Seilschaften und Gratwanderungen
Export von Planungsleistungen: Erfahrungsaustausch der S-GE Exportprojekte
Wie Schweizer Architekten, Ingenieure und Designer mit den richtigen Partnern und integralen Lösungen im Ausland punkten können, haben fünf Marktbearbeitungsprojekte exemplarisch gezeigt.
«Als Erstes wünsche ich uns allen weiterhin viel Glück!», eröffnete Jürg Grunder, SIA- Mitglied aus Bangalore, seine Präsentation. Mit «uns» waren die Projektleitenden gemeint, die von 2014 bis 2015 Vorhaben mit Planungs- und Designbezug in fremden Märkten bearbeitet hatten, um die Nachfrage nach spezifischen Schweizer Kompetenzen auszuloten, neue Erkenntnisse zum Marktzugang zu gewinnen und kleinere und mittlere Schweizer Büros mit Auslandabsichten zu vernetzen.
Die fünf Projekte wurden über die ehemalige Branchenplattform «ingenious switzerland» – einer Initiative aus dem dritten Konjunkturstabilisierungspaket des Bundes – lanciert und seit deren Auflösung Ende 2013 vom SIA koordiniert und begleitet.
Neben einem Workshop mit jungen Designern aus Japan und der Schweiz (siehe TEC21 Nr. 47/2015) und einem Seminar zum nachhaltigen Bauen in São Paulo haben drei Projektteams zu konkreten Fragestellungen integrale Lösungsansätze erarbeitet: von der Aufstockung eines Hauses in Warschau mittels Holzbau über Strategien zur urbanen Transformation ehemaliger Bergbaugebiete in der russischen Industriestadt Satka bis zu einem Kompetenzzentrum für Schweizer und indische Architektur in Bangalore.
Trotz dem breiten Spektrum haben die Teams ähnliche Erfahrungen gemacht, wie die Abschlusssitzung der Projektleitenden zeigte.
Ganzheitliche, effiziente Lösungen
Schweizer Architektur, Ingenieurbaukunst und Design sind im Ausland sehr gefragt. Reich werden Schweizer Planer und Designer dort aber kaum, denn Qualität hat ihren Preis. Die Motivation für Auslandsprojekte muss also woanders liegen.
«Im Preiswettbewerb mitmachen kann jeder, wenn er will. Das ist aber uninteressant», meint Olin Bartlomé von der Arbeitsgruppe High Tech Timber. «Spannender ist die Entwicklung innovativer, ganzheitlicher und massgeschneiderter Lösungen, die sich mittel- bis langfristig durch ihre Beständigkeit und Effizienz auszeichnen.» Oder wie es Hans-Christian Angele auf sein Vorhaben in Brasilien rückblickend schildert: «Wir sahen unsere Mission vor allem darin, den Akteuren vor Ort zu zeigen: Mit Nachhaltigkeit lässt sich auch Geld verdienen!»
Der Mehrwert intellektueller Dienstleistungen ist jedoch im Gegensatz zu Produkten schwierig aufzuzeigen und zu vergleichen. Isolierte Auftritte an internationalen Messen bringen deshalb beim Dienstleistungsexport wenig. Der «proof of concept» lässt sich am besten über die Bearbeitung aktueller und konkreter Fragestellungen erbringen. Die Projektteams haben sich dazu auf die Suche nach geeigneten Fallstudien gemacht.
Lokales Wissen gezielt einbinden
Die Identifikation von Möglichkeiten und ihre erfolgreiche Nutzung setzen ein tragfähiges (internationales und interdisziplinäres) Netzwerk voraus. Alle Projektteams haben daher viel Zeit in die Intensivierung und den Ausbau bestehender Kontakte investiert.
Über kluge Seilschaften lassen sich das fachspezifische lokale Wissen und die kulturellen und sprachlichen Kompetenzen gezielt einbinden. Die verschiedenen Disziplinen und Kulturen aufeinander abzustimmen ist schon für sich eine Herausforderung, wie Jürg Grunder aus Erfahrung schildert: «Inder legen gleich los, Schweizer planen zuerst.»
Auch das Ausbalancieren zwischen Leadership und Partizipation gleiche oft einer Gratwanderung, meint Nicole Wirz. «Aber schliesslich ist es das Netzwerk, das einem Stabilität verleiht», sagt sie weiter.
Trotz Krise in der Ostukraine und westlichen Sanktionen gegen Russland hätten alle Partner hinter ihrem Projekt gestanden. Dass das Vorhaben auch von der «offiziellen Schweiz» mitgetragen wurde, war dabei sehr hilfreich.
Unterstützung besser koordinieren
Vom Aussenstellennetz des Bundes (Botschaften, Konsulate, Business Hubs, Swissnex Outposts) sowie von bundesnahen Institutionen (Pro Helvetia) konnten auch alle anderen Vorhaben in der einen oder anderen Form profitieren. Ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen Schweizer Akteure und Initiativen im Ausland wäre jedoch wünschenswert, meint Patrick Reymond, der sich bei seiner internationalen Tätigkeit als Designer oft in diesem Umfeld bewegt.
Ähnliche Marktbearbeitungsprojekte wird es jedoch nach dem Auslaufen der Restmittel des Stabilopakets des Bundes Ende 2015 vorläufig nicht mehr geben, erklärt Andreas Lodowicks, Verantwortlicher bei Switzerland Global Enterprise S-GE, der Exportförderagentur des Bundes. Für die fünf Projektteams heisst dies jetzt, aus eigener Kraft dranzubleiben, um vom bisherigen Erfolg zu profitieren.
Mehr Informationen zu den Projekten: www.sia.ch/de/themen/international/projekte/