nakashima (1905–1990) im Fokus, dessen Möbel die organische Eleganz der japanischen Kunst mit den Prinzipien des amerikanischen Modernismus verbinden.
Vor den Toren der Stadt
Längst kein Geheimtipp mehr ist die Gruppenschau Alcova. Auch in der 9. Ausgabe der Schau werden sich wohl lange Warteschlangen am Eingang bilden. Neben den historischen Residenzen Villa Borsani und Villa Bagatti Valsecchi, die auch in diesem Jahr wieder Schauplatz sind, stellt Alcova zwei neue Standorte im Vorort Varedo vor: die ehemalige SNIA-Fabrik und die Pasino-Glashäuser. Dort, wo früher synthetische Fasern produziert beziehungsweise Orchideen gezüchtet wurden, stellen heute Designer, Hersteller, Galerien und Kulturinstitutionen aus. Die lange Anreise mit fast 30 Minuten Bahnfahrt vom Stadtzentrum her lohnt sich – auch wenn die Plattform für Design ihren experimentellen Charme mittlerweile etwas verloren hat.