SIA 101 «Ordnung für Leistungen der Bauherren» – eine Planungshilfe
Mit Beschluss der Delegiertenversammlung des SIA vom April 2020 tritt die neue SIA 101 Ordnung für Leistungen der Bauherren in Kraft. Was sie beinhaltet und wie ihr Stellenwert für die Planungsbranche einzuordnen ist, erläutern die Mitglieder der Kommission SIA 101 in Statements.
Erich Offermann, dipl. Arch. ETH/SIA, Präsident der Kommission SIA 101, vertritt die Planer:
«Zum Erreichen der oft zitierten vitruvianischen Trinität oder – wie wir die Vision des SIA heute definieren – eines zukunftsfähigen und nachhaltig gestalteten Lebensraums von hoher Qualität bedarf es eines harmonisierten Zusammenwirkens des funktionellen Trios Ausführende, Planende und Auftraggebende. Während die Beziehungsverhältnisse der ersten beiden bekanntlich ausführlich definiert sind und mittels SIA-Ordnungen bewährt angewendet werden, erhält am 1. August 2020 auch der Bauherr ein Dokument, das seine Rechte und Pflichten definiert: die Verständigungsnorm SIA 101 Ordnung für Leistungen der Bauherren. Erarbeitet wurde diese in intensiver Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen, die kompetent die jeweiligen Bedürfnisse eingebracht und so dem Werkzeug zu seiner Symmetrie von Rechten und Pflichten sowie der Akzeptanz unter den Betroffenen verholfen haben.»
Matthias Adelsbach, dipl. Bau-Ing. SIA, Mediator FHNW, vertritt den Kanton Aargau und die Kommission SIA 103:
«Die SIA 101 beschreibt in Ergänzung zu den bestehenden Leistungs- und Honorarordnungen nicht nur die Beziehungen zwischen Bauherren und Auftragnehmern. Sie ist auch eine wichtige Hilfe zum besseren Verständnis und zur Vermittlung der verschiedenen Funktionen auf Seiten der Bauherrschaft. Gerade bei grösseren, professionellen Bauherren sind mehrere Funktionen mit unterschiedlichen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten an einem Projekt beteiligt.»
Claudio Arnold, dipl. Ing. ETH, MAS ETH MTEC/BWI, vertritt die Planer:
«Die neue Ordnung SIA 101 schliesst eine in der Branche schon lang bekannte Lücke: die Klärung und Definition der Aufgaben, Funktionen und Verantwortlichkeiten des Bauherrn. In der täglichen Arbeit sind wir über verschiedene Rollen und Funktionen in Projektorganisationen eingebunden. Die neue SIA 101 klärt die Rechte, Pflichten und Verantwortungen des Bauherrn. Es wird gezeigt, welche Leistungen für die Bauherrschaft delegierbar oder unterstützend sind und damit durch Dritte erbracht werden können. Die SIA 101 gliedert sich nahtlos in das bewährte Modell der SIA 111 und 112 ein und ist so für alle Projektbeteiligten verständlich. Sie schafft Klarheit und hilft bei der Kommunikation untereinander.»
Markus Buchmann, dipl. Kult.-Ing. ETH, vertritt die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB):
«Für die SBB bringt die neue SIA 101 einen deutlichen Mehrwert: Der Katalog der Leistungen hilft unseren Projektleitenden, die Verantwortung als professionelle Bauherren umfassend wahrzunehmen und als kompetente Auftraggeber aufzutreten. Und er ermöglicht vollständige Ausschreibungen sowie nachvollziehbare Angebote der Planer und Berater / Unterstützer und erhöht somit die Vergleichbarkeit der Angebote.»
François Chapuis, dipl. Bau-Ing. FH/SIA, MAS REM, vertritt die Konferenz der Kantonsbaumeister/-innen und Kantonsarchitekten/ -innen (Konferenz KB’CH):
«Bauherr bei der öffentlichen Hand zu werden bedeutet einen signifikanten Rollenwechsel vom Planer zum Besteller. Die neue Ordnung SIA 101 widerspiegelt diese Herausforderung ausgesprochen gut und beleuchtet das Selbstverständnis und die erforderlichen Leistungen des Bauherrn vor und während eines Bauvorhabensaus seiner eigenen Sicht. Insbesondere mit der Einführung der neuen Phase 0 «Initialisierung» wird den anspruchsvollen Überlegungen eines Eigentümers, die schlussendlich zu einem Bauvorhaben führen können, Rechnung getragen. Mit der SIA 101 wird eine Lücke im Normenwerk des SIA geschlossen. Die Konferenz der Kantonsbaumeister/-innen und Kantonsarchitekten/-innen (Konferenz KB’CH) begrüsst daher die Veröffentlichung der neuen Ordnung für Bauherrenleistungen.»
Andreas Forrer, dipl. Bau-Ing. HTL, vertritt die Konferenz der Kantonsingenieure (KIK):
«Die neue SIA 101 zeigt, was es bedeutet, Bauherr zu sein, welche Obliegenheiten dies beinhaltet und was die Tätigkeit von Bauherren und Planern grundsätzlich unterscheidet. Durch die Einführung der Phase 0 «Initialisierung» und der Beschreibung der Leistungen des Bauherrn als Spiegelung der Aufgaben des Planers ist eine Lücke in den LHO endlich geschlossen, was aber auf die bisherige Aufgabenverteilung keinen Einfluss hat. Die SIA 101 hilft mir in der täglichen Arbeit, das gegenseitige Verständnis zwischen allen am Bau Beteiligten und das Selbstverständnis des Bauherrn zu fördern.»
Maurus Frei, dipl. Arch. ETH/SIA, vertritt die Kommission SIA 102:
«Die neue SIA 101 ist wichtig für ein besseres Verständnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, was der allgemeinen Effizienzsteigerung dient. Beide Parteien haben nun ein Instrument, mit dem die gemeinsamen Schnittstellen kompetent und sachlich geregelt werden können. Die SIA 101 zeigt im Rahmen der Normen auf, welches die Pflichten des Auftraggebers sind und dass er, damit ein Projekt erfolgreich abgewickelt werden kann, ebenfalls seinen Pflichten nachkommen muss. Die SIA 101 verbessert die Art und Weise der Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Im Weiteren wurden bei der Regelung der Schnittstellen keine Themen vergessen, da die SIA 101 ziemlich vollständig ist.»
Daniele Graber, lic. iur., dipl. Ing. HTL, Rechtsberater der Kommission:
«Die fast 150-jährige Tradition des SIA im Bereich Normenwesen und Kooperation mit den Auftraggebern brachte die Ordnung SIA 101 hervor. Als Jurist der Kommission SIA 101 begrüsse ich deren erfolgreiche Erarbeitung sehr. Mit ihrer klaren Abgrenzung der Leistungen gegenüber den LHO erhöht die Ordnung SIA 101 die Rechtssicherheit in der Beziehung zwischen Planern und Bauherren entscheidend.»
Stefan Hosang, dipl. Bau-Ing. FH, Dipl. BWI NDS FH, vertritt die Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen (usic) und die SIA 103:
«Die Ordnung SIA 101 präzisiert das Zusammenspiel der verschiedenen Beteiligten an einem Bauprojekt, indem sie einfach, aber dennoch detailliert die Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Bauherrn beschreibt. Sie hilft damit das Rollenverständnis in Projekten zu schärfen, Klarheit in die Zusammenarbeit von Bauherr und Auftragnehmer zu bringen und eine positive Kommunikationskultur zu etablieren.»
Richard Kocherhans, dipl. Bau-Ing. ETH/SIA, vertritt das Bundesamt für Strassen (Astra):
«Das Bundesamt für Strassen als grösster Auftraggeber für Planungsbüros im öffentlichen Tiefbau begrüsst die neue Ordnung und hat bei deren Erarbeitung aktiv mitgewirkt. Wenn auch die Ordnung für institutionelle Bauherren wenig Neues bringt, liegt der Nutzen für alle am Bau Beteiligten in der Darstellung der Aufgaben der Auftraggeber während aller Phasen. Die Ordnung SIA 101 wird zum besseren gegenseitigen Verständnis führen.»
Christian Leuner, dipl. Arch. ETH/SIA, vertritt die Planer:
«Als Auftraggeber leistet der Bauherr in Zusammenarbeit mit uns Planern einen massgebenden Beitrag zur baukulturellen Auseinandersetzung und somit zur Gestaltung unserer Lebensräume. Damit er diese Verantwortung steuern und tragen kann, muss er wie alle am Bauwerk Beteiligten eine definierte Leistung erbringen. Diese ist in der neuen Ordnung SIA 101 sehr genau und verständlich beschrieben.»
Urs Marti, dipl. Bau-Ing. ETH/SIA, SIA-Berufsgruppe Ingenieurbau (BGI):
«Die SIA 101 zeigt die Pflichten der Bauherrschaften als Ergänzung zu den durch die Beauftragten abgedeckten Leistungen detailliert. Dank diesem Rollenverständnis sind die Ingenieure, die sowohl auf Seite Bauherrschaft wie auch als Projektverfasser wirken, in der Lage, Projekte effektiver zu leiten, zu planen, zu begleiten und umzusetzen.»
Ivo Moeschlin, dipl. Arch. ETH/SIA, vertritt die Kammer unabhängiger Bauherrenberater (KUB):
«Als unabhängige Bauherrenberater der Fachkammer des SVIT/ KUB brauchen unsere Mitglieder im Berufsalltag immer wieder Klärung zur Rolle des Bauherrn. Mit der SIA 101 ist nun ein ergänzendes, mit der gesamten Auftraggeberseite abgestimmtes und breit verankertes Grundlagendokument entstanden. Damit ist für grosse und vor allem für mittlere und kleinere Auftraggeber eine gute Basis geschaffen, um die wesentlichen Arbeitsfelder der Bauherren resp. der Bauherrenberater strukturieren zu können.»
Herbert Notter, dipl. Ing. ETH, vertritt den Schweizerischen Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS):
«Mit der SIA 101 gibt es neu ein Instrument, das für die Bauherrenunterstützung (BHU) dokumentiert, welche Aufgaben ein Bauherr hat und welche delegiert werden können. Es hilft mit, den BHU-Auftrag klarer zu formulieren und besser von den nicht zu delegierenden Aufgaben des Bauherrn abzugrenzen. Wir verwenden die Ordnung SIA 101 zur Ausbildung unserer Auftragsleiter, um ein noch besseres Verständnis für die Bauherrenaufgaben zu fördern.»
Boris Schlaeppi, dipl. Arch. FH/SIA, MAS Wing. FH, vertritt den Fachverein für Management und Ökonomie im Bauwesen (Maneco):
«Mit der SIA 101 existiert eine breit akzeptierte Beschreibung der Bauherrendienstleistungen. Sie ist eine ideale Basis für die Akquisition von entsprechenden Mandaten. Durch die facettenreiche Abbildung der Bauherrschaft wird ein Bewusstsein geschaffen, wie intensiv und vielseitig die Rolle ist und welche Anforderungen daran gestellt werden. Erstmals liegt eine Übersicht über die Aktivitäten der Bauherrschaft vor, die den in SIA 102 resp. SIA 112 aufgeführten ‹Leistungen und Pflichten der Bauherrschaft› gegenüber den Planern optimal nachzukommen hilft.»
Jacqueline Stämpfli, dipl. Arch. FH/SIA, Dipl. BWI FH, vertritt die Interessengemeinschaft privater, professioneller Bauherren (IPB):
«Bis heute sind die Auftraggeber, insbesondere diejenigen, die nur einmal bauen, an einem Bauprojekt nicht direkt mit ihren Aufgaben konfrontiert worden. Die neue Ordnung kann diesen Auftraggebern als Leitfaden dienen, um sich in der komplexen Materie der Ordnungen zurechtzufinden. Die professionellen / institutionellen Bauherren sind schon von Grund auf mit ihren internen Instrumenten ausgerüstet und können die SIA 101 als erweiterte Checkliste verwenden.»
Hanspeter Winkler, dipl. Arch. ETH/SIA, vertritt die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB):
«Die Ordnung SIA 101 ist eine wertvolle Ergänzung zu den schon seit Langem bestehenden SIA-Ordnungen der Planer. Damit wird eine wichtige Grundlage geschaffen, die die Leistungen und die Verantwortung der privaten und öffentlichen Bauherrschaften in ihrer Rolle als Auftraggeber umfassend aufzeigt. Der Gedanke dahinter: Die Bauherrschaft hat einen grossen Anteil am Gelingen eines erfolgreichen Planungs- und Bauprozesses. Bisher fehlte jedoch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Rolle und den Leistungen der Bauherrschaft sowie der Bauherrenunterstützung und -vertretung. Mit der neuen SIA 101 wird diese Lücke nun geschlossen. Die Mitglieder der KBOB (öffentlichen Bauherrschaften aller föderalen Ebenen) waren an der Erarbeitung der SIA 101 beteiligt und können sich nun mit allen anderen Akteuren auf einen breit abgestützten Katalog der Bauherrenleistungen verständigen.»
Ralph Wyer, dipl. Arch. ETH/SIA, vertritt das Amt für Hochbauten – Stadt Zürich (AHB):
«Jede bauende Institution, ob privat oder öffentlich, steht in der ethischen Pflicht, unterschiedliche gesellschaftliche Aspekte in ihrem Bauvorhaben zu berücksichtigen, sowohl im Prozess als auch im Ergebnis. Darauf aufbauend verdeutlicht die Ordnung SIA 101 die Führungsverantwortung der Bauherrschaft als Auftraggeberin von Planungsfirmen und Unternehmungen. Sie bildet einen wichtigen Baustein in der Reihe der bestehenden SIA-Ordnungen und unterstützt das Aufgabenverständnis bei Bauvorhaben, auch für die Stadt Zürich.»
Die neue SIA 101 «Ordnung für Leistungen der Bauherren» ist ab dem 1. August 2020 im SIA-Shop erhältlich oder über distribution [at] sia.ch (distribution[at]sia[dot]ch) bestellbar.