For­schen­de der ETH bau­en künst­li­che Son­ne

Mit einer beweglichen Lampe aus hunderten von starken Leuchtdioden können ETH-Forschende unter anderem den Lauf der Sonne imitieren und so die Wirkung der Sonneneinstrahlung auf Bauteile und Gebäudesysteme unter den Bedingungen unterschiedlichster Orte der Welt testen.

Publikationsdatum
08-02-2024

Das Gerät ist beeindruckend. In einem zweigeschossigen Raum des «Zero Carbon Building Systems Lab» befindet sich ein riesiger Arm mit 875 LED-Platinen, deren volle Leistung 1.2 kW/m2 beträgt, also gleich viel wie uns die Sonne an einem wolkenlosen Tag liefert. Sie bestrahlen eine 5 m2 grosse Fassade mit kaltweissem, warmweissem und/oder infrarotem Licht. Um ihr Vorbild möglichst gut zu imitieren, muss die künstliche Sonne nicht nur die Leistung, sondern auch die parallele Strahlung und fast das ganze Farbspektrum der Sonne nachahmen. Zudem können Wärme und Licht getrennt voneinander untersucht werden.

So lassen sich Materialien oder Fassaden unter Bedingungen wie mittags in der Sahara oder abends im Walliser Winter testen. Zwar existieren bereits Sonnensimulatoren, aber bisher konnte man sie nur an- und abschalten. Dies sei der erste Simulator, dessen Leistung sich steuern lässt und der sich in allen Richtungen um ein Objekt herumbewegen kann, so Professor Arno Schlüter, Initiator des Projekts.

2018 begann das Team des Lehrstuhls Architektur und Gebäudesysteme mit der fünfjährigen Planung und Umsetzung des Sonnensimulators. Ursprünglich sollte dieser komplett von einer Firma hergestellt werden, doch das war im gegebenen Kostenrahmen nicht möglich und so entstand die künstliche Sonne teils in Zusammenarbeit mit externen Firmen, teils mit anderen Instituten der ETH.
Die LED-Platinen entwickelte das Team um Marco Baur, Illias Hischier und Arno Schlüter zusammen mit verschiedenen Firmen. Um die Parallelität der Strahlen herzustellen, entwarfen sie einen parabolischen Trichter aus hochreflektierendem Material.

Für die 875 Trichter wurden faltbare Bausätze ausgedruckt und von Studierenden und Mitarbeitenden in wenigen Tagen zusammengesetzt. Geplant und gebaut wurde die Anlage mit weiteren Mitarbeitenden und Lehrlingen der Elektrotechnik und des Maschinenbaus der ETH. 

Um die Eigenschaften eines neuen Materials oder Bauteils zu untersuchen, wird es zunächst mit Rechenmodellen und kleinen experimentellen Prototypen geprüft. Vielversprechende Konzepte werden 1:1 in den Testzellen des neuen Labors unter realen Bedingungen oder mit dem Sonnensimulator mit oder ohne Nutzende getestet. Aktuell wird im Rahmen des Nationalen Schwerpunktes Digitale Fabrikation (NCCR DFAB) eine halbtransparente Fassade aus 3D-gedrucktem Polymer untersucht, die je nach Jahreszeit mehr oder weniger Licht und Wärme ins Gebäude lässt.

Die Forschungsanlage ist nicht nur der Wissenschaft vorbehalten, sondern steht auch Externen offen. So arbeitet das Team derzeit mit Partnern wie der Velux Foundation, Siemens Building Technologies, Arup und verschiedenen Spin Offs zusammen. Das neue Labor soll dazu beitragen, die Lücke zwischen Forschung und Praxis zu schliessen und damit die Entwicklung klimaneutraler Gebäude beschleunigen.

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