«Der SIA-Ak­ti­ons­plan Kli­ma, En­er­gie und Res­sour­cen wird Spu­ren hin­ter­las­sen»

Der SIA-Aktionsplan Klima, Energie und Ressourcen ist von der Berufsgruppe Architektur (BGA) initiiert worden. Im Interview spricht der Mitinitiator Jakob Schneider, Ratsmitglied der BGA, über die Herausforderungen bei dessen Umsetzung und warum der Plan über den Verein hinaus Einfluss haben wird.

Publikationsdatum
02-10-2024

Was war für Sie das entschei­dende Ereignis, das Sie dazu bewog, einen SIA-Aktionsplan Klima ins Leben zu rufen? 

Jakob Schneider: Im Jahr 2019 nahm ich mit meiner Tochter an einem Klimastreik teil. Das war ein Weckruf für mich, ausgelöst von jungen Menschen, die auf die Strassen gingen. Sie machten eindrucksvoll darauf aufmerksam, dass wir uns in einer menschen­gemachten Klimakrise befinden, die wir jetzt noch abwenden oder abschwächen können. Dieses Erlebnis entfachte den Funken für mein Engagement gegen die Klimaerhitzung und die Auseinander­setzung damit.

Damals waren Sie noch nicht Ratsmitglied der BGA  …

Ich wollte einen Beitrag für eine nachhaltige Planungs- und Baubranche leisten und wurde auf den SIA aufmerksam. Im Frühjahr 2021 wurde ich in die SIA-Berufsgruppe Architektur aufgenommen. Dort vertieften wir unser Verständnis für die Herausforderungen der Klimakrise und ent­wickelten methodische Ansätze, um diese anzugehen. Als sich im Herbst 2022 die Delegierten entschieden, Klima im SIA als strategisches Kernthema priorisiert zu behandeln, wusste ich, dass ich mit meinem Anliegen nicht allein war. Das bewog uns als Berufsgruppe, den Diskurs in konkrete Aktionen umzusetzen und einen progressiv formulierten Antrag für einen SIA-Aktionsplan auszuarbeiten. Den Antrag reichten wir im Januar 2023 ein. Zu unserer Freude wurde dieser an der Delegiertenversammlung einstimmig angenommen. Dies markierte den Startschuss für den SIA-Aktionsplan, der Massnahmen definieren soll, die einen echten Beitrag der Baubranche zur Bewältigung der Klimakrise leisten.

Worin unterscheidet sich der SIA-Aktionsplan von früheren Initiativen des Vereins?

Dem SIA-Aktionsplan liegt ein Strategieprozess zugrunde, der von allen Delegierten mit­getragen wird. Da er ein Querschnittsthema adressiert, wird er nicht nur innerhalb der SIA-Organe, sondern auch branchenweit Spuren hinterlassen. Neben inhaltlichen Massnahmen mit konkreten Projekten sollen im SIA auch Prozesse justiert werden, um die gesetzten Ziele besser zu erreichen. Dadurch wird der Aktionsplan tiefgreifende Veränderungen in unserer Arbeits- und Denkweise anstossen.

Wird der SIA-Aktionsplan auch Einfluss auf die SIA-Normen und -Ordnungen haben?

Ja, absolut. Unser Ziel ist es, die Herausforderungen der Klimakrise ganzheitlich anzugehen. Dies beinhaltet auch die Überarbeitung der Normen und Ordnungen.

Was bedeutet der SIA-Aktionsplan konkret für die SIA-Mitglieder?

Der SIA-Aktionsplan soll bei den Mitgliedern ein stärkeres Bewusstsein für die Klimakrise schaffen und sie motivieren sowie befähigen, Veränderungen auch in ihrem Berufsalltag herbeizuführen. Das kann konkret im eigenen Büro geschehen, zum Beispiel Entwurfs- und Entscheidungs­prozesse so auszurichten, dass Treibhausgase minimiert werden. Auf politischer Ebene erhoffen wir uns, dass die Botschaft bei den SIA-Sektionen Anklang findet und diese auf kommunaler sowie regionaler Ebene Einfluss nehmen. SIA-Mitglieder sollen sich als aktiven Teil der Lösung der Klimakrise begreifen und entsprechend handeln. Ganz nach dem SIA-­Motto: Gemeinsam wirkungsvoll für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum.

Was hat sich im SIA zum Thema Klima seit der Initiierung des SIA-Aktionsplans getan?

Es ist beeindruckend, was die ehrenamtlichen Kommissionsmitglieder und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle in dieser Zeit geleistet haben. Sei es mit der Organisation von Veranstaltungen oder Initiativen der Sektionen. Ein gutes Beispiel ist die Weiterbildungsplattform SIA inForm. Sie hat erfolgreich Kursangebote etabliert, die das Wissen für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft vermittelt. Ein weiteres Beispiel ist die stärkere Sensibilisierung der Mitglieder für das Thema über die Fachzeitschriften TEC21, Tracés und Archi. Aber auch bei den Normen hat sich einiges getan, wie die Lancierung der Norm SIA 390/1 Klimapfad zeigt – klimabewusstes Bauen wird Mainstream.

Worin sehen Sie die grössten Herausforderungen des SIA-Aktionsplans?

Die grösste Herausforderung liegt in der Veränderung selbst. Wir wollen nicht nur einzelne Massnahmen auf den Weg bringen, sondern tiefgreifende strukturelle Veränderungen herbeiführen. Zum Beispiel sollte schon in den frühen Phasen eines Bauprojekts ganzheitlich gedacht und interdisziplinär zusammengearbeitet werden. Wir Architekten und Architektinnen entwerfen, planen und gestalten tagtäglich mit Blick auf die Zukunft – eine Fähigkeit, die wir auch für die Umsetzung des SIA-Aktionsplans nutzen sollten. Die Rückendeckung des Vorstands, der den SIA-Aktionsplan von Anfang an unterstützte und vorantrieb, ist dabei eine grosse Hilfe. Der Erfolg hängt jedoch auch von Behörden, Ämtern, anderen Vereinen und Berufs­verbänden ab, die wir für unsere Sache gewinnen wollen.

Was ist Ihre Botschaft an die Planer und Planerinnen?

Wir tragen die Verantwortung, unser Fachwissen aufzubereiten und kritisch zu prüfen. Genauso wie wir dafür sorgen, dass unsere Infrastruktur funktioniert und unsere Gebäude sicher sind, müssen wir gewährleisten, dass unser Lebensraum zukunftsfähig bleibt. Jedes unterlassene Engagement wird uns als Gesellschaft in Zukunft teuer zu stehen kommen. Es ist effizienter und kostengünstiger, jetzt zu handeln, als später teure Korrekturen vorzunehmen. Wir können die Architektur neu denken und ihr einen neuen Sinn verleihen. Diese Chance sollten wir entschlossen ergreifen.

Was ist Ihre Botschaft an die Politik?

Meine Botschaft ist klar: Als Nächstes braucht es ambitionierte Treibhausgasgrenzwerte für Bauten auf Basis der Norm SIA 390/1. Zudem sind bei Wohnungsmangel auch Instrumente zur Förderung der Nutzflächen­effizienz im Bestand in Betracht zu ziehen. Ich möchte betonen, dass wir als Gesellschaft, als Nation und als globale Gemeinschaft noch weit entfernt von dem sind, wo wir sein müssten. Wir müssen uns massiv bewegen, um die Herausforderungen der Klimakrise zu meistern. Und der SIA-Aktionsplan ist unser Beitrag dazu.

Der SIA-Aktionsplan Klima, Energie und Ressourcen wurde von der SIA-Berufsgruppe Architektur initiiert, die Arbeit daran begann im Herbst 2023. Er soll bestehende Massnahmen sichtbar machen, um die Schweizer Bau- und Planungsbranche nachhaltiger zu gestalten und damit zu den Zielen des Pariser Klimaschutzübereinkommens beizutragen. Zudem entwickelt das Projektteam des SIA-Aktionsplans zusammen mit Experten und Expertinnen aus verschiedenen SIA-Gremien sowie weiteren Fachleuten aus der Bau- und Planungsbranche, aus Bundesämtern, der Politik und der Forschung neue Massnahmen. Diese sollen das Engagement des SIA in den Themen Klima, Energie und Ressourcen in Zukunft weiter stärken. Der SIA-­Aktionsplan wird im Mai 2025 der Delegiertenversammlung zur Verabschiedung vorgelegt. Die Massnahmen werden anschliessend umgesetzt. 


 

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