SIA: Die Spielregeln des fremden Markts
Als Schweizer Planer in Frankreich: Der Architekt Urs Keller schildert am zweiten Export-Meeting von SIA-International, wie man auch in einem stark reglementierten Markt mit viel Geduld reüssieren kann.
Warum um alles in der Welt Frankreich? Wo der Architekt mehr Rhetoriker sein muss als Designer und Experte, wo er die Ausführungsplanung fast immer dem beauftragten Unternehmer überlassen muss, und wo letztendlich der Bürgermeister über die Umsetzung eines siegreichen Wettbewerbsprojektes entscheidet? Es gibt andere Märkte, weshalb sich also auf einem so schwierigen abmühen
Mit Fragen wie dieser sah sich Architekt und Szenograf Urs Keller vom Architekturbüro «el hassani & keller» konfrontiert, als er den Besuchern des zweiten Export-Meetings von SIA-International Einblick in seine langjährigen Erfahrungen als Architekt und Szenograf in Frankreich gab. Keller verwirklichte mit seiner Partnerin, der marokkanischstämmigen Architektin Mehdia El Hassani, zahlreiche Projekte im westlichen Nachbarland, zuletzt das szenografische Konzept für den vom Nationalen Museum für Naturkunde betriebenen Zoo von Paris. Urs Keller kam dabei zugute, dass er in Frankreich studiert hatte und das gemeinsame Büro mit Partnerin El Hassani auch in Paris gründete.
Kellers Erfahrungsbericht klingt erst einmal ernüchternd: Das abrechenbare Leistungsspektrum der Architekten ist deutlich kleiner als in der Schweiz, die Projektabwicklung eher umständlich, die Bürokratie gross und die Einflussnahme der Politik bei Wettbewerben und Baugesuchen erheblich. «Wenn Sie als Schweizer Architekt an einem französischen Wettbewerb teilnehmen wollen, sollten Sie sich unbedingt mit einem Partnerbüro im Land zusammentun», sagt Keller, denn «es gibt schon die Tendenz, Hürden aufzustellen für ausländische Bewerber». Das wirke auf viele abschreckend, gesteht Urs Keller ein.
Geduld und viel Herzblut
In einem relativ stark reglementierten Markt wie Frankreich brauche es neben viel Geduld auch viel Herzblut. Aber wenn man erst einmal gelernt habe, das Spiel nach den Spielregeln des Landes zu spielen, fange man irgendwann an, es zu schätzen, einschliesslich des savoir-vivre, das auch zum Geschäftsalltag gehört. Kontakte werden bei einem guten Glas Wein geknüpft, Verträge bei einem gepflegten dîner abgeschlossen. Ein wichtiger Pluspunkt von Frankreich sei, dass man hier an Projekten mitwirken könne, die es in dieser Art und Grösse in der Schweiz nicht oder nur selten gebe, erklärt Keller. Aber um dort hin zu gelangen, braucht es viel Präsentationstalent und wohlgesetzte Worte. Sprache und Kommunikation sind für Architekten in Frankreich ein Schlüssel zum Erfolg. Man müsse sein Projekt perfekt beschreiben und verkaufen können, solide Sprachkenntnisse seien dazu unerlässlich.
Selbst wenn Schweizer Planer diese Herausforderungen im Alltag erfolgreich meistert, so stellt sich den Teilnehmenden trotzdem die Frage: Frankreich scheint nicht auf die Schweiz zu warten, warum also soll man seine Leistungen in Frankreich anbieten, und wo liegen die Marktpotenziale? Patrice Jacquier, Leiter des Swiss Business Hubs in Paris, gab darauf eine Antwort: Sie liegen in der Komplementarität statt Konkurrenz der Angebote, die er bei der Standort- und Exportförderung im Auftrag des Bundes in Frankreich immer wieder feststelle.
Stärken der Schweizer Planer
Die Schweiz hätte bei spezifischen Fragestellungen wie genossenschaftlichem Wohnungsbau, energetischen Sanierungen oder Weiterentwicklung im Bestand einiges zu bieten und könne diese Nischen durchaus besetzen, in Kooperation mit lokalen Partnern. Auch seien sich die Franzosen der Kompetenz der Schweizer durchaus bewusst und seien deshalb offen für innovative Lösungen. Hier zähle dann auch nicht zwingend der Preis, sondern vor allem der Nutzen, den der Abnehmer daraus ziehen kann. Schweizer Lösungen liessen sich allerdings nicht direkt auf den französischen Markt übertragen, alleine aus Mentalitätsgründen. Deshalb sei Kreativität gefragt und Offenheit für andere Herangehensweisen, die Urs Keller aber auch als Inspirationsquelle sieht. Auf der anderen Seite beobachtet er, dass die hiesige Architektursprache in Frankreich auf zunehmende Akzeptanz stösst. Gute Voraussetzungen also, um Brücken zu schlagen zwischen Schweizer Qualität und französischem Flair.